Erich Rademacher

Schwimmen

  • Name Erich Rademacher
  • Sportart Schwimmen
  • Geboren am 9. Juni 1901 in Magdeburg
  • Todestag 2. April 1979 in Stuttgart
  • Aufnahme Hall of Fame 2008
  • Rubrik Bis 1933

Bester Brustschwimmer der 1920-er Jahre

Erich Rademacher war der international beste Brustschwimmer der 1920er Jahre. Kurios ist, dass er seinen Olympiasieg nicht im bevorzugten Stil holte, sondern 1928 als Wasserball-Torwart. Doch in seiner leistungsstärksten Zeit konnte Rademacher nicht an den Olympischen Spielen 1920 und 1924 teilnehmen, da Deutschland als Folge des 1. Weltkriegs ausgeschlossen war. Ansonsten wäre er in Antwerpen und Paris wohl spielend Olympiasieger geworden.

mehr lesen

Seine Bestzeiten lagen weit unter denen der damaligen Gewinner. Kaum war der sportliche Bann beendet, wurde Rademacher 1926 und 1927 Europameister über 200 Meter Brust. Seine erste Niederlage seit 1922 musste er ausgerechnet im 200 Meter Brust-Finale der Olympischen Spiele 1928 in Amsterdam hinnehmen, als ihn der Japaner Tsuruta bezwang. Er entschädigte sich gemeinsam mit Bruder Joachim mit der Goldmedaille im Wasserball. Erich (Ete) Rademacher hielt einst alle Weltrekorde im Brustschwimmen von 50 Yards bis 500 Meter. Insgesamt schwamm er zwischen 1910 und 1933 zu 998 Siegen und half, die sportliche Isolation Deutschlands nach dem 1. Weltkrieg zu beenden. Eine USA-Reise 1926 wurde zu einem sportlichen wie politischen Triumphzug. Rademacher brach alle amerikanischen Rekorde und erhielt den Beinamen „The human fish“.

Erich Rademacher

Schwimmen

Größte Erfolge

  • Olympia-Gold Wasserball 1928
  • Olympia-Silber 200 Meter Brust 1928
  • Olympia-Silber Wasserball 1932
  • Zweimal Europameister 200 Meter Brust (1926, 1927)
  • Neun Weltrekorde
  • 35-facher Deutscher Meister

Auszeichnungen

  • Aufnahme in die International Swimming Hall of Fame (1972)
  • Namensgeber für Straße und Schwimmhalle in Magdeburg

Biografie

Es war eine Zeit, in der das Griechische in Mode war – und es gab gar nicht so wenig Sportvereine, die sich einen Namen aus dem Griechischen gaben. „Hellas“ Magdeburg gehörte dazu. Dieser Verein war um die Jahrhundertwende sicherlich einer der bedeutenden Orte zur Pflege des Schwimmsports auf der Welt. Hellas Magdeburg war dabei nicht nur ein Sportverein, sondern auch so etwas wie der Treffpunkt einer bessren Gesellschaft. Die Aufnahme in diesen Kreis war deshalb durchaus keine Selbstverständlichkeit, die mit der Unterschrift auf einem Mitgliedsformular und der Zahlung des Beitrags zu erledigen war. Das Datum war daher wahrscheinlich kein Zufall, als der Kaufmann Heinrich Rademacher am 24. Dezember 1910 – Heiligabend – bei der Post ein Schreiben vom Schwimmer-Club Hellas Magdeburg erhielt, in dem mitgeteilt wurde, dass „die Vorstandversammlung vom 23. Dezember des Jahres Ihrem Antrag entsprochen und Ihren Sohn Erich in die Jugend-Abteilung unseres Clubs aufgenommen hat.“ Der neunjährige Junge, der von jedermann „Ete“ gerufen wurde, bekam diese Mitgliedschaft also unter den Christbaum gelegt.

mehr lesen

In dem weihnachtlichen Brief hieß es weiter: „Wir heißen Ihren Sohn herzlich willkommen, bitten Sie aber, um den in unseren Aufnahmebedingungen übernommenen Verpflichtungen nach besten Kräften gerecht werden zu können, ihn in seinem und unserem Interesse zum regelmäßigen Besuch unserer Übungsabende anhalten zu wollen.“ Das bedeutete wohl nicht mehr oder weniger als die Verpflichtung, die man hundert Jahre später in einem Sportzentrum zu leisten hatte. Der SV Hellas Magdeburg galt nicht nur in Deutschland als führender Schwimmverein, sondern wurde als solcher überall dort anerkannt, wo man Schwimmen als Wettkampfsport betrieb. Erich „Ete“ Rademacher wurde als Neunjähriger in den Club aufgenommen. Drei Jahre später errang er mit der Knabenstaffel seinen ersten Sieg. Es war der Beginn einer sportlichen Laufbahn, die über zwanzig Jahre reichte und neben den Erfolgen im Schwimmbecken auch ein Beweis für Vereinstreue war.

Rademacher musste zum regelmäßigen Besuch der abendlichen Schwimm-Übungen nicht angehalten werden. Es machte ihm Spaß und dieser Spaß erhöhte sich natürlich mit dem Sieg bei vielen Wettkämpfen. Er teilte allerdings das Schicksal vieler deutscher Sportler, die in den Zeiten nach den beiden Kriegen von Olympischen Spielen ausgeschlossen waren. Was ihm blieb, waren so etwas wie Fernwettkämpfe gegen andere Schwimmer, denen er durch Rekorde seine Überlegenheit beweisen konnte. 1920, als die Spiele in Antwerpen stattfanden, schwamm er die 400 Meter auf der Bruststrecke in Weltrekordzeit – 1924, während den Olympischen Spielen in Paris, erreichte er Weltrekord über die seinerzeit populäre 200 Yard-Strecke. Es war ein kleiner Trost für entgangene Medaillen. Als Rademacher endlich bei Olympischen Spielen mitmachen durfte, war er bereits 27 Jahre alt.

Er war bereits das, was man später als Star bezeichnete, als er als Fünfzehnjähriger die Siegesserie des Doppel-Olympiasiegers von 1912 in Stockholm, Walter Bathe, beendete. Er war schon 27 Jahre alt, als er in Amsterdam über 200 Meter-Brust nur von dem Japaner Tsuruta geschlagen wurde. Drei Tage später wurde er allerdings gefeiert als Torhüter der deutschen Mannschaft im Wasserball, die die Goldmedaille gewann. In der deutschen Mannschaft spielte auch Bruder Joachim „Aki“ Rademacher. Die Brüder holten sich im Wasserball auch noch die Silbermedaille 1932 in Los Angeles. Um diese Zeit galt Ete Rademacher bereits als Legende des deutschen Sports.

Es heißt, er habe in seiner Karriere als Schwimmer 998 Siege erreicht – aber wer vermochte da schon eine genaue Liste zu führen? Natürlich hat er es auch genossen, überall Anerkennung zu bekommen – mehr noch: Bewunderung. Es gab seltene Niederlagen und jene, die ihn besiegten, zehrten von seinem Ruhm. Der Altersgenosse Herrmann Sommer zum Beispiel (1901-1984), einer der schnellsten Schwimmer über die 200 Meter Brust auf der Welt, bezwang Ete Rademacher bei den deutschen Meisterschaften 1922 in Georgental, was seinerzeit als große Sensation gefeiert wurde. Sommer, der später als Pädagoge an der Deutschen Sporthochschule in Köln wirkte, wurde später oft als der Mann angesprochen, „der Rademacher schlug“. Hermann Sommer hat es gerne erzählt und es hat nur bewiesen, welch uneingeschränkte Wertschätzung Rademacher auch bei den Konkurrenten besaß.

Ete Rademacher hatte nach der Beendigung der Schulzeit eine Ausbildung als Versicherungskaufmann absolviert, aber wegen der vielen Wettkampfreisen, die ihn um die ganze Welt führten, hatte er kaum die Möglichkeit, den Beruf regelmäßig auszuüben. Der Grund für seine sportliche Überlegenheit lag in einem gewaltigen Talent, das sein Bruder allerdings ebenfalls besaß. Ete Rademacher verfügte aber auch über das wichtige Talent zum Fleiß, das man für den ganz großen Erfolg benötigt. Das zielstrebige Training bestand damals hauptsächlich aus der Arbeit von unendlich vielen Kilometern im Schwimmbecken – die wissenschaftlichen Erkenntnisse gab es noch nicht. Bei Ete Rademacher kam noch ein für damalige Verhältnisse sehr seltener Umstand hinzu. Er besaß bereits das, was man heute als Manager bezeichnet.

Es handelte sich dabei um einen Clubkameraden namens Kurt Behrens (1884-1928), der sich in der Materie sehr wohl auskannte. Behrens hatte bei den Olympischen Spielen 1908 in London den zweiten Platz im Kunstspringen belegt und wurde 1912 in Stockholm Dritter. Er war seiner Zeit sicherlich in vielen Dingen voraus. Manager gab es höchstens bei den Berufsboxern und es war nicht immer so, dass sie den allerbesten Ruf besaßen. Behrens hatte längere Zeit in den Vereinigten Staaten gelebt – wie übrigens eine ganze Reihe von Mitgliedern von Hellas Magdeburg nach der Machtübernahme der Nazis 1933.

Kurt Behrens hatte die am Schwimmsport interessierten Kreise in den USA für den Wundermann Rademacher aus Deutschland vorbereitet und wohl auch das nötige Geld besorgt, um Schiffsreise und Unterkunft zu finanzieren. Es gab ja noch die strengen Amateurregeln, und die Möglichkeit, dass es einen Profi-Schwimmer geben könnte, entzog sich aller Vorstellungskraft. Behrens brachte neben Rademacher auch den Rückenschwimmer Gustav Frölich und den amerikanischen Rekordmann Walter Spence zu einer Wettkampfreise durch die USA zusammen. Rademacher stellte dabei eine Reihe von Weltrekorden über die Yard-Strecken auf. Nach der Heimkehr wurde er gefeiert und der Jubel steigerte sich noch, als er bei den Europameisterschaften in Budapest siegte. Bruder Joachim gewann dabei Gold mit der 200 Meter Freistilstaffel. Nach einer Wettkampfreise nach Japan konnte Rademacher auf sein sicherlich erfolgreichstes Jahr zurückblicken. Nach 1928 verlegte er sich mehr und mehr auf das Wasserballspiel – und nach 1933 war es auch damit zu Ende.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt Ete Rademacher eine Gesichtsverletzung; er mochte nachher nicht mehr so gerne fotografiert werden. Ete Rademacher stieß in Braunschweig zu einigen seiner Clubkameraden aus Magdeburg, aber als man daran ging, einen neuen Schwimmverband zu gründen, hielt er sich fern. Er lebte schließlich in Stuttgart, wo er auch starb. Er folgte seinem Bruder Joachim, der zuletzt einen Kiosk in der Dortmunder Westfalenhalle betrieb. Der Sohn von Erich Rademacher, Ulrich, gewann zwischen 1954 und 1958 elf deutsche Meisterschaften im Brustschwimmen und stellte 37 deutsche Rekorde auf.

Die Geschichte der Familie Rademacher steht für viele andere in der ersten Hälfte des alten Jahrhunderts.

Ulrich Kaiser, Mai 2008

Literatur zu Erich Rademacher:

Wolfgang Pahnke/Norbert Heise, Schwimmen in Vergangenheit und Gegenwart. Magdeburg 1979


Weitere Mitglieder der Hall of Fame

Prof. Dr. Michael Groß

Mehr

Dr. Roland Matthes

Mehr

Prof. Dr. Klaus Steinbach

Mehr