Gretel Bergmann-Lambert

Leichtathletik

  • Name Gretel Bergmann-Lambert
  • Sportart Leichtathletik
  • Geboren am 12. April 1914 in Laupheim
  • Todestag 25. Juli 2017 in New York
  • Aufnahme Hall of Fame 2012
  • Rubrik 1933–1945

Beste Hochspringerin ihrer Zeit

Die Erfahrungen der Hochspringerin Gretel Bergmann-Lambert bilden ein unrühmliches Kapitel der deutschen Geschichte. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wurde sie, damals mutmaßlich beste Hochspringerin der Welt, von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin ausgeschlossen und bedroht.

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Nachdem sie 1931 Deutschen Rekord (1,51 Meter) gesprungen war, schloss ihr Verein, der Ulmer FV, sie im April 1933 aus. Gretel Bergmann-Lambert verließ Deutschland, studierte in England und gewann 1934 mit 1,55 Metern die Britischen Meisterschaften. Die Nazis zwangen sie zur Rückkehr, indem sie ihre Familie unter Druck setzten. Der Grund: Die US-Amerikaner forderten die Olympiateilnahme deutscher Juden, drohten mit Boykott. 1936 stellte Bergmann-Lambert den Deutschen Rekord (1,60 Meter) ein, dem die NS-Sportführung allerdings die Anerkennung verweigerte. Kurz vor den Olympischen Spielen – die US-Amerikaner waren bereits auf der Schiffspassage – wurde ihre Startberechtigung zurückgezogen. Ihr Leistungsstand sei nicht ausreichend, hieß es. Bergmann-Lamberts 1,60 Meter hätten eine Olympiamedaille bedeutet. Es war die Sieghöhe der Ungarin Ibolya Csak.

Gretel Bergmann-Lambert

Leichtathletik

Größte Erfolge

  • Deutscher Rekord 1936 (1,60 Meter)
  • Britische Meisterin 1934
  • US-Meisterin 1937, 1938

Auszeichnungen

  • Georg von Opel-Preis (1999)
  • Umbenennung der städtischen Sportanlage in Laupheim in Gretel-Bergmann-Stadion (1999)
  • Aufnahme in die National Jewish Sports Hall of Fame (USA, 1995)

Besondere Biografie

Margaret Bergmann-Lambert wurde stellvertretend für den Bereich „Besondere Biografie durch die Zeit des Nationalsozialismus“ in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen.

Biografie

Sie war die große jüdische Hoffnung! Wenige Wochen vor den Olympischen Spielen 1936 in Berlin hatte Gretel Bergmann bei einem regionalen Sportfest im Juni 1936 in Stuttgart mit 1,60 Meter den deutschen Rekord im Hochsprung eingestellt. Es war ein Provinzsportfest, bei dem sie ohne echte Konkurrentinnen angetreten war. Gretel Bergmann sprang aber nicht nur gegen sich selbst, ihre Motivation bezog sie aus der absurden Rassentheorie der Nazis, wonach Juden degeneriert, körperlich schwächlich, zu keiner sportlichen Leistung fähig, den Ariern in allen sportlichen Belangen unterlegen seien.

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Unter den Augen der versammelten Naziführung und 100.000 Zuschauern hätte Gretel Bergmann die NS-Rassentheorie ad absurdum führen können, wenn sie die Chance gehabt hätte, bei den Olympischen Spielen in Berlin anzutreten. Aber diese Chance wurde ihr durch die nationalsozialistische Reichssportführung genommen. Es hätte nicht in das nationalsozialistische Weltbild gepasst, dass eine deutsche Jüdin für Deutschland auf dem Siegertreppchen gestanden hätte.

Gretel Bergmann verbrachte – zusammen mit ihren Brüdern Rudolph und Walter – eine unbeschwerte Kindheit in der schwäbischen Kleinstadt Laupheim. Das Familienleben der Bergmanns war keineswegs durch tiefe jüdische Tradition und Religiosität geprägt. Der Besuch der Synagoge stand lediglich an hohen jüdischen Feiertagen auf dem Familienprogramm. Im gesellschaftlichen Leben Laupheims war die Familie Bergmann vollkommen integriert. Vater Edwin leitete zusammen mit anderen Familienmitgliedern eine Firma für Haarprodukte. Die Firma war der größte Arbeitgeber des Städtchens. In ihren Erinnerungen schreibt Gretel Bergmann über eine unbeschwerte Kindheit. Mit sechs oder sieben Jahren trat sie dem örtlichen Turn- und Sportverein bei. Dass sie eine Jüdin war, spielte keine Rolle! Im Alter von zehn Jahren bestritt sie erfolgreich ihre ersten Wettkämpfe.

Ihre frühen Schuljahre verbrachte Gretel Bergmann in Laupheim: zunächst auf der jüdischen Grundschule, später auf der Realschule, wo sie unter 13 christlichen Jungen das einzige Mädel und das einzige jüdische Kind war. Im Jahre 1930 verließ Gretel die Idylle der schwäbischen Kleinstadt und wechselte auf das Mädchengymnasium in Ulm. Auf Anraten ihres Onkels trat sie dem Ulmer Fußballverein bei, der gerade für jugendliche Talente qualifizierte Trainer und gute Trainingsmöglichkeiten bot. Sehr schnell kristallisierte sich der Hochsprung als ihre Paradedisziplin heraus und ihre langen Beine sollten sehr bald zu ihrem Markenzeichen werden. Unter der neuen Anleitung ließen die ersten sportlichen Erfolge nicht lange auf sich warten. Bereits nach einem Jahr wurde sie süddeutsche Meisterin und sprang mit 1,50 Meter bereits in die deutsche Rangliste auf Platz vier – zum ersten Platz fehlten ihr lediglich zwei Zentimeter! Ein Jahr später verteidigte sie ihren Titel und war damit auf dem besten Wege, sich im Kreise der besten deutschen Hochspringerinnen zu etablieren. Eine Teilnahme an den nächsten Olympischen Spielen 1936 in Berlin rückte in greifbare Nähe.

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten sollte auch Gretel Bergmanns Leben entscheidend verändern. Unmittelbar vor ihrem 19. Geburtstag am 12. April 1933 erhielt sie einen Brief ihres Vereins. In ihren Erinnerungen schreibt sie: „In dem Brief informierte man mich, meine Mitgliedschaft im UFV sei gekündigt und ich dort nicht mehr willkommen. Vergessen die schönen Stunden, die wir zusammen verbracht hatten, vergessen die vielen Medaillen, die ich für den Verein gewonnen hatte, vergessen die Kameradschaft.“ Für Gretel Bergmann brach eine Welt zusammen. Da in Laupheim kein jüdischer Sportverein existierte, hatte sie keine Trainingsmöglichkeiten mehr.

In dieser ausweglosen Situation nutzte Gretel Bergmann die geschäftlichen Beziehungen ihres Vaters nach England und ging nach London, um dort ihre sportliche Karriere fortzusetzen. Sie schrieb sich am Londoner Polytechnikum ein. Für ihre neue Schule bestritt sie mehrere Wettkämpfe und erhielt 1934 die Chance, an den Britischen Meisterschaften teilzunehmen. Am 30. Juni 1934 gewann sie mit der Höhe von 1,55 Meter die Britische Meisterschaft. Der Traum von einer Teilnahme an den Olympischen Spielen in Berlin – jetzt als Vertreterin für die britische Mannschaft – schien wieder zum Greifen nahe zu sein. Als sie nach England ging, hatte sie sich vorgenommen, „irgendeinen Weg ins britische Olympiateam“ zu finden und durch einen Rekord oder Gewinn einer Meisterschaft den Nazis zu zeigen: „Seht her, ihr Bastarde, so gut kann eine Jüdin sein.“

Aber auch dieser neue Hoffnungsschimmer verlosch sehr schnell wieder. In den Jubel und die Freude über die gewonnene britische Meisterschaft im Hochsprung platzte die Mitteilung ihres Vaters, dass sie nach Deutschland zurückkehren sollte, um sich für das deutsche Olympiateam zu qualifizieren. Im Falle einer Verweigerung drohten die Nazis mit Konsequenzen für die Familie und die gesamte jüdische Sportbewegung. Aufgrund der fortgesetzten Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland hatte die Boykottbewegung gegen die Spiele in Berlin mittlerweile in den USA, England und Frankreich an Zulauf gewonnen, so dass sich die nationalsozialistische Reichssportführung in Absprache mit Reichskanzler Hitler genötigt sah, gegenüber dem IOC in der Beteiligung jüdischer Sportlerinnen und Sportler im deutschen Team Zugeständnisse zu machen.

Aber wo sollte sie trainieren, um sich auf die Olympischen Spiele vorzubereiten? In Laupheim gab es lediglich den planierten Kartoffelacker – für eine Leistungssportlerin ein völlig unzureichender Zustand, der allerdings den Alltag des jüdischen Sports im nationalsozialistischen Deutschland widerspiegelt. In dieser ausweglosen Situation bot ihr der jüdische Verein Schild Stuttgart die Möglichkeit, zu trainieren. So fuhr Gretel Bergmann häufiger für einige Tage ins 120 Kilometer entfernte Stuttgart. Ein systematisches Leistungstraining war aber selbst unter diesen Bedingungen nicht möglich. Ihre „arischen“ Konkurrentinnen waren dagegen wie alle Olympiakandidaten weitgehend von den Belastungen des Arbeitsalltages freigestellt, um sich gezielt auf die Olympischen Spiele vorzubereiten.

Trotz dieser widrigen Umstände steigerte Gretel Bergmann ihre sportlichen Leistungen. Aber da ihr als Jüdin die Teilnahme an Meisterschaften des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen verwehrt war, beschränkte sich ihre Wettkampferfahrung auf Starts bei jüdischen Meisterschaften gegen Konkurrentinnen, die ihr weit unterlegen waren. Am 25. August 1935 siegte Gretel Bergmann bei den Reichsmeisterschaften des Sportbundes Schild mit der Höhe von 1,55 Meter. Ihre stärkste „arische“ Konkurrentin, Elfriede Kaun, war wenige Wochen zuvor mit 1,53 Meter Deutsche Meisterin geworden. Die massiven Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit durch die Nazis konnten nicht verhindern, dass ihre herausragenden sportlichen Leistungen nicht nur in der Fachwelt wahrgenommen wurden. Um das Gesicht gegenüber der internationalen Sportwelt zu wahren, sah sich die nationalsozialistische Reichssportführung gezwungen, Gretel Bergmann als einzige jüdische Sportlerin in die sogenannte Kernmannschaft für die Olympischen Spiele in Berlin aufzunehmen.

In der jüdischen Bevölkerung verkörperte Gretel Bergmann die „große jüdische Hoffnung“. Und die Hoffnungen auf eine erfolgreiche Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin stiegen, als sie wenige Wochen vor Beginn der Spiele, im Juni 1936, bei einem regionalen Sportfest den kurz zuvor von Elfriede Kaun aufgestellten deutschen Hochsprungrekord von 1,60 Meter einstellte.

Wenige Tage nach der Einstellung des deutschen Rekords erhielt Gretel Bergmann ein Schreiben des Fachamtes Leichtathletik, datiert vom 16. Juli 1936 – einen Tag nach der Abreise der amerikanischen Mannschaft aus New York: „Der Herr Reichssportführer, der die Mannschaft für die Olympischen Spiele auswählte, hat es nicht vermocht, Sie in die Mannschaft, die Deutschland in der Zeit vom 1. bis 9. August im Olympia-Stadion vertreten wird, einzureihen. Nur drei Aktive konnten in jedem Wettbewerb – ausgenommen die Staffeln – berücksichtigt werden. Sie werden auf Grund der in letzter Zeit gezeigten Leistungen wohl selbst nicht mit einer Aufstellung gerechnet haben.“

Gretel Bergmanns Reaktion auf diese Entscheidung schwankte zwischen maßloser Enttäuschung und Erleichterung. Einerseits überwog die Enttäuschung, nach all den Jahren der Vorbereitung unter widrigsten Verhältnissen und der Hoffnung, unter den Augen der versammelten Naziführung vor 100.000 Zuschauern die nationalsozialistische Rassentheorie ad absurdum führen zu können. Andererseits war der Alptraum beendet, der sie seit ihrer erzwungenen Rückkehr aus London gequält hatte.

An Stelle der drei möglichen Teilnehmerinnen nominierte der Reichssportführer im Hochsprung der Frauen mit Elfriede Kaun und Dora Ratjen lediglich zwei Teilnehmerinnen. Wenige Jahre später stellte sich heraus, dass Dora Ratjen männlichen Geschlechts war. In der Presse wurde die Nichtnominierung von Gretel Bergmann nicht zur Kenntnis genommen. Die Nazis hatten ihr Ziel erreicht!

Am 8. Mai 1937 verließ Gretel Bergmann mit dem erlaubten Höchstbetrag von zehn Reichsmark ihre deutsche Heimat. Kurze Zeit später folgte ihr Bruno Lambert, den sie bei einem Sportfest kennengelernt hatte und mit dem sie in den USA den Bund der Ehe schloss.

Einzig die jüdische Presse meldete die Flucht ihrer großen jüdischen Hoffnung aus Nazi-Deutschland in die USA. In den USA konnte Gretel Bergmann ihre sportliche Karriere fortsetzen. Am 15. Oktober 1937 berichtet „Der Schild“ über den Gewinn der US-Meisterschaft im Hochsprung und im Kugelstoßen. Zehn Monate später findet sich die letzte Meldung über Gretel Bergmann in der deutschen jüdischen Presse: „Gretels USA-Meisterschaft bestätigt.“ Es war für viele Jahrzehnte die letzte Nachricht in einer in Deutschland erscheinenden Zeitung!

Die Erinnerung an Gretel Bergmann war in der nachkriegsdeutschen Sportszene der Bundesrepublik und der DDR nicht präsent. Im Jahre 1980 war Gretel Bergmann in die „Jewish Hall of Fame“ im Wingate Institut/Israel aufgenommen worden. Anlässlich der Ehrung erschien eine kurze Biografie in der New York Times. Bezugnehmend auf diesen Beitrag erinnerte am 7. Februar die Schwäbische Zeitung an Gretel Bergmann und fügte hinzu: „Die Aufnahme in die jüdische Ruhmeshalle des Sports (...) ist eine Wiedergutmachung, die nur den einen Schönheitsfehler hat, dass der deutsche Sport nichts zu ihr beigetragen hat.“

Es ist jedoch dem unermüdlichen Engagement von Burkhard Volkholz, dem Ehrenvorsitzenden des TSV Laupheim, zu verdanken, dass die Erinnerung an Gretel Bergmann auch in Deutschland wieder wachgerufen wurde. Auf Einladung des damaligen NOK-Präsidenten Walther Tröger nahm sie 1996 als Ehrengast an den Olympischen Spielen in Atlanta teil. 60 Jahre (!) nach dem Ausschluss Gretel Bergmanns von den Olympischen Spielen 1936 erkannte das Nationale Olympische Komitee für Deutschland endlich das Unrecht, das im Namen des deutschen Sports an den jüdischen Sportlerinnen und Sportlern verübt worden war, als Unrecht an.

Anlässlich der Verleihung des Georg von Opel-Preises für „Unvergessene Meister“ kehrte Margaret Lambert 1999 erstmals wieder nach Deutschland zurück. In ihrer Heimatstadt Laupheim wurde die städtische Sportanlage in Gretel-Bergmann-Stadion umbenannt. Ihr Beitrag zur Versöhnung mit dem deutschen Sport, aber auch mit ihrer deutschen Heimat war die Zurücknahme ihres Schwurs, den sie bei ihrer Flucht im Jahre 1937 geleistet hatte: „Never set foot on German soil again“.

In ihrer eindrucksvollen Autobiografie „Ich war die große jüdische Hoffnung“ schreibt Margaret Lambert: „Als wir gemeinsam das Schild ‚Gretel-Bergmann-Stadion’ enthüllten, bekam ich eine Gänsehaut. Es war so ironisch: 1933 hatten mich die Nazis von allen öffentlichen Orten verbannt, und jetzt trug einer dieser öffentlichen Orte für immer meinen Namen“.

Lorenz Peiffer, Mai 2012

Literatur zu Margaret Bergmann-Lambert:

Gretel Bergmann: „Ich war die große jüdische Hoffnung“. Erinnerungen einer außergewöhnlichen Sportlerin. Karlsruhe 2003
Lorenz Peiffer: Gretel Bergmann – gefeiert, verfolgt und dann vergessen! Leistungen und Schicksal einer jüdischen Sportlerin in Deutschland. In: Furtwängler, M./Pfanz-Sponagel, C./Ehlers, M. (Hrsg.): Nicht nur Sieg und Niederlage. Sport im deutschen Südwesten im 19. und 20. Jahrhundert. Oberrheinische Studien 28 (2011), 177-192


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