Leichtathletik
Leichtathletik
Der überraschende Sprung an die Weltspitze: Mit gerade einmal 18 Jahren gewinnt Heike Drechsler 1983 in Helsinki ihren ersten WM-Titel.
Ihre erste Goldmedaille bei olympischen Spielen gewinnt Drechsler 1992. 1988 hatte sie in Seoul bereits die Silbermedaille gewonnen.
Doch nicht nur im Weitsprung sorgt Drechsler für Furore. Im Siebenkampf stellt sie 1994 eine Weltjahresbestleistung auf.
Von Verletzungen geplagt beendet sie 2004 ihre Karriere - u.a. mit fünf olympischen und sechs WM-Medaillen sowie Weltrekorden im Weitsprung und über 200 Meter.
Das erste Mal vergisst man nicht – sagt man. Mein erstes journalistisches Mal mit Heike Drechsler habe ich tatsächlich nie vergessen. Der Reporter traf im Frühjahr 1990 in Jena eine Weltklasse-Sportlerin. Weitspringerin, aber auch Siebenkämpferin und Sprinterin. Bei BILD üblicherweise "Leichtathletik-Königin" genannt. Heike Gabriela hatte unter ihrem Mädchennamen Daute bereits mit 18 Jahren den Weltmeister-Titel gewonnen.
Ich lernte eine junge Frau kennen mit damals todschicken Miniplis-Locken (Heike, erinnerst du dich...?). Sie wirkte sympathisch, aber auch zurückhaltend. Eine Frau in der Zeit der politischen Wende, die nicht so genau wusste, wohin ihre Lebens-Reise führen würde.
Die DDR war untergegangen mit all ihren Finsternissen. Ebenso mit den vermeintlichen Vorteilen und der Sicherheit, die Spitzensportler genossen hatten und dafür mit Linientreue zurückzahlen mussten.
Heike Drechsler sagte mir damals nachdenklich: "Wir Sportler haben wohl ganz schön geschlafen. Ich starte jetzt nur noch für meinen Sohn Tony." Damals sieben Monate alt.
Das zweite Mal vergisst man manchmal auch nicht.
Für Heike Drechsler, für alle Athleten und selbst für uns Reporter, war die Schlussfeier der Europameisterschaft in Split im September 1990 eines der gewaltigsten Momente. Arm in Arm liefen die Fahnenträger der beiden noch getrennten deutschen Mannschaften - Hürdenläuferin Gaby Lippe (West) und Kugelstoßer Ulf Timmermann (Ost) - ins Stadion ein. Heike sagte spontan: "Vor Rührung bekam ich eine Gänsehaut. Jetzt werden wir eine richtige Mannschaft." Zumindest symbolisch war der Sport einen Monat schneller als die Politik mit der Vereinigung. So gehört es sich ja auch für den Sport. Der Nach-Wende-Weg der Heike Drechsler hatte begonnen.
Das dritte Mal kann kompliziert sein.
Gold bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona. Der Traum, dem sie so lange hinterher gerannt- und gesprungen war, hatte sich erfüllt. Und im Augenblick des Triumphs, des größten Glücks, wird sie eiskalt erwischt. Pressekonferenz im Stadion. Die erste Frage galt nicht ihrem Erfolg, sondern den Schatten der Vergangenheit. Doping, DDR.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Journalisten müssen fragen, bohren, forschen, auch dann, wenn es weh tut. Und doch tat mir der Mensch Heike Drechsler in diesem Moment leid. So heruntergezerrt von Wolke 7.
Sicher, sie mag bei der Aufarbeitung des Themas Fehler begangen haben. Wer macht keine Fehler von uns? Selbst die, die gerne Steine auf andere werfen, sind meist nicht ohne eigene Sünde.
Das vierte Mal – die Vollendung der Heike Drechsler
2000 holt sie in Sydney zum zweiten Mal Gold. Ein Olympiasieg ist etwas Großartiges. Aber diesen nach einer so langen Zeit zu wiederholen, macht einen Sportler unsterblich. Ulrike Nasse-Meyfarth ist dies gelungen 1972 und 1984. Auf dieser Flughöhe schwebt auch Heike Drechsler.
Dafür erhielt sie zweimal das Bambi und einmal die Goldene Henne. Sie wurde bereits 2014 in die "Hall of Fame" des Welt-Leichtathletik-Verbandes aufgenommen. Drei Jahre später nun also auch die Aufnahme in die "Hall of Fame des deutschen Sports " der Deutschen Sporthilfe.
Glückwunsch, Heike, zu dieser längst fälligen Ehre!
Eines muss ich Dir aber nach so langer Zeit doch vorhalten: Du hättest als Leichtathletik-Königin während Deiner Karriere und danach für einige Skandale und Schlagzeilen mehr sorgen können. Nehme dir ein Beispiel an.... Nein, das verrate ich jetzt lieber nicht...
Walter Straten, Juni 2017