Günter Netzer

Fußball

  • Name Günter Netzer
  • Sportart Fußball
  • Geboren am 14. September 1944 in Mönchengladbach
  • Aufnahme Hall of Fame 2016
  • Rubrik 70er Jahre

Der Fußball-Popstar

Günter Netzer gilt als erster Popstar des deutschen Fußballs. Der Weltmeister von 1974 und Europameister von 1972 war mit der Nationalmannschaft, Borussia Mönchengladbach und Real Madrid erfolgreich und blieb seinem Sport nach der Spielerkarriere als Klubmanager und Unternehmer treu.

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Der Spielmacher war Kopf und Kapitän der Gladbacher „Fohlenelf“, führte den Verein als verlängerter Arm von Trainer Hennes Weisweiler 1970 und 1971 zur Meisterschaft sowie 1973 zum Sieg im DFB-Pokal. Legendär: Im Endspiel gegen den 1. FC Köln wechselte sich Netzer in der Verlängerung selbst ein und erzielte den 2:1-Siegtreffer. Nach 297 Ligaspielen (108 Tore) ging er 1973 als erster deutscher Spieler zu Real Madrid und gewann mit den „Königlichen“ je zweimal die Meisterschaft (1975 und 1976) und den Pokalwettbewerb (1974 und 1975). Von 1965 bis 1975 trat er für die Nationalmannschaft an (37 Länderspiele, sechs Tore), wurde mit ihr 1972 Europa- und 1974 Weltmeister.

Nach seiner aktiven Karriere wurde Netzer Manager beim Hamburger SV. Bis 1986 erlebte der Verein mit ihm seine erfolgreichste Zeit, gewann drei Deutsche Meisterschaften (1979, 1982, 1983) und 1983 den Europapokal der Landesmeister. Später wechselte Netzer in die Medienbranche und stieg zum Executive Director der Schweizer Sportrechteagentur Infront Sports & Media AG auf. Von 1997 bis 2010 analysierte er an der Seite von ARD-Sportredakteur Gerhard Delling Länderspiele. Amüsante gegenseitige Sticheleien brachten dem Fernseh-Duo den Grimme-Preis und den Medienpreis für Sprachkultur ein. Günter Netzer ist Mitglied im Kuratorium der Bundesliga-Stiftung.

Günter Netzer

Fußball

Größte Erfolge

Größte Erfolge als Fußballer:

  • Weltmeister 1974
  • Europameister 1972
  • Deutscher Meister: 1970 und 1971
  • Deutscher Pokalsieger: 1973
  • Spanischer Meister: 1975 und 1976
  • Spanischer Pokalsieger: 1974 und 1975


Größte Erfolge als Manager des Hamburger SV:

  • Europapokal der Landesmeister: 1983
  • Deutscher Meister: 1979, 1982 und 1983

Auszeichnungen

  • Sport Bild-Award, Kategorie Lebenswerk: 2015
  • Walther-Bensemann-Preis der Deutschen Akademie für Fußballkultur 2013
  • Aufnahme Walk of Fame des HSV: 2012
  • Medienpreis Goldene Henne: 2010
  • Medienpreis für Sprachkultur der Gesellschaft für deutsche Sprache 2008
  • Verdienstorden Nordrhein-Westfalen: 2008
  • Jahrhundert-Verdienstorden Fifa: 2004
  • Grimme-Preis 2000
  • Deutschlands Fußballer des Jahres 1972 und 1973
  • Tor des Jahres 1972 und 1973
  • Namensgeber für „Jünter“, das Maskottchen von Borussia Mönchengladbach 1965
     

Biografie

Ein Treffen mit Günter Netzer ist immer ein Erlebnis. Das liegt natürlich auch darin begründet, dass er ein Genießer des guten Essens ist. Und sich auch beim Wein bestens auskennt. Aber nein, darum soll es hier jetzt gar nicht gehen. Ein Treffen mit Günter Netzer ist auch immer ein Erlebnis, weil man nie lange zu zweit am Tisch sitzt. Fast immer ist es der Wunsch nach einem Autogramm oder Foto, der andere Gäste ganz zögerlich an den Tisch treibt, meist verbunden mit einer gemeinsamen Erinnerung. Die geht dann ungefähr so: „Herr Netzer, als Sie noch gespielt haben, da war der Fußball noch so ästhetisch und so schön.“

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Günter Netzer hört sich die Geschichten immer wieder gerne an. Und erzählt, wie es sich damals angefühlt hat, das Leben als Fußball-Profi. Er schreibt noch immer fleißig Autogramme, stellt sich vor Handys und lobt bei Talk-Runden die klugen Fragen der Fans. „Eine sehr gute Frage...“, das sagt er oft, wenn er mal wieder zu aktuellen Themen des Fußballs Stellung beziehen soll. Und dann legt er los, kritisiert und lobt. Immer differenziert, nie böse, nie zynisch.

Alfred Draxler, der Chefredakteur der „Sport Bild“, hat Netzer mal als „Fußball-Weisen“ bezeichnet. Und was soll man sagen? Treffender kann man ihn kaum charakterisieren. Denn es gibt nicht viel, was Günter Netzer im Fußball verpasst hat. Er war Spieler, Manager, TV-Experte, er hat mit Fußball-Rechten gehandelt und viel Geld verdient. Aber vor allem war er  – und ist es noch immer – seiner Zeit einen Tick voraus. Weil ihn nicht nur der Ball interessiert, sondern auch all das, was dieser Ball auslöst bei Millionen Menschen.

Seine Karriere am Ball begann in Mönchengladbach. Von 1963, da war er gerade 19, bis 1973 spielte er bei der Borussia – anfangs für 160 Mark im Monat. Netzer wurde 1970 und 1971 Deutscher Meister und Gladbach berühmt für seine „Fohlenelf“. Aber Netzer wäre nicht Netzer, wenn er sich damit zufrieden gegeben hätte. Denn er wollte mehr. Raus aus Mönchengladbach, weg vom Rhein, hin zu Real, den Königlichen aus Madrid. Und so wurde Netzer 1973 der erste deutsche Fußballer bei Real Madrid. 720000 Mark zahlten die Spanier für den Deutschen. Ein Transfer, der sich für Real lohnte – Netzer holte zwei Meisterschaften und zwei Pokalsiege. Aber auch Netzer profitierte, denn mit dem Gang ins Ausland reifte er zum Welt-Star und Welt-Mann.

Der  Wechsel 1976 zu Grashopper Zürich leitete den Schlussspurt seiner Profi-Karriere ein. Aber was für die meisten Fußballer dann wirklich das Ende ist, war für Netzer der Start in ein neues Leben. Er wurde Manager beim Hamburger SV. Noch heute rollen sie ihm den roten Teppich aus an der Elbe, denn Netzer steht für den erfolgreichsten Abschnitt der Hamburger Vereinsgeschichte – drei Meistertitel, dazu der Gewinn des Landesmeister-Pokals, dem heutigen Cup der Champions League. Das war 1983. Und Netzer tat etwas, was seinem Charakter entspricht: Er trat ab, als es am schönsten war. „Ich wollte immer die Freiheit haben, selbst zu bestimmen, wann es Zeit ist, etwas Neues zu beginnen“, sagt er. Dieser Devise ist er immer treu geblieben.

Unzählige Angebote hatte er nach seinem Abgang beim HSV. Doch bis auf einen Kurz-Ausflug 1991 zu Schalke 04 als Berater (was er bitter bereute) lehnte er alle Angebote aus dem Fußball kategorisch ab. Selbst als der DFB im Jahr 2000 anklopfte und ihn als Teamchef zur Nationalelf holen wollte, gab es ein klares Nein! Karriere machte Netzer da schon auf anderen Feldern. Er hatte in der Schweiz eine Werbeagentur gegründet, handelte später mit Fensehrechten und ist noch heute Executive Director der Schweizer Sportrechte-Agentur Infront & Media AG. Wenn man Netzer fragt, warum Netzer bis in die heutige Zeit ein Phänomen geblieben ist, schüttelt er den Kopf. Über sich spricht er nicht gerne, das überlässt er anderen. Aber klar ist: Er hat in seinen verschiedenen Berufen ganze Jahrzehnte geprägt.

Die 60er und 70er Jahre als Fußballer, die 80er Jahre als Manager – und die Jahrzehnte danach als Kommentator. Netzer war dabei, als der Fußball Anfang der 90er Jahre ins Privat-Fernsehen bei RTL kam. Und er schrieb Geschichte als Kommentator bei der ARD. Seine Analysen nach den Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft, meist moderiert von Gerhard Delling, trafen den Nerv der Fans. Und der Kritiker: 2000 bekam er den Grimme-Preis.

Aber Netzer traf nicht nur den Nerv der ARD-Zuschauer, sondern nervte auch einen Rudi Völler. Unvergessen der Wutausbruch des DFB-Teamchefs 2003 nach einem 0:0 auf Island. Als Völler nach dem Spiel hört, dass Netzer und Delling im ARD-Studio von einem neuen Tiefpunkt sprechen und ironisch fast eine Krise der TV-Unterhaltung am Samstagabend ausrufen, verliert Völler völlig die Nerven und brüllt: „Immer diese Geschichte mit dem Tiefpunkt und noch 'nem Tiefpunkt, dann gibt's noch mal 'nen niedrigeren Tiefpunkt. Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören.“ Es sind Geschichten wie diese, die Netzer eine Art Kult-Status verleihen.

Aber Netzer war eben schon immer anders als die anderen. Weil ihm als Fußballer das Gehalt in den ersten Gladbacher Jahren nicht hoch genug war, verdiente er sich nebenbei etwas dazu – und wird Herausgeber des „Fohlen-Echo“, eines Vereinsmagazins. Und so lässig sein Stil auf dem Fußballplatz war, so cool gab er sich auch im Privatleben. Seine Auto-Liebe zu Ferrari begann früh, schon als Spieler leistete er sich einen Ferrari Dino und später Daytona. Und das zu Zeiten, als andere deutsche Nationalspieler schon einen Porsche als extravagant empfanden. Unvergessen, dass er zu seiner Gladbach-Zeit Besitzer der Diskothek „Lovers Lane“ wurde. Geschichten über Günter Netzer gibt es unzählige – auf, aber auch neben dem Platz.

Eine der besten ist die mit dem Lotto-Schein. Ein verrückter Netzer-Fan tippte jahrelang die gleichen Ziffern, basierend auf Netzers Geburtsdatum, Schuhgröße und Auszeichnungen. Doch der erhoffte Gewinn blieb aus – bis er 1988 Netzer bei einem Spiel der Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft kurz vor dessen Geburtstag einen Lotto-Schein mit den üblichen Zahlen überreicht. Und tatsächlich: Es werden fünf Richtige plus Zusatzzahl. Dabei hatte Netzer den Lottoschein schon in seinem Schweizer Büro in den Mülleimer geworden. Erst als der Fan ihn nach Tagen endlich telefonisch erreicht, fischt Netzer den Schein aus dem Papierkorb. Der Gewinn: 221 000 Mark, die auf das Sparbuch des Fans wandern. „Eine total verrückte Geschichte“, sagt Netzer noch heute.

Dabei hat er genug Verrücktes erlebt. 1973 beim Pokalfinale beispielsweise, seinem letzten Auftritt im Trikot der Gladbacher. Es geht gegen den Erzrivalen 1. FC Köln, aber Trainer Hennes Weisweiler lässt seinen scheidenden Star auf der Bank schmoren. Als es beim Stand von 1:1 in die Verlängerung geht, passiert das Unfassbare: Netzer wechselt sich selbst ein! Nur wenige Minuten fällt das Siegtor für die Gladbacher. Torschütze: Natürlich Günter Netzer. Auch das ist ein Grund, warum er 1973 als erster Fußballer zum zweiten Male in Folge zum Spieler des Jahres gewählt wird.

Ein Jahr zuvor gehört er zur Mannschaft, die noch heute als beste Nationalmannschaft aller Zeiten gilt und Europameister wird. Auch dank eines Spiels, das in die Geschichte einging, dem 3:1 in England. Es ist der erste Sieg einer deutschen Nationalmannschaft im Wembley-Stadion. Mit einer Mannschaft, die für ihren „Ramba-Zamba“-Fußball gefeiert wurde. So wurde das Wechselspiel zwischen Libero Franz Beckenbauer und Spielmacher Günter Netzer bezeichnet. Am Ende holte Deutschland den EM-Titel und Netzer kassierte wie seine Mitspieler 10000 Mark Prämie, „mit denen ich die Verluste meiner Diskothek ausgeglichen habe“, wie er sich lachend erinnert. Dass er zwei Jahre später sogar Weltmeister wird, verschweigt er gerne. „Ich bin ja nur einmal während des Turniers eingewechselt worden, da fühlt man sich nicht als Weltmeister“, sagt er.

Es ist eben auch diese Bescheidenheit, die Günter Netzer zu einem der Größten des deutschen Fußballs machen.

Mathias Sonnenberg, Juli 2016

Literatur zu Günter Netzer:

Sven Simon und Peter Bizer: Rebell am Ball (1971)
Helmut Böttiger: Manager und Rebell (1998)
Helmut Schümann: Aus der Tiefe des Raumes (2004)


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