Willy Kuhweide

Segeln

  • Name Willy Kuhweide
  • Sportart Segeln
  • Geboren am 6. Januar 1943 in Berlin
  • Aufnahme Hall of Fame 2011
  • Rubrik 60er Jahre

Legende des Segelsports

In der Bundesrepublik war Willy Kuhweide jahrzehntelang das Synonym für den Segelsport. Der erste große internationale Erfolg gelang ihm 1960 als Europameisterschafts-Zweiter im Finn-Dinghy. Ein Jahr später wurde er Europameister, 1963 dann Weltmeister.

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Für Olympia 1964 erhielt der Athlet vom Verein Seglerhaus am Wannsee erst in letzter Sekunde die Nominierung: Der Ostberliner Bernd Dehmel gewann das deutsch-deutsche Ausscheidungsrennen, doch dieses wurde vom IOC unfairer Attacken wegen annulliert. Erst kurz vor dem Start erfuhr Kuhweide, dass er am olympischen Rennen in Enoshima teilnehmen durfte – und gewann dann trotz Mittelohrentzündung Gold. Zwei Jahre später siegte er erneut bei den Weltmeisterschaften und wiederholte diesen Triumph 1967. Nachdem er 1968 bei den Olympischen Spielen in Mexiko keine vordere Platzierung erreicht hatte, holte er 1972 im Starboot-Wettbewerb vor Kiel seine zweite olympische Medaille und im gleichen Jahr auch seinen vierten WM-Titel.

Willy Kuhweide wurde in seiner Karriere zudem dreimal Europameister und gewann zehnmal bei der Kieler Woche. Er startete bei fünf Olympischen Spielen, 1984 war er in Los Angeles bei der Eröffnungsfeier Fahnenträger der westdeutschen Mannschaft. Im Zivilberuf arbeitete Kuhweide als Pilot und leitete von 1989 bis 1994 die Verkehrsfliegerschule der Lufthansa in Phoenix/Arizona.

Willy Kuhweide

Segeln

Größte Erfolge

  • Olympia-Gold 1964 (Finn-Dinghy)
  • Olympia-Bronze 1972 (Starboot)
  • Vierfacher Weltmeister (1963, 1966, 1967 Finn-Dinghy, 1972 Starboot)
  • Dreifacher Europameister (1961, 1964 Finn-Dinghy, 1974 Soling)

Auszeichnungen

  • Fahnenträger der deutschen Olympiamannschaft 1984
  • Goldenes Band der Sportpresse (1964)

Biografie

Mit seiner glücklichen Mischung aus Begabung und Ehrgeiz hat Willy Kuhweide allemal gut im Wind gelegen. Im Sport wie im Beruf. Kein anderer Name steht als Synonym für die Kombination von Segeln und Fliegen. Den Berliner mit dem markanten Schnauzer adelt eine Langzeitpopularität, wie sie nur Menschen vergönnt ist, die mehr sind als die Summe ihrer Erfolge. Die Werbung entdeckte den Twen nach seinem Olympiasieg als Sympathieträger und er war der erste Segler, auf den die Boulevardmedien flogen. Etwa, wenn er die Bikini-Schönheit Uschi Glas („Zur Sache Schätzchen“) auf Las Palmas „in das Einmaleins des Segelsports einführte“, wie eine Gazette genüsslich schrieb. Das klingt nach einem filmreifen Playboy, der Kuhweide jedoch nie war. Seine Stärke war die Disziplin und Konsequenz, mit der er Ziele ansteuerte, die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, ohne den Überblick zu verlieren. Mit den Jahren kam die innere Sicherheit hinzu, im Zweifelsfall das letzte Wort zu haben und die richtige Entscheidung zu treffen. Sein innerer Kompass ließ Kuhweide zwischen gesundem und ungesundem Ehrgeiz unterscheiden: „Ich sehe keinen Sinn darin, Zehnter zu werden, aber es bricht keine Welt zusammen, wenn es nicht klappt.“ Gesprochen bei der Kieler Woche, an deren Regatten er 25-mal teilnahm und zehnmal gewann.

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„Segeln hab‘ ich nicht gelernt, ich bin damit aufgewachsen“. Willy Kuhweide kokettierte ein wenig damit gesegelt zu sein, bevor er laufen konnte. Auf dem Boot seiner Eltern. Familie Kuhweide besaß ein Dickschiff – es war so etwas wie die Zweitwohnung der Kuhweides auf dem Wannsee. Als der Junior fünf Jahre alt war, baute ihm der Vater eine Jolle, mit der Willy die ersten Kringel hinterm Dickschiff und drum herum drehte. Seine spezielle Begabung auf dem Wasser blieb auch den ehrenwerten Herren in den Blazern mit dem Emblem des Vereins Seglerhaus am Wannsee (VSaW) nicht verborgen. 1958 stieg er aus dem Piraten aus und segelte mit dem vereinseigenen Boot „Darling“. Dessen Stifter hatte den Namen in Anspielung auf den Kosenamen seiner Frau gewählt. Namen von Einhand-Booten sind gemeinhin Schall und Rauch – dieser, den auch alle späteren von Kuhweide geführten Finns trugen, sollte berühmt werden. In der Bundesrepublik war dem „Wirtschaftswunder“ eine Art „Sportwunder“ gefolgt: Die Fußball-Weltmeisterschaft 1954, die Rückkehr der Daimler-Benz-Boliden auf die Grand-Prix-Pisten, Hans-Günter Winklers Ritt mit Wunderstute Halla bei den Olympischen Reiterspielen 1956 in Stockholm; in Rom 1960 hatte es so glänzende Olympia-Goldmedaillen gegeben wie die im 100-Meter-Sprint, im Achter-Rudern, im Nationenpreis der Springreiter. Die Segler, hatte die Zeitschrift „Yacht“ in einem Leitartikel beklagt, würden „ohne Film- und Fernsehverträge, ohne Bildartikel in den großen Illustrierten“ bleiben. Das änderte sich mit dem Auftritt Kuhweides auf olympischer Bühne, der 1964 zu einem bizarren Politikum wurde.

Der Konflikt entzündete sich an der Frage: Wer segelt im Finn-Dinghy vor Enoshima, dem Austragungsort der Wettfahrten der Olympischen Spiele in Tokio für Deutschland? Drei Jahre nach dem Mauerbau galten die Ausscheidungen für eine gesamtdeutsche Mannschaft – für den Osten mehr als für den Westen – als Zweikampf der Gesellschaftsordnungen, als Kampf der Systeme. Kein Wunder, dass mit allen Finessen gesegelt wurde. Kuhweides „Darling“ wurde durch eine Mauertaktik der Konkurrenz aus der „Ostzone“ regelrecht, aber nicht regelgerecht eingemauert und damit ausmanövriert. Der Rostocker Horst Hermann kreuzte vor Warnemünde zum Sieg. Der Deutsche Segler-Verband weigerte sich jedoch, das Ergebnis wegen massiver Behinderung des Berliner Luftwaffen-Fähnrichs anzuerkennen. Der Streit beschäftigte bald internationale Gremien. Rat kam vom Oberschiedsrichter des Weltverbandes IYRU. Er empfahl, jeweils zwei Finn-Dinghys aus Ost- und Westdeutschland bei der Europameisterschaft vor Kopenhagen teilnehmen zu lassen und das beste Boot nach Japan zu schicken. So wurde es beschlossen. Die Aktiven aus der DDR jedoch traten nicht an. Kuhweide gewann, der Zwist schwelte weiter. In Enoshima takelten Willy Kuhweide und Bernd Dehmel auf, den die DDR wegen vermeintlich besserer Siegchancen als Hermann aufgeboten hatte. Der Weltverband IYRU meinte einen weisen Entschluss getroffen zu haben, indem beide an den Start durften. Nun aber protestierten die übrigen nationalen Seglerverbände gegen die Bevorteilung der Deutschen. Schließlich sollte eine letzte Qualifikationsrunde vor Ort die Entscheidung bringen. Kuhweide war pünktlich am Start. Doch das Rennen wurde zu einer Phantom-Regatta, denn die DDR-Funktionäre hielten ihren Kandidaten an Land zurück. Dann kam das für den Berliner erlösende Machtwort des IYRU-Präsidenten: Kuhweide ist startberechtigt.

Dem Mann aus dem Westen der geteilten Stadt hatte der Nervenkrieg offenbar nichts anhaben können. Der Einundzwanzigjährige kam, sah und siegte. Mit den Plätzen 2-1-4-6-5-3-1 gewann er die Goldmedaille souverän. Kuhweides rotes Siegerfinn „Darling“ hat bis heute die Segel nicht gestrichen. Es steht voll aufgetakelt im Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven. „Ich hatte so eine Art Pilotfunktion“, sagte er der „Zeit“. Segeln sei zum Breitensport geworden, „da brauchte man so `ne Art Identifikationsfigur, und das bin ich geworden“. Der leidenschaftliche Musiker, der sich als angehender Abiturient als Pianist sein Taschengeld verdiente, hat sogar Schallplatten besungen nach seinem Triumph in Japan. Das Repertoire reichte von „Liebe kleine Segelbraut“ bis hin zu „Ich bin ein Tramp“. Das mag für den Wechsel der Segelklassen gelten, was den Erfolg anging, blieb er ein Muster an Beständigkeit. Mit adäquaten Partnern im Star oder Soling. Zu seinem Sport hatte er einen rationalen Zugang: „Segeln, das ist das Problem von Topographie und Meteorologie. Aus dem Verlauf der Küste und der Nähe von Bergen kannst du auf die Land-Wasser-Verteilung und die Windverhältnisse schließen. Das sind alles physikalische Abläufe. Das Pech, das so viele haben wollen, das gibt es meist gar nicht. Das ist viel eher Nachlässigkeit oder Mangel an Logistik.“ Er machte sein Ding, hatte seinen eigenen Kopf. Die Windmessangaben während der Kieler Woche pflegte er für sich um zwei Beaufort nach unten zu korrigieren: „Die messen auf dem Leuchtturm, mein Mast ist höchstens fünf Meter hoch.“

Kuhweide hat vieles wie Eislaufen oder Wasserski ausprobiert, aber alles nicht so ernsthaft wie das Segeln. Bei entsprechenden Windstärken hat er sich bisweilen gefühlt wie ein Seiltänzer. Er hatte die Eigenheit, selten vom Start weg vorn zu sein, kam dann aber gewaltig. Die Elemente sah er als seine Verbündete: „Der Wind, das ist ein unwahrscheinlich variables Ding. Nie kannst du so tun, als müsstest du nur genau so segeln wie beim vorigen Mal.“ Natürlich hat er beim Karrieresprung ins Cockpit der Lufthansa von seinem Sport profitiert: „Wer was vom Segeln versteht, lernt auch das Fliegen leichter“. Er kombinierte ein Hobby auf hohem Niveau mit einem prestigeträchtigen Beruf. Er flog die großen Linienjets vom Typ Boeing 727 und 747-400, ging als Pilotenprüfer nach Phoenix im US-Bundesstaat Arizona. Als Willy Kuhweide mit 60 Jahren in den Ruhestand ging, war er, wie er selbst errechnet hatte, 18.039 Stunden und 21 Minuten in der Luft gewesen. Solange er als Flugkapitän Passagiere flog, er sich via Bordmikrophon mit Namen meldete, wurde das Personal um Autogramme von der Prominenz am Steuerknüppel gebeten – dem Olympiasieger und Weltmeister. So mancher erinnerte sich auch noch an den Fahnenträger der Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles, als Kuhweide bei der Eröffnungsfeier die deutsche Mannschaft anführte. Er machte was her, ohne dafür seine Lufthansa-Uniform überstreifen zu müssen. Im neuen Jahrtausend gewannen die führenden deutschen Yacht-Clubs das Ehrenmitglied des VSaW als Commodore, Sprecher und Vorsitzender für ihre America’s-Cup-Kampagne. Die Kampagne „United Internet Team Germany“ hatte ein Gesicht.

Aus dem leidenschaftlichen Segler ist ein leidenschaftlicher Golfer geworden. Die Herausforderung, komplizierte Zusammenhänge zu erkennen, sie zu bewältigen, ist geblieben. Um sein Leben dorthin zu steuern, wo er hin will, braucht Käpt‘n Kuhweide weder ein Schiff noch ein Flugzeug.

Hans-Joachim Leyenberg, Mai 2011

Literatur zu Willy Kuhweide:

Jack Knights; dt. Bearb. Willi Kuhweide, Karl Morgenstern: Mehr Spaß beim Segeln. München, Wien 1979


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