Marika Kilius

Eiskunstlauf

  • Name Marika Kilius
  • Sportart Eiskunstlauf
  • Geboren am 24. März 1943 in Frankfurt am Main
  • Aufnahme Hall of Fame 2011
  • Rubrik 60er Jahre

Die Frau im Traumpaar auf dem Eis

Marika Kilius bildete in den 1960er Jahren zusammen mit Hans-Jürgen Bäumler das deutsche „Traumpaar“ im Eiskunstlauf. Das populäre Duo siegte zweimal bei Weltmeisterschaften und von 1959 bis 1964 sechsmal in Folge bei Europameisterschaften.

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Bei den Olympischen Spielen allerdings mussten sich Kilius/Bäumler 1960 hinter den Kanadiern Wagner/Paul und 1964 hinter ihren großen Konkurrenten, dem russischen Paar Belousowa/Protopopow, mit Silbermedaillen zufrieden geben. Die Medaille von 1964 wurde wegen eines vorher unterzeichneten Profivertrags sogar aberkannt, doch 1987 bekamen Kilius und Bäumler das Edelmetall vom IOC zurück und wurden vollständig rehabilitiert. Schon mit ihrem ersten Partner Franz Ningel war Marika Kilius 1957 Zweite der Weltmeisterschaften und ein Jahr zuvor WM-Dritte geworden sowie dreimal Dritte bei Europameisterschaften. 1958 gewann die Frankfurterin auch im Rollkunstlauf auf Asphalt einen WM-Titel, konzentrierte sich danach jedoch auf die Eiskarriere. Mit ihrem neuen Partner Hans-Jürgen Bäumler bildete Marika Kilius ab 1957 ein Paar, das die Massen verzauberte. Bis 1964 bestritt das rein sportlich verbundene Duo unter Trainer Erich Zeller eine außerordentlich erfolgreiche Amateurkarriere. Danach begeisterten „Kilius/Bäumler“ die zahlreichen Fans in Filmen und noch bis ins Jahr 1981 bei Eisrevuen.

Marika Kilius

Eiskunstlauf

Größte Erfolge

  • Weltmeisterin 1963 und 1964
  • Olympiazweite 1960 und 1964
  • Sechsfache Europameisterin (1959 bis 1964)
  • Weltmeisterin im Rollkunstlauf 1958

Auszeichnungen

  • Sportlerin des Jahres 1959
  • Silbernes Lorbeerblatt
  • Goldenes Band der Sportpresse (1963)

Biografie

Sie waren zu ihrer Glanzzeit das Traumpaar, ohne jemals miteinander liiert gewesen zu sein. Sie wurden hofiert wie königliche Hoheiten, obwohl von vollkommen bürgerlicher Herkunft. Und sie wurden umschwärmt von einem ganzen Land – als Sportstars einer Disziplin, die heutzutage eher am Rand der öffentlichen Neugier angesiedelt ist. Kurzum, wenn sie ihre harmonische Kunst und ihr artistisches Können zelebrierten, schaute eine ganze Nation zu. Die „Eisprinzessin“ Marika Kilius und ihr „Eisprinz“ Hans-Jürgen Bäumler waren für die seinerzeit noch exklusiv über das deutsche Fernsehen bestimmenden Programmplaner der ARD die „Straßenfeger“ vom Dienst, wo immer sie sich um den glatten Sieg mit ihren sowjetischen Antipoden Ludmilla Belousowa und Oleg Protopopow stritten.

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In jenen frühen sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war die Welt der bewegten Flimmerkistenbilder schwarz-weiß koloriert und beim Eiskunstlaufen mit den Protagonisten aus Frankfurt und Garmisch-Partenkirchen nur akustisch bunt untermalt, wenn der sächsische Schöngeist Heinz Maegerlein die Küren der beiden glamourösen Schüler des eisgrauen Meistertrainers Erich Zeller mit lyrisch gefärbten Sätzen begleitete. Es war die Zeit, in der diese Art von Eisblüte noch unter freiem Himmel gedieh – bei Temperaturen von bis zu zwanzig Grad minus. Es waren die Jahre, da sich die Preisrichterinnen im Pelz zeigten und ihre Kollegen die Hände im Muff aufwärmten, um nicht mit klammen Fingern ihre Notentafeln hochhalten zu müssen. Und daheim hockten die Deutschen in ihren warmen Wohnzimmern bei Moselwein und Salzstangen vor den Bildschirmen, um bei den eiskalten Dramen mit all ihren Unwägbarkeiten und Ungerechtigkeiten mitfiebern zu können. Wer da was sprang, verstanden die wenigsten – doch dass die mal als gnädig, mal als bitterböse empfundenen Juroren mit ihrem Hang zur Parteilichkeit den einen zu Ruhm und Ehre verhalfen und den anderen mit Fehlurteilen deren Auftritte vermiesten, glaubte Volkes Stimme sofort zu wissen.

Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler zogen in ihrem Element Träume und Projektionen auf sich, die weit über ihre Wahrnehmung als Spitzensportler hinausgingen. In Deutschland hatten sie sich der manchmal benachteiligt geglaubten Konkurrenz des Paares Göbel/Ningel zu erwehren, international ging es im Kampf um die Vorherrschaft der Paare immer wieder gegen den Leningrader Oleg Protopopow und dessen Partnerin und spätere Ehefrau Ludmilla Belousowa. Kaum etwas regte die deutsche Sportnation im Jahr 1964 mehr auf als die unerwartete und als schreiendes Unrecht empfundene Niederlage der Olympia-Zweiten von 1960, sechsmaligen Europa- und zweimaligen Weltmeister Kilius/Bäumler gegen die Protopows bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck. Silberglanz wollten die wenigsten als angemessene Auszeichnung für „ihr“ Paar akzeptieren, und auch die schwer geschlagenen  und niedergeschlagenen Läufer überlegten lange, ob sich ein Start bei der anschließenden WM in Dortmund überhaupt noch lohne. Kilius/Bäumler traten dann doch an und triumphierten über die Russen, die mit ihrer künstlerischen Aura, zum Beispiel einer elegisch dahingezauberten Todesspirale zu Franz Liszts „Liebestraum“, einen neuen Paarlauftrend begründet hatten.

Ihre deutschen Widersacher, sportlich höchst anspruchsvoll und synchron aufeinander abgestimmt, verabschiedeten sich in der Westfalenhalle mit Glanz und Gloria von ihrer Amateurlaufbahn, die bei der Revue „Holiday On Ice“ professionell und gegen gute Bezahlung fortgesetzt wurde. Ihre Erinnerung an Innsbruck wurde noch einmal getrübt, als das Internationale Olympische Komitee (IOC) den beiden auch noch den Trostpreis Silbermedaille abnahm, weil Kilius/Bäumler schon vor den Spielen einen Profivertrag bei der Eisshow unterzeichnet hatten. Sie bekamen das gute Stück, verbunden mit einer späten Verbeugung vor zwei großen Sportlern und den allerbesten Wünschen, erst 1987 zurück – und wussten es danach erst richtig zu schätzen.

Wahrscheinlich waren Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler auch die ersten deutschen Sportstars des Boulevards nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie, deren Vater einen gut gehenden Frankfurter Friseursalon betrieb, deren Mutter eine Hutmacherin war, und er, dessen Mutter Anni, eine bayerische Servierfrau, seine Karriere wie eine typische „Eislaufmutti“ ebenso engagiert begleitete wie Leni Kilius die ihrer Marika, erfüllten die Sehnsüchte und Klischeevorstellungen ihrer Anhänger auf das verlässlichste. Die hessische Blondine, die schon im Alter von vier Jahren, zunächst auf Rollschuhen ihre Laufbahn gefunden hatte und später auf Kufen auf und davon rauschte, war ein Naturtalent. Peter Krick, zuzeiten von Kilius/Bäumler einer der besten deutschen Eiskunstläufer, inzwischen Event-Manager der Internationalen Eislauf-Union, erinnert sich: „Wenn irgendetwas Neues in der Kür einstudiert werden musste, sie hatte es sofort drauf. Sie ging auf die Bahn, hat alles gebracht, was gefordert war und war ein absoluter Wettkampftyp.“ Ihr schwarzhaariger Partner, ein Beau und Mädchenschwarm, tat sich da schon schwerer, zumal er erst einmal die Umstellung vom Einzel- zum Paarläufer bewältigen musste. Bäumler war der Sensiblere in dieser Kombination und mit seinem ausgleichenden Naturell oft genug der Gegenpol zu seiner manchmal vulkanischen Partnerin Marika, benannt nach dem Film- und Tanzstar Marika Rökk. Die war Franz Ningel, ihrem ersten Begleiter, mit dem sie auf Rollen und Kufen bis hin zu einem zweiten Platz bei der Eiskunstlauf-WM 1957 erfolgreich war, über den Kopf gewachsen und versuchte von 1957 an mit dem ein Jahr älteren Bäumler ihr Glück.

Sie und er fanden es auf den Eisbahnen dieser Welt in überreichem Maße. Dazu verbreiteten die beiden, die gern Doppelpass mit den Zeitungen und Zeitschriften ihrer Ära spielten, den Glamour von zwei Showstars, die ihrer Zeit voraus schienen. Sie spielten geschickt mit den Wünschen ihrer Fans, dass das „Traumpaar“ doch bitte schön auch im wirklichen Leben ein Liebespaar sein solle und öffneten so der Phantasie Räume. Tatsächlich, sagte die zweimal verheiratete und geschiedene Marika Kilius einmal, „der Jürgen war ein Freund, es lag an mir, die ich ja schon Paarläuferin war, ihn anzulernen. Ich habe mich auch danach immer für uns verantwortlich gefühlt.“ Bäumler spielte in dieser Soap zwischen Schein und Sein selbstironisch mit und entwickelte dabei vielleicht auch sein Talent zur Schauspielerei. Inzwischen ist der mit einer Lehrerin verheiratete und in Südfrankreich sesshaft gewordene Eiskunstlaufheld von gestern ein renommierter Hauptdarsteller auf deutschen Boulevardbühnen. Er hat sein Charisma vom Eis auf die Bretter, die längst seine Welt bedeuten, übertragen und sieht wie seine immer noch sehr schlanke, immer noch sehr vitale, immer noch sehr muntere Partnerin nach wie vor blendend aus.

Die beiden Paarläufer von gestern, die durch Trainer Zellers harte Schule gingen und von ihren Müttern zu einer großen Sportkarriere getrieben wurden, gäben auch heute noch ein perfektes Paar ab. Damals schmolz ihr Publikum dahin, weil Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler wenige Jahre nach dem Fußball-„Wunder von Bern“ die „Wir-sind-wieder-wer“-Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Rolle von  zwei sportlichen Überfliegern verkörperten. Schwebeleicht und doch erdverbunden, das mochten die Menschen, die selbst gerade dabei waren, aus ihrer vom Krieg gezeichneten Heimat ein neues Wirtschaftswunderland zu machen. Kilius/Bäumler himmelten sie an, weil sie der Schwerkraft davon zu tanzen schienen. Ein grober und allzu gern in Kauf genommener Irrtum, gelindert dadurch, dass Eiskunstlaufen in Vollendung immer so etwas wie großes Illusionstheater ist. Darin bewegte sich das Paar aus Frankfurt und Garmisch-Partenkirchen mit der allergrößten Selbstverständlichkeit. Es wurde so zu einem Markenbegriff in einem Sport, der die Massen damals faszinierte.

Einmal noch nahm der alte Traum Gestalt an, als Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler vor ein paar Jahren in Bad Liebenzell in einer rappelvollen Eislaufhalle eine Ehrenrunde drehten – in vollkommener Harmonie. Ein schöner Moment, nicht zu verwechseln mit der realen Rückkehr der guten alten Zeiten.

Roland Zorn, Mai 2011

Literatur zu Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler:

Heinz Maegerlein: Triumph auf dem Eis – Sjoukje Dijkstra, Marika Kilius, Hans-Jürgen Bäumler, Manfred Schnelldorfer. Berlin/München 1964


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