Gustav Schäfer

Rudern

  • Name Gustav Schäfer
  • Sportart Rudern
  • Geboren am 22. September 1906 in Johanngeorgenstadt
  • Todestag 10. Dezember 1991 in München
  • Aufnahme Hall of Fame 2008
  • Rubrik 1933–1945

Erster deutscher Olympiasieger im Ruder-Einer

Gustav Schäfer ging 1936 als erster und bis 1988 einziger deutscher Olympiasieger im Einer in die Rudergeschichte ein. Zunächst Schwimmer, kam Schäfer erst 1929 und verhältnismäßig spät zum Rudern. Den ersten großen Erfolg feierte „Gummi“ Schäfer 1934 als Deutscher Meister. Seinen Spitznamen hatte er sich schon beim Schwimmen als ursprünglicher Ersatzmann in einem 1500-Meter-Freistilrennen geholt.

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Überraschend gewann er, nachdem er sich an den Favoriten gehängt und ihn im Schlussspurt überholt hatte. Der verblüffte Favorit sagte danach: „Der Schäfer klebte zäh wie Gummi an mir“. 1934 wurde Schäfer Europameister im Einer, 1935 gewann er alle großen Rennen bis auf die Deutsche Meisterschaft. Vom Dresdner RV wechselte Schäfer 1936 zur Skullerzelle nach Berlin-Grünau. Das Training trug Früchte. Bei den Olympischen Spielen 1936 gewann er überlegen die Goldmedaille und trat nach den in 8:21,5 Minuten zurückgelegten 2.000 Metern auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn ab. Nach Krieg und russischer Gefangenschaft (bis 1947) war Schäfer Mitbegründer der Deutschen Olympischen Gesellschaft und zog für die olympische Idee werbend mit Filmgerät durch die Lande.

Gustav Schäfer

Rudern

Größte Erfolge

  • 1936 Olympia-Gold im Einer
  • 1934 Europameister im Einer

Auszeichnungen

  • Bundesverdienstkreuz (1988)
  • Goldene Ehrennadel des Deutschen Ruderverbands (1979)

Biografie

Er sei ja ein Schwimmer gewesen, sagte Gustav Schäfer – kein besonders talentierter Schwimmer, aber einer von jenen, die ihren Sport mit den Freunden betreiben. In Dresden habe man ihn eines Tages über fünfzehnhundert Meter als Ersatzmann gegen einen antreten lassen namens Ziegenfuß, gegen den er im Grunde genommen keine Chance besaß. Man überredete Schäfer zu dem Start, weil man bei dem Wettkampf sonst keine Punkte erhalten hätte. Der Trainer habe gesagt, er solle auf der langen Strecke versuchen, dran zu bleiben – alles andere würde sich dann schon ergeben. Das habe er auch gemacht, und zwar in der damals nicht ungewöhnlichen Seitenlage; am Schluss sei er eine Handbreit vorne gewesen. Der Gegner namens Ziegenfuß habe nachher gesagt, dieser Schäfer sei zäh wie Gummi gewesen. Auf diese Weise erhielt Gustav Schäfer den Spitznamen „Gummi“, und weil er schließlich unter diesem Namen so populär war, dass viele Menschen gar nicht mehr den richtigen Namen wussten, wurde er als „Gummi“ auch in das Münchner Telefonbuch eingetragen.

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Es war eine von diesen Geschichten, wie sie Schäfer gerne erzählte – mit temperamentvollen Gesten und immer noch in der leichten Mundart der Sachsen. Die Familie Schäfer kam aus dem Erzgebirge, aber 1911 zog man nach Dresden, wo der kleine Gustav auch in die Schule kam. Der Vater war ein gesuchter Kunsttischler und stellte Nähtischchen und Kommoden her – sein guter Ruf brachte ihm sogar den Titel als königlich-sächsischer Hoflieferant ein. Der junge Gustav vertrieb sich die Freizeit im Dresdner Schwimmverein. Er gehörte zur Wasserballmannschaft des Vereins und auch zur 200-Meter-Staffel. Im Schwimmbad hatte der Ruderverein einen Ruderkasten für die Trainingsarbeit aufgebaut, so dass da eine kleine Berührung mit dem anderen Sport unausbleiblich war. Aber „Gummi“ Schäfer war schon 23 Jahre alt, bevor er zum ersten Mal in ein Ruderboot stieg. Er hatte eine Lehre als Konditor beendet, er spielte Hockey und auch Fußball. Es heißt, die Ruderer hätten die Schwimmer zu einem Tanzvergnügen ins Clubhaus eingeladen, und dabei habe man darüber geredet. Einem Trainer namens Wurtmann gebührt das Verdienst, Schäfers Talent als Erster erkannt zu haben. 1929 nahm „Gummi“ Schäfer das Training als Ruderer im Einer ernsthaft auf.

Im gleichen Jahr bereits kam er zu seinen ersten Siegen im Anfänger-Vierer und im Jungmannen-Achter – im Einer wurde er Vereinsmeister. 1931 beschloss er, sich ganz auf den Einer zu konzentrieren und gewann vier Rennen mit diesem Boot. Bei dem erstaunlich schnellen Aufstieg kam ihm natürlich die lange und sorgfältige athletische Ausbildung entgegen, die er in den Jahren als Schwimmer erlebte. Als er 1932 die ersten wirklich großen Konkurrenten schlug, kam es zu einer Begegnung mit dem britischen Trainer George Cordery. Schäfer und Cordery waren fortan unzertrennlich. Cordery kam als Trainer zum Dresdner Ruder-Verein. 1934 wurde Schäfer deutscher Meister – im gleichen Jahr bei seiner ersten Auslandsreise auch Europameister in Luzern. 1935 gab es einen Rückschlag, als er bei den deutschen Meisterschaften verlor. Aber Schäfer war da bereits für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin „dienstverpflichtet“. Das Training nicht nur für die Sculler, sondern für alle Ruderer fand auf der Olympiastrecke in Berlin-Grünau unter professionellen Bedingungen statt. Schäfer galt als Angestellter einer Zigarettenfirma, die man später als Sponsor bezeichnet hätte. Als Trainer hatte man den Engländer Cordery kommen lassen. Der fast dreißigjährige „Gummi“ Schäfer gewann an diesem 14. August 1936 mit mehr als zwei Längen Vorsprung die Goldmedaille. Es war eine denkwürdige Regatta für die deutschen Ruderer, die hier fünf Goldmedaillen, eine silberne und eine bronzene gewannen. Schäfer erklärte nach diesem Rennen seinen Rücktritt.

Man gab dem Olympiasieger Schäfer eine kleine Position im Arbeitsministerium, wo er zunächst einmal lernen sollte. Trainer Cordery wollte ihn überreden, noch einmal für die Olympischen Spiele zu trainieren, die ja 1940 in Tokio geplant wurden. Aber Schäfer mochte sich nicht mehr der Fron eines Trainings unterziehen. Dazu kam schließlich auch die Meinungsänderung beim Trainer. Der Brite Cordery, längst verheiratet mit einer deutschen Frau, beobachtete die Entwicklung der politischen Verhältnisse in Deutschland und zog 1938 zurück in seine Heimat.

Gerne erzählte der Mann mit der so jungen Stimme von einem Zeitungsausschnitt aus einem in der DDR erschienenen Blatt namens „Der Morgen“ vom 18. Juni1961. Dort stand zu lesen, dass Achim Hill – ebenfalls ein Sculler der Weltklasse – es bedauert, den großen Gustav Schäfer nicht mehr treffen zu können, weil der ein Opfer des von den Nazis verschuldeten Krieges geworden sei. Schäfer sagte den Satz von den Totgesagten, die so lange leben. Er hatte einen ganzen Schrank voller alter Zeitungen und Büchern. Das war in München, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbrachte.

Er wurde als Soldat nach Frankreich und nach Rußland eingezogen. Erst 1947 kam er aus der russischen Gefangenschaft zunächst nach Ostberlin. Sein Ruder-Freund und -Konkurrent Georg von Opel holte ihn in den Westen. Sie gründeten in der Bundesrepublik die Deutsche Olympische Gesellschaft. Schäfer nahm in Rüsselsheim und Frankfurt an den Regatten der Alten Herren teil. Er zog nach Wilhelmshaven, wo er auch als Trainer der Ruderer wirkte. 1961 führte ihn der Beruf nach München. Bei den großen Meisterschaftsregatten sah man ihn auf der Tribüne – ein vitaler älterer Herr, der das Geschehen lebhaft verfolgte und gerne davon erzählte, wie es früher einmal war. Bis Mitte der sechziger Jahre trainierte er mit den Ruderern des RSV Bayern. Erst als man ihm zu verstehen gab, dass seine Methoden nicht mehr den modernsten Ansprüchen genügten, hörte er von Heute auf Morgen auf.

Die Entscheidung wurde ihm leichter gemacht, nachdem er sich mehreren Operationen an der Hüfte unterziehen musste – damals war ein solcher Eingriff durchaus noch mit einigen Risiken behaftet. Schäfers Bein blieb danach fünf Zentimeter kürzer. Der ehemalige Sportler, der sein Leben lang ein Beispiel für Bewegung war, musste sich auf einmal mit einer Behinderung abfinden. Es war sicherlich nicht leicht für ihn. Umso bewunderungswürdiger blieb das Interesse, mit dem er bis zuletzt die Dinge des Sports beobachtete.

Nein – er hatte nichts gegen kommerzielle Entwicklungen, sondern eher etwas gegen das Sattsein und die Sicherheit, die dazu führt, dass mit dem Erreichen des Finals das Ziel erreicht ist. Er sagte, er habe den Eindruck, dass viele der jungen Sportler nicht wissen, was es heißt, Schmerzen zu erleiden und sich zu quälen. Er sagte, wenn man weiß, dass man eventuell im Spurt verlieren kann, muss man eben an diesem Spurt arbeiten – es macht keinen Sinn, wenn man sich in sein Schicksal ergibt. Er erklärte alles das auf eine lebendige, junge Weise, dass man vergisst, wie lange der Olympiasieg von „Gummi“ Schäfer zurückliegt. Da war kein Wehklagen über die Behinderung und über Schmerzen. Da war nur ein älterer Herr, der aufrecht durch ein langes Leben gegangen ist und keinen Tag davon bereute.

Ulrich Kaiser, Mai 2008

Literatur zu Gustav Schäfer:

Volker Kluge: Olympische Sommerspiele. Die Chronik Teil 1. Athen 1896 – Berlin 1936. Berlin 1997
Friedrich Bohlen: Die XI. Olympischen Spiele Berlin 1936. Köln 1979


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