Eberhard Schöler

Tischtennis

  • Name Eberhard Schöler
  • Sportart Tischtennis
  • Geboren am 22. Dezember 1940 in Flatow/Westpreußen
  • Aufnahme Hall of Fame 2011
  • Rubrik 60er Jahre

Tischtennis-Pokerface mit Fairplay und Erfolg

Er war Deutschlands erster Weltklassespieler im Tischtennis. Seine größten Erfolge feierte Eberhard Schöler 1969 bei den Weltmeisterschaften in München mit dem Gewinn der Silbermedaillen im Einzel und mit der Mannschaft.

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Dritte Plätze im Einzel bei Weltmeisterschaften belegte er 1965 und 1967. Bei Europameisterschaften gewann er 1962 und 1964 Bronzemedaillen im Einzel. Zudem holte der Defensivspieler, „Mister Pokerface“ genannt, weitere WM- und EM-Medaillen mit der Mannschaft, im Doppel sowie im Mixed. 1971 gewann er mit seiner Frau Diane (geb. Rowe) WM-Bronze. Dass Schöler zwischen 1962 und 1971 neunmal Deutscher Einzel-Meister wurde und zwischen 1962 und 1979 mit der DJK TuSA 06 Düsseldorf und mit Borussia Düsseldorf (ab 1968) zwölf nationale Mannschaftsmeisterschaften gewann, zeigt seine nationale Dominanz. Zudem galt er in seiner aktiven Zeit auch als „Mister Fairplay“. 1974 beendete Eberhard Schöler seine internationale Karriere und übernahm Ehrenämter im Deutschen Tischtennis-Bund sowie im Europa- und Weltverband. Im nationalen Verband war er 26 Jahre lang Sportwart beziehungsweise Vizepräsident. So steuerte Schöler den Aufstieg des deutschen Tischtennis in die Weltelite.

Eberhard Schöler

Tischtennis

Größte Erfolge

  • WM-Zweiter 1969 im Einzel sowie mit der Mannschaft
  • WM-Dritter im Einzel 1965 und 1967
  • EM-Dritter im Einzel 1962 und 1964
     

Auszeichnungen

  • Georg von Opel-Preis (1999)
  • Zweiter bei Wahl zum Sportler des Jahres (1969)
  • Barna-Trophy für Fairplay (1969)
  • Silbernes Lorbeerblatt (1969)
  • Goldenes Band der Sportpresse (1969)

Biografie

Fast zwei Jahrzehnte lang war Eberhard Schöler das Aushängeschild, ja das Gesicht des deutschen Tischtennissports. Dabei führt sein Spitzname „Mr. Pokerface“ allerdings in die falsche Richtung.

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Mit Respekt und Bewunderung verfolgten von 1960 an bis in den Ausgang der 1970er Jahre nicht nur eingefleischte Fans Schölers sportliche Performance, seine Defensivkünste, die mit präzisen Angriffsaktionen – der legendären „Vorhandpeitsche“ –gekoppelt waren. Hinter der scheinbar stoischen Miene – eben dem Pokerface – verbargen sich strategisches Geschick, Willensstärke, Kampfgeist, Konzentrationsfähigkeit im Übermaß. Gelassenheit, Souveränität im Sieg und der Niederlage waren weitere Karrierebegleiter. „Mehr sein als scheinen.“ Ein Motto preußischer Herkunft. Wie zugeschnitten auf den Lebensweg eines Sportlers, der am 22. Dezember 1940 in Flatow – dem heute polnischen Zlotow – zur Welt kam und der als gerade Vierjähriger per Flüchtlingstreck im niedersächsischen Scheeßel bei Verwandten Unterschlupf fand. Zitat Schöler: „Geblieben ist die Erinnerung an eine unruhige Zeit, an Kälte und Hunger. Aber wir hatten überlebt.“

Mit zwölf Jahren folgten die ersten Ballkontakte in einem Allgäuer Schülerheim, auf zusammengestellten Esstischen, die dann im Verein Rot-Weiß Scheeßel weitergeführt wurden. Als die Familie schließlich in Düsseldorf Fuß fasste, war der dortige TTC Schwarz-Weiß zunächst „Anspielstation“. Als erste Lehrmeister fungierten die älteren Brüder Karl-Heinz und Reinhard. Letztgenannter brachte es 1955 mittels Ballgefühl, für den Rivalen unberechenbarer Ballonabwehr und mit undurchdringlichen Gesichtszügen immerhin in Nordrhein-Westfalen zum Landesmeister. Spitzname: „Pokerface“.

Der Jungspund Schöler war in Sachen Tischtennis eher ein Spätstarter. Bei Deutschen Jugendmeisterschaften ist er nie in Erscheinung getreten. Die Notiz in der August-Ausgabe 1957 der Fachzeitschrift „Deutscher Tischtennis Sport“ war denn auch kurz und bündig: „Bei Tusa Düsseldorf meldete sich der Nachwuchsspieler Schöler (Schöler III) an“. Wenig später – Januar 1958 – schafft er es sogar bildlich auf die Titelseite des Blattes. Als Fünfter von links der WTTV-Jugendauswahl. Rang zwei beim Bundesranglistenturnier 1960 war das erste Achtungszeichen. Zwei Jahre später war der Betriebswirtschaftsstudent mit dem Gewinn des nationalen Titels und drei Bronzemedaillen bei den vom Boykott des Ostblocks überschatteten Europameisterschaften in Berlin-West im Establishment seiner Sportart angekommen. Bis zum Ende der internationalen Laufbahn 1974 hatte der Spieler Schöler dort eine herausgehobene Position, danach war er tatkräftiges und umsichtiges Mitglied nationaler und internationaler Gremien.

Die wichtigsten Daten aus Schölers sportlicher Karriere: Zweimal Silber und viermal Bronze bei Weltmeisterschaften; einmal Silber und fünfmal Bronze bei Europameisterschaften; fünf weitere Einzeltitel bei internationalen Championaten; neunmal nationaler Deutscher Einzelmeister; viermal Gewinner der Internationalen Deutschen Meisterschaften. Der Teamplayer Schöler brachte es außerdem mit seinen Düsseldorfer Klubs Tusa (fünfmal bis 1967) und anschließend Borussia (siebenmal bis 1979) auf ein Dutzend nationaler Mannschaftstitel.

Möglicherweise vermisst ein Betrachter bei den erkämpften WM- und EM-Medaillen den Goldschimmer. Der Altmeister wird das – nicht nur in der Rückschau – anders gewichten. Bei aller Hingabe für seinen Sport war Schöler auch in seiner Glanzzeit nie fixiert auf das Spiel am Tischtennistisch als Lebensziel. Weder als Student noch als Mitarbeiter, späterer Geschäftsführer und letztlich Inhaber einer Glasfirma. Auch nicht als Gründer und Namensgeber eines Sportartikelversands.

Vor allem drei denkwürdige Matches sind es, die Augenzeugen und Zeitgenossen in Erinnerung bleiben: Weltmeisterschaften 1965 im jugoslawischen Ljubljana. Für das Viertelfinale qualifiziert: sechs famose Chinesen, ein Japaner und Schöler. Mit „Europa, Europa“-Sprechchören begleiten zehntausend Fans „ihren“ Matador durch die Partie gegen Chinas Defensivstrategen Chang Shi Lin. Schöler gewinnt mit 27:25 im entscheidenden fünften Satz. Nach über zwei Stunden und einer Reihe vergebener und abgewehrter Matchbälle. Die Halle ein Tollhaus. Uninteressant, dass der ausgelaugte Deutsche eine halbe Stunde danach dem späteren Champion Chuang Tse Tung in drei Sätzen unterliegt.

Vier Jahre später ist der 19-jährige Bernt Jansen Finalkontrahent Schölers bei den nationalen Meisterschaften in Hagen. Das Osnabrücker Supertalent ist ein Temperamentsbolzen, der das Publikum verzaubern kann. Der Gladiator mit dem kleinen Schläger darf bei einer 20:15-Führung im Entscheidungssatz zu Recht himmelhoch jauchzen. Und muss Minuten später zu Tode betrübt zur Kenntnis nehmen, eben doch an der Willensstärke seines Gegenübers gescheitert zu sein.

April 1969: Die Münchner Eissporthalle – erster fertig gestellter Neubau für die Olympischen Spiele 1972 – erlebt mit den Tischtennis-Weltmeisterschaften ihre Veranstaltungspremiere. Infolge eines Wintereinbruchs sind die Temperaturen auch drinnen anfangs nicht erwärmend. Der Stimmung tut das keinen Abbruch, zumal das Herrenteam des Gastgebers erst im Finale den favorisierten Japanern 3:5 unterliegt. Zwei der deutschen Punkte steuert Schöler bei. Am Schlusstag herrscht draußen Frühling, die ausverkaufte Arena bietet Saunatemperaturen und eine grandiose Atmosphäre. Zunächst Lob und Anerkennung für Gaby Geißler aus der DDR, die im Dameneinzel Silber gewinnt. Und dann beginnt das legendäre, unvergessene Einzelfinale Schöler gegen Shigeo Itoh (Japan). Hier die meisterhafte Defensive, gemischt mit blitzschnellen Angriffsaktionen, dort der Interpret bedingungsloser, manchmal maschinenhafter Offensive. Bei einer 2:0-Führung und einem 19:20 im dritten Durchgang fehlt dem Deutschen in den Schlusssekunden ein Quäntchen Kraft oder einfach Glück. Shigeo Itoh schafft den Satzanschluss, spielt sich förmlich in einen Rausch und triumphiert am Ende in fünf Sätzen. Prompt gab es Dopinggerüchte um den Japaner. Schöler, im Jahr 2011 darauf angesprochen, wiederholt seinen damaligen spontanen Kommentar: „Kompletter Blödsinn“.

Dem Weltklasseakteur Schöler folgte zum Ausklang der Sportkarriere zunächst der Aktivensprecher („ich habe ganz schön gemeckert“), dann, vom engen Freund und einstigen sportlichen Rivalen Hans Wilhelm Gäb überredet, der Funktionär. Beide traten 1981 gemeinsam mit anderen Mitstreitern an, den trotz gelegentlicher Erfolge reichlich träge dahindümpelnden Tanker Deutscher Tischtennis-Bund in Fahrt zu bringen. Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Allein die sportliche Erfolgskette spannt sich von Rosskopf/Fetzner über die „Golden Girls“ der 1990er Jahre bis zu Timo Boll und seinen medaillendekorierten WM- und EM-Teamkollegen. Der Sportwart und spätere Vizepräsident Leistungssport des DTTB (bis 2007) hat daran mit seinem Wissen, seinem Engagement und seiner unaufgeregten Art hohen Anteil. Auseinandersetzungen ist er nie ausgewichen, er hat sie entschärft, stets faire Kompromisse angestrebt. Hohes Ansehen erwarb sich Schöler auch international als Vizepräsident der Europäischen Tischtennis-Union und Vorstandsmitglied des Weltverbandes ITTF.

Wer könnte treffender eine Gesamtwürdigung formulieren als Hans Wilhelm Gäb: „Schöler ist unter den Sachkundigen der Sachkundigste, unter den Fairen der Fairste, unter den Toleranten der Toleranteste, unter den Anständigen der Anständigste, ein Mann der Vernunft und des Ausgleichs.“

Dieses Porträt wäre nicht komplett, ohne die Zutat einer sehr persönlichen „Erfolgsgeschichte“: Bei den Europameisterschaften 1964 hatte Schöler das Halbfinale des Herreneinzels gegen den Schweden Kjell Johannsson verloren. Unter der Überschrift „Konnte Schöler Meister werden?“ übte das Fachblatt „Deutscher Tischtennis Sport“ dezente Kritik: „Schöler zog sich nach seinem Sieg über Korpa ins Private zurück und vertrat sich erst wenige Minuten vor Beginn des entscheidenden Spiels die Beine. Das war der falsche Weg.“

Erklärung: Einige Turniere zuvor war geschehen, was auch in der ernsten Welt des Hochleistungssports passieren kann: Sportsman meets Sportsgirl. Im speziellen Fall traf der international aufstrebende Deutsche auf die arrivierte englische Weltklassespielerin Diane Rowe, zweimalige Doppelweltmeisterin mit ihrer Zwillingsschwester Rosalind, darüber hinaus bei vielen Welt- und Europa-Championaten reich mit Gold, Silber und Bronze ausgezeichnet.

Time is running. Seit 1966 sind „Di“ und „Ebi“ miteinander verheiratet. Statistiker des Sports wissen, dass Diane ihr sportliches Können sozusagen als „Mitgift“ erfolgreich ins deutsche Tischtennis eingebracht hat. Beispiele sind zwei EM-Silbermedaillen, nationale Einzeltitel 1970 und 1972, zwei Mixed-Meisterschaften mit Ehemann Eberhard. Und als pointierter gemeinsamer internationaler Schlusspunkt ihrer Sportkarriere WM-Bronze 1971 im Mixed.

Und da war noch etwas: Angetan von Schölers Erfolgen kaufte sich ein junger Mann – nennen wir ihn Wolfgang B. – im Odenwälder Städtchen Höchst einen Tischtennistisch. Das Sportgerät im Hobbykeller war über ein Jahrzehnt später noch intakt, als der vierjährige Sprössling des Ehepaares B. locker und mit „links“ die ersten Bälle malträtierte.

Inzwischen ist einige Zeit verstrichen. Timo Boll – der Dreikäsehoch von einst – ist vielfacher Europameister geworden. Silberne Zugaben gab es im Doppel wie auch in Teamwettbewerben bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. 2011 gewann der seit 2007 für Borussia Düsseldorf agierende Odenwälder die ersehnte (bronzene) WM-Einzelmedaille. Erstmals seit 1969 stand damit wieder ein Deutscher nach Eberhard Schölerauf dem Einzeltreppchen. Augenzeuge in Rotterdam: Eberhard Schöler, dessen WM-Einzelsilber von München weiter Unikat blieb. Die Tischtenniswelt – ein Mikrokosmos.

Friedrich-Karl Brauns, Mai 2011

Literatur zu Eberhard Schöler:

Die Zeit, Jahrgang 1969, Nr. 19 vom 9.5.1969: Rückblick auf die Weltmeisterschaften


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