Fußball
Fußball
Als Spieler
Als Trainer
Bereits im Anschluss an seine erste Bundesliga-Saison wird Lothar Mathäus in die Nationalmannschaft berufen. Mit dieser gewinnt er 1980 bei seinem ersten Turnier den EM-Titel.
In seinem letzten Spiel für Borussia Mönchengladbach wird Mathäus zum tragischen Helden: Im Pokalfinale 1984 verschießt er gegen seinen zukünftigen Klub Bayern München den entscheidenden Elfmeter.
Mit dem FC Bayern gewinnt Mathäus insgesamt sieben Deutsche Meisterschaften und zwei Mal den DFB-Pokal.
1988 wechselt er zum italienischen Klub Inter Mailand, wo er mit dem Gewinn der italienischen Meisterschaft endgültig zum Weltstar wird.
In Folge dieses Triumphs wird Mathäus als bislang einziger Deutscher zum Weltfußballer des Jahres gewählt.
Nachdem Mathäus zum FC Bayern zurückkehrt sammelt er weiter Titel - nur der Gewinn der Champions League bleibt ihm verwehrt.
Wenn sich Franz Beckenbauer vor einem Fußballer verneigt, dann wird in diesem Moment Sport-Geschichte geschrieben. Als Lothar Matthäus in die „Hall of Fame des deutschen Sports“ aufgenommen wurde, verneigte sich der Fußball-Kaiser bei seiner Laudatio – und zwar ganz tief. Und ganz sicher zu Recht. In den Statistiken hat Lothar Matthäus sogar Beckenbauer in fast allen Bereichen abgehängt. Er ist mit 150 Länderspiel-Einsätzen Rekordnationalspieler. Er war 75 Mal Kapitän der Nationalmannschaft und ist damit auch Rekordspielführer. Während seiner aktiven Karriere nahm er an fünf Weltmeisterschaften teil (1982, 1986, 1990, 1994, 1998) und seine Nationalmannschafts-Laufbahn währte insgesamt 20 Jahre (1980 bis 2000) – so lange trug kein anderer deutscher Fußballer das Trikot mit dem Bundesadler über dem Herzen.
„Ganz oder gar nicht“ ist sein Lebensmotto. Und so heißt auch seine Autobiographie, die 2012 erschienen ist. „Ganz oder gar nicht“ – so geht er durch sein aufregendes Leben. Er ist bedingungslos ehrlich. Oft fordernd, aber stets vorbehaltlos treu seinen Freunden und Partnern gegenüber. Wird er enttäuscht, kann dies aber auch schnell ins Gegenteil umschlagen.
„Ganz oder gar nicht“ – das galt für ihn vor allem auf dem Fußballplatz. Seine Karriere beendete er erst im Alter von 39 Jahren. Er war Kämpfer, Denker und Regisseur. Und er war Motivator für seine Mitspieler. Ungezählt die vielen Spiele, in denen er seine Mannschaft mit seiner Power zum Sieg trieb. Die Spielführerbinde am Oberarm schien wie angeboren zu sein. Er überwand zwei schwerste Verletzungen, nach einem Kreuzband- und einem Achillessehnenriss kämpfte er sich zweimal wieder zurück in die Bestform.
Und er erlebte Höhen und überstand Tiefen wie kaum ein anderer. Schon als 19-Jähriger wurde Lothar Matthäus im Kader von Jupp Derwall Europameister 1980 in Rom. Es folgten drei WM-Endspiele hintereinander. 1982 in Spanien (1:3 gegen Italien) hatte er seinen Stammplatz noch nicht sicher. 1986 in Mexiko (2:3 gegen Argentinien) wurde er von Franz Beckenbauer mit der Sonderbewachung von Argentiniens Super-Star Diego Maradona beauftragt. Ein Schicksals-Duell zweier Weltklasse-Fußballer, das ein ganzes Jahrzehnt prägen sollte. Maradona schoss im Finale von Mexiko City gegen Matthäus kein Tor – Argentinien wurde dennoch Weltmeister.
1990 dann der Höhepunkt in der Karriere des Lothar Matthäus. Als Kapitän führte er die deutsche Mannschaft in Italien zum dritten WM-Titel in der DFB-Geschichte. Schon im ersten Spiel, dem 4:1 gegen Jugoslawien, stieg er, mit 29 Jahren im besten Fußball-Alter, zum Super-Star dieser WM auf. Das 1:0 (29.) machte er mit dem schwächeren, aber beileibe nicht schwachen linken Fuß. Das 3:1 (63.) wurde später zum „Tor des Jahres“ gekürt. In der eigenen Hälfte stürmte er los, mit seiner einzigartigen Dynamik ließ er die gesamte jugoslawische Hintermannschaft stehen. Aus 22 Metern zog er ab, diesmal mit rechts. Knallhart, flach und unhaltbar schlug der Ball unten links im Tor ein. Viele sagen, es sei das Beste seiner 150 Länderspiele gewesen. „Matthäus der 1. König“, titelte die Sportzeitung „Gazzetta dello Sport“. Vier Wochen später setzte er sich in Rom selbst die Krone auf. Wieder hieß das Finale Deutschland gegen Argentinien, wieder Matthäus gegen Maradona – diesmal mit dem besseren Ende für die Beckenbauer-Mannschaft. Nach dem 1:0 durch das Elfmeter-Tor von Brehme reckte Matthäus den goldenen WM-Pokal in den Abendhimmel über der Ewigen Stadt.
Und die Tiefen? Fast ebenso legendär, aber zum Glück viel seltener. Matthäus war auch Kopf und Macher der Bayern-Mannschaft, die im Champions-League-Finale 1999 in Barcelona gegen Manchester United in der 91. Minute noch 1:0 führte – und dann doch noch binnen Sekunden mit 1:2 verlor. Ein Spiel, das als „Mutter aller Niederlagen“ in die Fußball-Geschichte einging. Aber er gratulierte als einer der Ersten. Im Triumph maßvoll, in der Niederlage fair – das zog sich durch seine gesamte Karriere.
Lothar Matthäus wuchs im fränkischen Herzogenaurach auf. Wegen des Jobs seines Vaters im Puma- und nicht im Adidas-Lager, was in der Stadt der beiden Sportartikel-Giganten für die Karriere richtungsweisend sein kann. Er spielte für den 1.FC Herzogenaurach, dessen Ehrenmitglied er ist, und dem er bis heute eng verbunden ist. Er kam über den damaligen Puma-Klub Borussia Mönchengladbach (5 Jahre) zum FC Bayern, wobei er in seinem letzten Spiel für Gladbach, im Pokalfinale 1984 ausgerechnet gegen seinen neuen Klub, im Elfmeterschießen den Ball über das Tor drosch. Er war nicht allein für die Niederlage verantwortlich, auch Norbert Ringels verschoss, aber die Bayern gewannen den Pokal. Und das Foto des enttäuschten Matthäus, der sein Gesicht in beiden Händen vergräbt, war am nächsten Tag auf allen Titelseiten zu sehen.
Nach vier Jahren in München wechselte Matthäus von 1988 bis 1992 zu Inter Mailand für eine Ablösesumme in Höhe von 8,4 Millionen D-Mark. In dieser Zeit entwickelte er seine Persönlichkeit und stieg endgültig zum internationalen Super-Star auf. Die italienische Liga galt damals als die beste und attraktivste Liga der Welt – deshalb fand auch hier das ewige Duell zwischen Matthäus (Inter) und Diego Maradona (SSC Neapel) eine Neuauflage. Schon im ersten Jahr wurde der Deutsche Italienischer Meister unter Trainer Giovanni Trapattoni, der neben Beckenbauer seine zweite sportliche Vater-Figur wurde. Die erfolgreiche WM 1990 mit fünf deutschen Spielen in Mailand fand praktisch vor seiner Haustür statt. Anschließend wurde er mit Auszeichnungen geradezu überhäuft: Deutschlands Fußballer des Jahres, Europas Fußballer des Jahres, erster Weltfußballer des Jahres in der Geschichte (den Preis, den er ein Jahr später noch einmal verliehen bekam), Weltsportler des Jahres.
1991 gewann Matthäus mit Inter auch noch den UEFA-Cup, ehe er sich 1992 im Punktspiel gegen Parma den Kreuzbandriss zuzog. Er kämpfte sich in Rekordzeit wieder heran, verpasste aber die EM 1992 in Schweden, und ein schon verhandelter Super-Transfer zu Rekord-Meister Juventus Turin platzte. Stattdessen wechselte der Weltmeister 1992 zurück zum FC Bayern – für 4,2 Millionen D-Mark Ablöse und einer schriftlichen Erklärung für Inter-Präsident Pellegrini „künftig nie mehr für einen anderen italienischen Verein zu spielen“. Auch ein einmaliger Vorgang und ein großes Kompliment. Denn die Botschaft war eindeutig: Wenn nicht für uns – dann aber auch für keinen anderen!
In München hatte er noch knapp acht gute Jahre, ehe er seine einmalige Karriere von März bis September 2000 bei den New York Metro Stars in der US-Major League ausklingen ließ.
In seinen zwei Vertragszeiten beim FC Bayern wurde er siebenmal Deutscher Meister, zweimal DFB-Pokalsieger und holte 1996 (wieder unter dem Trainer Beckenbauer) den UEFA-Pokal. Kurz: Er hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt – nur ein Sieg in der Champions League blieb ihm verwehrt. Zweimal (1987 gegen Porto und 1999 gegen Manchester) scheiterte er mit den Bayern denkbar knapp im Finale. 2001 wurde er nach Fritz Walter, Uwe Seeler und Franz Beckenbauer zum vierten DFB-Ehrenspielführer ernannt. Franz Beckenbauer hat über Matthäus einmal gesagt: „Ich kenne niemanden, der vom Fußball mehr versteht als er. Lothar kann ein Spiel lesen!“
Als Trainer gelang ihm dennoch nicht der ganz große Durchbruch. Er führte Partizan Belgrad zur Meisterschaft in Serbien-Montenegro, als ungarischer Nationaltrainer besiegte er 2004 Deutschland bei einem Länderspiel in Kaiserslautern 2:0. Mit Red Bull Leipzig wurde er Österreichischer Meister an der Seite von Giovanni Trapattoni. Aber bei Rapid Wien, Atlético Paranaense (Brasilien), Maccabi Netanya (Israel) und als Nationaltrainer Bulgariens blieben die ganz großen Erfolge aus.
Vielleicht lag es daran, dass sich Lothar Matthäus privat in den Augen der Öffentlichkeit das eine oder andere Mal verdribbelt hatte, dass er als „Loddar“ verspottet statt als Rekordnationalspieler verehrt wurde. Was vor allem Freunden und treuen Weggefährten wehtat, weil ungerecht!
Aber Matthäus war immer ein Kämpfer. Er erkannte rechtzeitig, dass sein Platz in den Zeitungen nicht die Klatschseite, sondern der Sportteil sein muss. Er wurde Experte bei Sky und Kolumnist bei SPORT BILD. Er kann in der Tat ein Spiel lesen und analysiert messerscharf. 2017 bekam er den Sportjournalistenpreis als „meistzitierter Fußballexperte“.
Sein Wort hat Gewicht, die Fußball-Nation hört auf ihren Rekord-Nationalspieler und Ehrenspielführer.
Man kann sich gemeinsam mit Franz Beckenbauer nur tief verbeugen!
Alfred Draxler, Juni 2017
Literatur zu Lothar Matthäus:
Lothar Matthäus, Martin Häusler: Ganz oder gar nicht, Autobiografie. Köln 2012