Bert Trautmann

Fußball

  • Name Bert Trautmann
  • Sportart Fußball
  • Geboren am 22. Oktober 1923 in Bremen
  • Todestag 19. Juli 2013 in Almenara-Playa, Spanien
  • Aufnahme Hall of Fame 2011
  • Rubrik Nach 1945

Deutscher Fußballheld in England

In England gilt Bert Trautmann als größter deutscher Fußballer. 1945 in Kriegsgefangenschaft geraten, blieb er auf der Insel und stand von 1949 bis 1964 545-mal im Tor von Manchester City. Anfängliche Feindseligkeit parierte Trautmann mit Leistung.

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Zur Legende wurde der Torwart 1956: Schon vorher zu Englands „Fußballer des Jahres“ gewählt, spielte er im FA Cup-Finale nach einer Rettungsaktion ab der 75. Minute mit einem gebrochenen und vier ausgerenkten Halswirbeln und sicherte den 3:1-Sieg. Er überstand die schwere Verletzung und wurde 1960 sogar zum Kapitän der englischen Ligaauswahl bestimmt, eine besondere Auszeichnung.

Bert Trautmann war ein Weltklasse-Torhüter, spielte jedoch nie für die deutsche Nationalmannschaft, da Bundestrainer Herberger keine „Legionäre“ einsetzte. In den 1970er Jahren arbeitete er als Fußball-Entwicklungshelfer unter anderem in Birma, Tansania, Liberia, Pakistan und im Jemen. Im Jahr 2008 ehrte ihn der Deutsche Fußball-Bund mit seiner höchstmöglichen Auszeichnung, der DFB-Nadel mit Brillant.

Bert Trautmann

Fußball

Größte Erfolge

  • Englischer Cup-Sieger 1956 mit Manchester City
  • Englischer Cup-Finalist 1955 mit Manchester City

Auszeichnungen

  • DFB-Nadel mit Brillant (2008)
  • Walther-Bensemann-Preis der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur (2008)
  • Wahl zum besten Spieler aller Zeiten von Manchester City (2007)
  • Honorary Officer of the Most Excellent Order of the British Empire (2004)
  • Georg von Opel-Preis (1999)
  • Bundesverdienstkreuz (1997)
  • Englands Fußballer des Jahres (1956)

Biografie

Im Gefangenenlager war er endlich frei. Er musste sich nackt ausziehen und wurde mit DDT-Pulver zur Entlausung abgespritzt, sie zwangen ihn, den braunen Sträflingsanzug mit der gelben Raute auf dem Rücken anzuziehen. Er war trotzig, verletzt in seinem Stolz, desillusioniert und gleichzeitig, unterschwellig, heilfroh. Jahre später würde Bernhard Trautmann, Fallschirmjäger der deutschen Luftwaffe, klar sehen, dass im April 1945 im Kriegsgefangenenlager Nummer 150 in Marbury Hall, Nordwestengland, seine Befreiung begann. Er wurde die Angst los; die Furcht getötet zu werden, den Tod zu sehen, töten zu müssen. Mit den Monaten erlebte er eine zweite, tiefere Befreiung: von den Lehren und Fesseln der Nazi-Diktatur.

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Er war 22, er hatte schon zu viel für ein Leben erleben müssen. Er begann, noch einmal ganz von vorne zu leben.

Aus dem deutschen Kriegsgefangenen Trautmann wurde Englands Fußballer des Jahres 1956. Der beste Torwart, der jemals in Großbritannien spielte, beharren noch heute Leute, die ihn sahen. In über 600 Spielen für Manchester City wurde Bert Trautmann – wie ihn die Engländer tauften – mehr als ein großartiger Sportler. Sein Leben war ein unglaubliches. Und bewundernswerter als jede tollkühne Torwartparade ist, wie er dieses Leben meisterte, was er daraus machte: Er lebte uns Versöhnung, Nächstenliebe und Menschlichkeit vor, er zeigte uns, wie man die Bitterkeit zähmt, wenn in einem nur Dunkelheit bleibt. „Ich werde dem englischen Volk immer dankbar dafür sein, wie es mich nach dem Krieg als Deutschen aufgenommen hat und mir zum ersten Mal im Leben eine Erziehung gab“, sagte er seiner Biografin Catrine Clay, „dankbar dafür, dass sie mich zu der Person machten, die ich heute bin.“ Und in Bert Trautmanns Augen sammelten sich die Tränen, weil die Erinnerungen zu mächtig waren.

Er wurde im Gefangenenlager am Ende des Zweiten Weltkriegs als indoktrinierter Nazi klassifiziert. Vom zehnten Lebensjahr an war sein Gehirn in den Kinder- und Jugendorganisationen der Nazis gleichgeschaltet worden. Er liebte Sport, die Propaganda der Diktatur sagte ihm zu, im Reich wurde der Sportliche, der Stärkste prämiert. Er fand nichts Merkwürdiges daran, dass neben Weitsprung und Sprint Granatenwerfen als Sportdisziplin galt. Mit 17 meldete er sich freiwillig zum Kampf. Die Angst ergriff ihn, als er Partisanen in Russland jagte, mit zusammengeknülltem Zeitungspapier in den Stiefeln als einzige Waffe gegen die sibirische Kälte. Später wurde er an die Westfront versetzt, und die Angst blieb, die Angst war mächtiger als alles, was er gekannt hatte, der Urin lief ihm unkontrollierbar in die Hose, aber er zweifelte nicht daran, was er tat. Es verwirrte ihn, wie gut und vor allem gut gelaunt ihn die Engländer, der Feind, in der Gefangenschaft behandelten. Die Deutschen bekamen dasselbe Essen wie die Dorfbewohner, und als sie um einen Fußball baten, wurde der prompt am nächsten Tag geliefert.

Bert Trautmann hatte Stürmer und Verteidiger gespielt, in der Kindheit, in einem anderen Leben, zu Hause bei Tura in Bremen, er war in jedem Sport gut gewesen, Zweiter der Reichsjugendspiele im Springen und Werfen. Sie stellten ihn ins Tor, als die Gefangenenlager-Auswahl gegen englische Dorfteams antrat und Berts Aggressivität als Abwehrspieler eine Gefahr für das freundschaftliche Klima des Spiels zu werden drohte. Nach dem ersten Spiel kamen die englischen Fußballer zu ihm. Sie schüttelten ihm die Hand und gratulierten ihm zur fantastischen Leistung. Bert war steif vor Verblüffung.

Es war 1948, als er in die Freiheit entlassen wurde. Bert Trautmann sagte, er sei in England geblieben, weil er sich geschämt hätte, ohne Geld nach Hause zurückzukehren. Vielleicht ist das ein Teil der Wahrheit. Aber er war nun seit neun Jahren ohne ein Zuhause, sechs Jahre im Krieg, drei in Gefangenschaft, wie sollte er sicher sein, wo zu Hause war, was Freiheit war? Mehr als er es wusste, fühlte er, dass es in England, in der Demokratie nicht so schlecht war.

Er war längst eine Attraktion, der Torwart der Gefangenenelf, groß, blond, blaue Augen. Ein unterklassiges Team, St. Helens Town, verpflichtete ihn, er spielte für ein Pfund die Woche und arbeitete in seinem frühen Lehrberuf als Automechaniker. Innerhalb einer Saison wollten ihn sechs, sieben Erstligaklubs verpflichten. Manchester City warb am hartnäckigsten. Nach seiner Einstellung demonstrierten 20.000 Engländer vor Citys Stadion. „Weg mit dem Deutschen!“, „Kein Deutscher für City!“.

Der Rabbi der Stadt, Alexander Altmann, der 1938 vor den Nazis aus Berlin geflohen war, schrieb einen Brief an den Manchester Evening Chronicle: „Trotz der horrenden Grausamkeiten, die uns Juden von den Deutschen angetan wurden, würden wir niemals einen einzelnen Deutschen dafür bestrafen, der mit diesen Verbrechen nichts zu tun hatte. Wenn dieser Deutscher ein anständiger Kerl ist, würde ich sagen, es entsteht kein Schaden, wenn er für City spielt.“

Trautmann weinte vor Dankbarkeit, aber er schaffte es nicht, Altmann anzurufen. In ihm war ein Bewusstsein erwacht, dass er bis 1945 an grauenhafte Lehren geglaubt hatte, dass er für den Schrecken getötet hatte, und dieses Bewusstsein stand oft zwischen ihm und denen, die unter diesem Grauen gelitten hatten. Er wurde schnell in Citys Elf integriert, aber manchmal, wenn er nach dem Training drei englische Mitspieler an der Bushaltstelle stehen sah, versteckte er sich, um allein im nächsten Bus nach Hause zu fahren. Er konnte sein eigenes Verhalten nicht erklären. Da war nur dieses unbestimmte, tiefe Schamgefühl.

Bert Trautmann wurde ein Held Englands, der tollkühne Torwart, aber was er vor allem, unbedingt sein wollte, war ein guter Deutscher. Nach dem Spiel stand er stundenlang vor dem Stadion und schrieb Autogramme. Komm, wir hauen ab, sagten die Mitspieler, und er blieb. „Ich traf als Kriegsgefangener auf so viel Verständnis, Vergeben, Freundschaft. Ich wollte, ich musste etwas zurückgeben.“

Wenn er erzählte, wusste er, die Frage nach dem gebrochenen Genick wird kommen, Bert Trautmann, der im FA-Cup-Finale 1956 in der 75. Minute zusammenbrach, Birminghams Peter Murphy hatte ihn unglücklich mit dem Knie im Nacken getroffen. Trautmann hatte entsetzliche Schmerzen, Sehstörungen, alles verschwamm, aber er spielte weiter, legte zwei Klasseparaden hing, er sicherte Citys 3:1-Sieg. Einen gebrochenen und vier ausgerenkte Halswirbel zeigte das Röntgenbild später. Die Ärzte bohrten zwei Löcher in seinen Hinterkopf, um ein Gerüst zu befestigen, ein halbes Jahr war er rekonvaleszent, ein Wunder, dass er überlebte.

Zu wenige Leute wissen, dass Bert Trautmann viel mehr – Schlimmeres, aber auch Größeres – zu erzählen hatte.

Nachts, 1942, in einem ukrainischen Wald, versprengt von seiner Einheit, sah er mit einem Kompagnon aus einem Versteck, wie die SS hunderte Zivilisten, darunter Frauen, Kinder, in Gräben trieb und mit Maschinengewehr drauf hielt. Er sah Kameraden am Seil von der Zimmerdecke baumeln, weil sie den Drill der Nazis nicht mehr aushielten. Er glaubte 1948, das Schlimmste hinter sich zu haben. 1956 lief sein sechsjähriger Sohn John über die Straße, um einen Penny für ein Eis zu holen. Ein Auto erfasste ihn. Der Junge war tot.

„Danach“, sagte Bert Trautmann, „war ich für zwei Jahre nicht mehr da.“ Fußball spielte er gleichgültig, er machte viele Fehler, denn er fühlte nichts mehr. City stand loyal zu ihm. Keiner kritisierte ihn, alle taten, als merkten sie gar nichts. Der Trainer ließ ihn im Tor. „Gesten, die du nie vergisst“, sagte Trautmann der Sunday Times.

Er schaffte es, mit den Schmerzen weiterzuleben, um Großes zu erleben, Größeres zu schaffen. Bert Trautmann kam als gefangener Feind und wurde „Englands liebster Deutscher“, schrieb der Daily Express. Später arbeitete er 16 Jahre lang als Trainer in Ländern wie Burma, ein Entwicklungshelfer im Trainingsanzug; ein Botschafter. „Reisen schafft Toleranz und Verständnis“, sagte er. Er lebte in Spanien, der Sonne wegen, manche Knochen schmerzten, aber seine Geschichte erzählte Bert Trautmann noch immer mit Klarheit und demütiger Offenheit. Wer sie hörte, spürte den Drang, ein besserer Mensch zu sein.

Er hatte ein schwarz-weißes Pressefoto vom 15. April 1964 aufgehoben. Es zeigt ihn im Torwartjersey, noch immer kräftig und schön, 41 Jahre alt, umringt von Engländern, die mit Krawatte, Mantel und Filzhut ins Stadion gekommen sind, um ihm auf Wiedersehen zu sagen. Er hat geweint, kurz bevor das Foto geschossen wurde, vor Rührung, dass 47.000 durch den dichten Regen zu seinem Abschiedsspiel kamen. Nach dem Spiel rissen die Zuschauer die Torpfosten aus der Verankerung. Niemand sollte mehr zwischen den Pfosten stehen, zwischen denen Bert Trautmann stand.

Ronald Reng, Mai 2011

Literatur zu Bert Trautmann:

Catrine Clay: Trautmann’s Journey. From Hitler Youth to FA Cup Lengend. Yellow Jersey Press 2010
Alan Rowlands: Trautmann. Die Biographie. München 2006


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