Kurt Stöpel

Radsport

  • Name Kurt Stöpel
  • Sportart Radsport
  • Geboren am 12. März 1908 in Berlin
  • Todestag 11. Juni 1997 in Berlin
  • Aufnahme Hall of Fame 2008
  • Rubrik Bis 1933

Erster deutscher Etappensieger bei der Tour de France

1932 war Kurt Stöpel der erste deutsche Radrennfahrer, der eine Etappe der Tour de France gewann – am 7. Juli von Caen nach Nantes. Gleichzeitig schlüpfte er damit als erster Deutscher in das Gelbe Trikot des Gesamtführenden. Am Ende belegte Stöpel den zweiten Platz. Insgesamt startete er fünfmal beim bedeutendsten Radrennen der Welt.

mehr lesen

1931 wurde er Sechzehnter, 1933 Zehnter, 1934 Einundzwanzigster. 1935 zwang ihn ein Sturz zur Aufgabe. Seinen ersten großen Sieg hatte Stöpel 1927 beim Rennen Berlin-Stettin-Berlin gefeiert. Er gewann außerdem als Amateur das Traditionsrennen Berlin-Cottbus-Berlin, „Rund um die Hainleite“ in Thüringen sowie das 600 Kilometer-Rennen Köln-Berlin. Danach wurde Stöpel Berufsfahrer, 1930 Zweiter der Deutschland-Rundfahrt und WM-Vierter sowie 1932 Fünfter beim Giro d’Italia. 1934 siegte er bei der Deutschen Straßenmeisterschaft und bei Rund um Köln. Da er fünf Sprachen fließend beherrschte, nannten ihn die französischen Journalisten „le Philosoph“, die deutschen Kollegen den „Professor“. Stöpel nutzte seine Sprachbegabung später als Dolmetscher und Vermittler bei großen politischen Ereignissen und schrieb ein Buch über seine Tour-Erlebnisse.

Kurt Stöpel

Radsport

Größte Erfolge

  • Zweiter der Tour de France 1932
  • Fünfter beim Giro d’Italia 1932
  • WM-Vierter 1930
  • Deutscher Straßen-Meister 1934
  • Sieger Rund um Köln 1934
  • Zweiter der Deutschland-Rundfahrt 1930

Auszeichnungen

  • Ehrengast der Tour de France-Starts 1980 in Frankfurt und 1987 in Berlin

Biografie

Wenige Tage vor dem Ende der Tour de France 1996 erhielt der bekannte Radrennfahrer Jan U. ein Schreiben aus einem Altersheim in Berlin. Absender war ein 88-jähriger Herr, der davon schrieb, wie er mit „heißem Herzen“ die Fahrt des Jan U. verfolgt habe. Der alte Mann hieß Kurt Stöpel und hatte im Jahre 1932 die Tour de France als Zweiter beendet – wie Jan U., der allerdings mit dem Namen Stöpel nichts anzufangen wusste. Wahrscheinlich kann man Jan U. dieses Unwissen um die Geschichte des Radsports gar nicht übel nehmen – es ist doch wohl so, dass kaum einer von den großen Sportlern heutzutage weiß, in wessen Spuren er sich bewegt. Dabei ist es noch nicht einmal nötig, die Vorgänger als Vorbild zu betrachten. Das wäre bei dem Ruf, den der Radsport sich inzwischen „verdiente“, wohl auch zu viel verlangt.

mehr lesen

Kurt Stöpel war Berliner, hier geboren, hier aufgewachsen, hier auch gestorben. Man weiß es nicht sicher: Kam das Radfahren durch seinen Beruf – oder entstand der Beruf durch das Radfahren? Stöpel arbeitete als Bote für die Redaktion einer in Berlin ansässigen amerikanischen Nachrichtenagentur. Man hatte damals – in den zwanziger/dreißiger Jahren – längst erkannt, dass ein Radfahrer im Verkehrsgewimmel einer Großstadt schneller vorankommt als irgendein anderes Verkehrsmittel. Stöpel besaß das Talent und die Zähigkeit, die ein guter Straßenfahrer benötigt, wenn er in die internationale Klasse aufsteigen möchte. Da er tagsüber als Bote beschäftigt war, verschaffte er sich die Zeit zum Training in den frühen Morgenstunden. Zur nächtlichen Stunde – um drei Uhr – begab er sich mit dem Rennrad in die Havelberge. Wenn er in der Redaktion dann seine Arbeit aufnahm, hatte er bereits seine ersten fünfzig Kilometer hinter sich. Als Neunzehnjähriger – 1927 – siegte er bei dem damals berühmten Rennen Berlin-Stettin-Berlin über 275 Kilometer Er gewann Berlin-Cottbus-Berlin und vor allem Köln-Berlin über sagenhafte 600 Kilometer. Dieser Erfolg machte ihn mutig. Er gab die Stellung als Bote auf und wurde Berufsfahrer. Der Entschluss fand seine Berechtigung ein Jahr später, als er bei der Straßen-Weltmeisterschaft in Lüttich erst im Spurt verlor und den vierten Platz belegte. Den größten Erfolg aber erreichte Kurt Stöpel bei der Tour de France.

Man kann sicherlich nicht sagen, dass die Tour im Jahre 1932 noch in den Kinderschuhen steckte. Die große Schleife war 1903 in der Redaktion der Zeitung „L’Auto“ ausgedacht worden – genauso wie übrigens einst der Europapokal der Fußballspieler oder das Wimbledon-Turnier der Tennisspieler in den Redaktions-Räumen von Zeitungen erfunden wurden. Beim ersten Mal fuhr man über eine Distanz von 2400 Kilometern. Es waren 20.000 Francs an Preisgeld ausgesetzt – 3000 für den Sieger – die ersten Fünfzig sollten jeder zehn Francs erhalten. Mit dem durchaus üblichen Pathos jener Tage rief der Chefredakteur in seinem Blatt das Volk auf: „Sie werden auf staunende Faulpelze am Wegesrand treffen, die sich ihrer Bequemlichkeit schämen und aufgeweckt werden von der Kraft und der und der unbezähmbaren Energie dieser außergewöhnlichen Männer.“

Als Kurt Stöpel 1932 an den Start der 26.Tour de France ging lagen 4520 Kilometer vor in 21 Etappen. Er war 24 Jahre alt und längst kein Unbekannter mehr. Er hatte schon ein Jahr vorher an der Tour teilgenommen und dabei den 16.Platz belegt. Dieses Mal allerdings hatten sich die Organisatoren etwas ausgedacht, um die relativ langsame Fahrt des Feldes auf den Flachetappen zu unterbinden: Es gab eine ganze Reihe von Gutschriften – beispielsweise vier Minuten für den Ersten, drei Minuten für den Zweiten. Stöpel gewann zunächst schon am zweiten Tag die Etappe von Caen nach Nantes über 295 Kilometer – die erste Teilstrecke, die je von einem Deutschen gewonnen wurde. Im Spurt zeigte er sich dem Franzosen André Leducq überlegen. Damit eroberte Stöpel auch das Gelbe Trikot. Die Verteidigung der gelben Trophäe misslingt, obgleich er sich in hervorragender Form befindet, nach nicht weniger als sieben Reifenschäden. Zwei- oder dreimal gelingt es dem Berliner, den Rückstand zum Feld und an die Spitze wieder gutzumachen, aber dann reißt die Verbindung ab. Zur Erklärung: Es gab damals nur einen für alle Fahrer zugänglichen Wagen mit dem nötigen Material für einen Reifenwechsel. Wenn dieser Wagen nicht zufällig gerade in der Nähe war, musste der Fahrer warten. Man fuhr damals mit Nationalmannschaften – ein eigener Materialwagen war viel zu teuer, das gleiche galt für die Reifen. Die Fahrer durften nur den eigenen Sattel und den eigenen Lenker mitbringen – das Rad gab es beim Veranstalter. Die Franzosen hatten einen eigenen Materialwagen mit abgelagerten Reifen, die weitaus widerstandsfähiger waren.

Kurt Stöpel belegte im Schluss-Klassement der Tour de France 1932 den zweiten Platz. Sieger war der Franzose André Leducq, der durch die neue Regelung mit den hohen Zeit-Gutschriften insgesamt 24 Minuten gewann. Leducq kam nach der Siegerehrung zu seinem großen Widersacher aus Deutschland und sagte, „wir haben beide gewonnen“. Den Blumenstrauß, den man ihm für die Ehrenrunde in Paris gab, reichte er weiter an die Gattin von Stöpel. Die beiden Athleten bleiben auch nach dem Ende ihrer Karrieren befreundet, was die Funktionäre in beiden Ländern nicht gerne sehen. Kurt Stöpel startet noch drei weitere Male bei der Tour de France; 1933 belegt er den zehnten Rang – 1934 kommt er auf den 21. Platz – 1935 erleidet er einen schweren Sturz und muss das Rennen aufgeben.

In den letzten Tour-Jahren für Stöpel wurden die Antipathien gegen die deutschen Teilnehmer nicht geringer. Es bestand kaum eine Chancengleichheit gegen die Gastgeber, oder auch die belgischen Fahrer, die ihre Helfer über die gesamte Begleitkarawane verteilt hatten. Es gab beispielsweise zwar einen Betreuer, aber dieser musste am frühen Morgen mit dem Gepäck- und Gerätewagen vorausfahren und konnte sich erst am Etappenziel um seine Fahrer kümmern. Alles das sind Dinge, die sich im Zeichen des modernen Sports längst erledigt haben – und Kurt Stöpel wäre heutzutage nicht nur ein Star des Radsports, sondern aller Medien. Natürlich gibt es in anderen Ländern ebenfalls Rundfahrten, aber die Mutter von allen ist die Tour de France.

Kurt Stöpel hatte in Berlin als Taxifahrer gearbeitet und wenn man ihn holte, stand er am Flughafen als Dolmetscher zur Verfügung. Als älterer, allein stehender Herr war er in Berlin in ein Altersheim gegangen. Am 11. Juni 1997 – drei Wochen bevor die Frankreich-Rundfahrt begann – wollte er sich aus dem Kühlschrank etwas zu trinken holen. Irgendjemand hatte dort eine Flasche mit einem Reinigungsmittel abgestellt. Man brachte ihn noch ins Krankenhaus, aber er starb am gleichen Tag. Einige Wochen später gewann Jan U. als erster Deutscher die Gesamtwertung der Tour de France. Kurt Stöpel hat es nicht mehr erlebt – vielleicht hat der Radrennfahrer Jan U. inzwischen erfahren, dass er einen Vorgänger hatte, der immer als ein sauberer Sportsmann galt.

Ulrich Kaiser, Mai 2008

Literatur zu Kurt Stöpel:

Kurt Stöpel: Tour de France. Ein Erlebnisbericht von der Grande Boucle 1932. Bielefeld 2004


Weitere Mitglieder der Hall of Fame

Gustav Kilian

Mehr

Albert Richter

Mehr

Kristina Vogel

Mehr