Schwimmen
Schwimmen
Größte Erfolge:
Auszeichnungen:
1972 nimmt Klaus Steinbach an seinem ersten internationalen Großereignis teil. Mit der 4x200-Meter-Freistil-Staffel gewinnt er in München Olympia-Silber.
Bei den Olympischen Spielen in Montreal 1976 gewinnt Steinbach mit Bronze mit der 4x100-Meter-Lagen-Staffel seine zweite olympische Medaille.
1980 beendet Steinbach seine aktive Karriere in der er acht Welt- und neun Europarekorde aufstellen konnte.
Dem Sport bleibt er als Funktionär erhalten. Seit 1981 Mitglied im NOK führt er die deutschen Olympiamannschaften als Chef de Mission der Spiele 2000, 2004 und 2006 an.
In dieser Funktion führt Steinbach das NOK in die Fusion mit dem DSB zu dem 2006 gegründeten Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Um das vielseitige Leben des Klaus Steinbach zu erfassen, eignen sich besonders die Schwimm-Weltmeisterschaften 1978 in West-Berlin. Damals pendelte der Medizinstudent während der Titelkämpfe mit dem Flugzeug zwischen Saarbrücken und der noch geteilten Stadt. Er wollte zeitgleich im Studium und im Schwimmbecken erfolgreich sein. Das Kunststück gelang dem damals 24-Jährigen mit Bravour. Steinbach fügte seiner überaus reichen Medaillensammlung zwei Vizeweltmeisterschaften mit den 4 x 100 m Freistil- und Lagen-Staffeln hinzu und darüber hinaus eine Bronzemedaille über 100 m Freistil. Die ihm mindestens so wertvolle Zusatzmedaille errang er durch das bestandene Physikum. Unter dem Titel „Bärtiger verhöhnt die Glatzköpfe“ schrieb damals die „Welt“: Er ist alt und trainiert zu wenig, um schnell zu sein. Er konzentriert sich aufs Studium, nicht auf den Sport, verhöhnt mit seinem Vollbart künstliche Glatzköpfe im Wasser.“ Schon damals glaubten Eliteathleten, Haarlosigkeit an Kopf und Körper besorge Hundertstelsekunden Vorsprung.
Was so klang wie der Mangel an vollständiger Hingabe, war in der Realität der Übergang eines reichlich mit Talenten gesegneten Sportlers in ein weiteres Leben. Klaus Steinbach, der Schwimmer, glitt langsam hinein in das Leben eines Mediziners, das in das Parallel-Leben eines Sportfunktionärs mündete, besser ausgedrückt in das Leben eines Sport-Förderers. So kann man sagen: Klaus Steinbach hat als Schwimmer, Arzt und enger Begleiter des Sports drei Leben gelebt, die in einem großen Ganzen zusammengekommen sind. Dokumentiert am 7. April 2017 durch die Verleihung des Saarländischen Verdienstordens, der höchsten Auszeichnung des Bundeslandes. „Das hohe persönliche Engagement von Prof. Dr. Klaus Steinbach als renommierter Sportmediziner und als ehemaliger Spitzensportler ist beispielhaft“, lobte Annegret Kramp-Karrenbacher als Ministerpräsidentin des Saarlandes. Steinbach habe sich über viele Jahre ehrenamtlich für den Spitzen- und Breitensport und als Sportmediziner für Gesundheitsprävention und effektive Reha-Therapie eingesetzt.
Alles begann damit, dass Schwimm-Eltern in Kleve am Niederrhein ihren talentierten Sohn Klaus, wie auch ihre talentierte Tochter Angela, nach Saarbrücken in die „Max-Ritter-Schule“ schickten, eine Leistungssport-Zentrale des Deutschen Schwimm-Verbandes, die sehr früh in der Bundesrepublik zusammen mit dem Fechtzentrum in Tauberbischofsheim ein Beispiel setzte für eine umfassende Entwicklung von Talenten. Als der junge Klaus Steinbach bei den Olympischen Spielen in München 1972 bereits Sechster und Achter über 200 m und 100 m Freistil wird und mit der 200-m-Kraulstaffel sogar die Silbermedaille gewinnt, hat der Westen Deutschlands einen neuen Schwimmstar. Der sammelt weiter national und international Medaillen im Dutzend und schafft, zusammen mit Peter Nocke, gleichwertiger Konkurrent und Kumpel aus Wuppertal, Einmaliges: Weltmeister 1975 in der Prestigestaffel über 200 m Freistil mit dem Seriensieger USA im geschlagenen Feld. Klaus Steinbach wechselt mangels gleichwertiger Trainingspartner noch vor den Olympischen Spielen 1976 in Montreal, wo er mit der 4 x100 m Lagenstaffel Bronze gewinnt, zum SSF Bonn. Danach trainiert er sich vor allem selbst. „Ich bekam einen Studienplatz und musste sehen, was noch geht.“
Die WM in Berlin wird dann zum letzten Höhepunkt des 1,91 m großen, hoch talentierten Wassersprinters. Das olympische Karriere-Finale 1980 in Moskau fällt wegen des bundesdeutschen Boykotts aus, so dass Steinbach seine Medaillensammlung nicht erweitern kann: Neben olympischem Silber und Bronze 25 Mal Deutscher Meister, fünf Europatitel, viermal WM-Zweiter, acht Weltrekorde, neun Europarekorde. Als erster Schwimmer der Welt über 100m 1976 mit 49,78 Sekunden Unterbieter der magischen 50-Sekunden-Grenze, dies auf einer 25-m-Bahn. Dennoch galt Klaus Steinbach in der Öffentlichkeit als Unvollendeter, was das „Hamburger Abendblatt“ so beschrieb: „Schwimmen ist für ihn stets ein feuchtfröhliches Unternehmen, das Privatleben hat in der Vergangenheit keineswegs abseitsgestanden.“ Er habe seine großen Erfolge „nie mit außergewöhnlichem Trainingsfleiß erarbeiten müssen“. Steinbach entgegen, er habe sich den Leistungssport-Realitäten der 70-er Jahre anpassen müssen, nämlich der dualen Karriere eines reinen Amateurs, der nur durch die gerade erst ins Leben gerufene Stiftung Deutsche Sporthilfe Unterstützung erfuhr. Daraus sei die Notwendigkeit entstanden, sich parallel für einen Beruf auszubilden. Mit allen Zwängen und Kompromissen, „wenn die Karriere mit Lernen begleitet werden muss. Ich habe das höchst konsequent umgesetzt“, sagt Steinbach. Dazu gehörte die Begrenzung auf eine relativ kurze Karriere im Sport, die 1980 ihr erzwungenes Ende fand durch den bundesdeutschen Boykott der Olympischen Spiele in Moskau. „Ich bin nicht generell gegen Boykotte. Wenn Politik, Wirtschaft, Kultur und andere gesellschaftlichen Kräfte eingebunden sind, dann kann es Sinn machen. Nicht aber, wenn der Sport allein fernbleiben soll. Dann wird er zum Opfer.“
Einen Dauerschatten hat über Steinbachs Leistungssport-Jahrzehnt der wachsende Betrug durch Doping gelegt. Er habe seit den Spielen in München 1972 durch Gespräche mit DDR-Athleten gewusst, dass besonders bei den Schwimmerinnen anabol betrogen werde. „Sie konnten dadurch unwahrscheinliche Umfänge trainieren und wurden somit schier unschlagbar.“ Aus diesem Ohnmachtsgefühl gegenüber dem Betrug ist vor den Spielen in Montreal 1976 der viel kritisierte Versuch des Schwimmverbandes Deutschland West ableitbar, seine Spitzenathleten durch eine künstliche Darmgaserhöhung schneller zu machen. Entsprechende Versuche im vorolympischen Trainingslager in Calgary, die als „Darm-Doping“ Aufsehen erregten, führten jedoch nicht zu der erhofften besseren Wasserlage. Damit verbunden waren nicht endgültig abzuschätzende gesundheitliche Risiken. Steinbach ist heilfroh, dass dieses Manipulations-Experiment im Kampf der Systeme keine Anwendung im Wettkampf gefunden hat.
Verfestigt hat sich diese Einstellung durch sein Parallel-Leben als Mediziner, das ihm die Möglichkeiten und Begrenzungen menschlicher Leistungsfähigkeit und ihres Wiedererlangens gelehrt hat. Sein 1976 begonnenes Studium schloss er 1983 ab und promovierte 1986 bei dem langjährigen leitenden Olympiaarzt Professor Dr. Wilfried Kindermann an der Universität des Saarlandes. Das Thema fußte auf praktischen Erkenntnissen: „Aussagefähigkeit der Fahrradergometrie zur Leistungsdiagnostik im Schwimmen.“ Orthopädie und Sportrehabilitation wurden zum Hauptthema seiner Berufspraxis. Chefarzt-Positionen in Bad Urach an der orthopädischen Rehaklinik 1989 und ab 1992 bei den Hochwald-Kliniken in Weiskirchen/Saar folgten. Dort stieg er 1997 zum Ärztlichen Direktor auf. Kein schlechter Hintergrund für jemanden, der seine Talente, Erkenntnisse und Erfahrungen nun auch in die Organisation des Sports und die Fürsorge für den Sportler einbringen wollte. Der Einstieg in das Nationale Olympische Komitee gelang bereits 1981 durch eine Persönliche Mitgliedschaft. In der Stiftung Deutsche Sporthilfe machte er sich ab 1989 nützlich im Gutachterausschuss, später wurde er deren Aufsichtsrat. Die Olympischen Spiele 1996 in Atlanta erlebte er als Mannschaftsarzt des NOK. Klaus Steinbach war hineingewachsen in den deutschen Sport als Funktionsträger. Gewachsene Einsichten und ungestillter Kampfgeist führten 2002 zum Duell mit Walther Tröger um die Präsidentschaft des NOK. Der frische Herausforderer gewann die Abstimmung gegen den verdienten Altfunktionär mit 69:58.
Man wird seine vierjährige Amtszeit als einen Übergang bezeichnen können mit dem Versuch, Althergekommenes abzulösen und neue Formen des Führens und Förderns zu finden. Das Tröger-NOK und der von Manfred von Richthofen geführte Deutsche Sportbund (DSB) hatten sich zu konkurrierenden Organisationen entwickelt, die zum Teil gegeneinander agierten und getrennt bei der Bundesregierung antraten, wenn es um die finanzielle Unterstützung des deutschen Sports ging. Steinbachs Bemühungen um „mehr Transparenz und Kooperation“ zwischen NOK, DSB und Sporthilfe und die Umwandlung des olympischen Komitees in ein Dienstleistungsunternehmen wurden gehemmt durch Widerstände und Misserfolge. Steinbach sah sich, wie er es ausdrückte, konfrontiert von einer „extremen Verdichtung von Problemen“.
Dazu trug ein sehr aufwändiges, mit besten Absichten geplantes, aber wenig professionell durchgeführtes Auswahlverfahren unter fünf nationalen Bewerbern um Olympische Spiele 2012 in Deutschland bei. Hamburg belegte in einem Punktesystem nach Qualifikationen Platz eins. Doch als in einer finalen Präsentation vor der abstimmenden NOK-Mitgliederversammlung Leipzigs Bürgermeister Wolfgang Tiefensee die Delegierten mit einem Cello-Solo entzückte, wurde die Hansestadt zum Verlierer hinter der Sachsen-Metropole mit ihren knapp 500.000 Einwohnern. Das IOC befand Leipzig als viel zu klein für Olympia und schloss die Stadt von der Endausscheidung aus. Unglücklich und erfolglos verlief zudem der Versuch, die NOK-Zentrale von Frankfurt nach Berlin zu verlegen. Die Hauptstadt hatte die Organisation mit einer reizvollen Immobilie ins Regierungsviertel zu locken versucht.
Doch entscheidend für Steinbachs nur vierjähriges Wirken als olympischer Vorstand war schließlich der starke Einsatz von DSB-Präsident Richthofen und Thomas Bach, die beiden Sportorganisationen zu einem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zu vereinen. Gegen Bach wollte Steinbach „als Vernunftentscheidung“ nicht antreten. Ihm sei klar gewesen, dass Präsident eines Verbandes mit 27 Millionen Mitgliedern derjenige werden sollte, „der die größten Kapazitäten hat“. Steinbach zog sich als Mitglied verschiedener nationaler und internationaler Kommissionen in den Hintergrund zurück. Bach, der 2013 vom deutschen Sport als IOC-Präsident Abschied nahm, sieht in Steinbach einen „starken Förderer des Sports und der Gesundheit durch Sport“. Als herausragender Athlet habe er nach Abschluss der Karriere seine Fähigkeiten in den Dienst der Gesellschaft gestellt. Der private Steinbach hat dann mit den Jahren eine kleine Alterskarriere gestartet. Schwimmen nur noch, wenn er mal in Meeresnähe kommt. Dafür Fahrten mit Rennrad und Mountainbike pro Jahr bis zur 9000-Kilometer-Grenze und dabei auch das Erklimmen des Tour de France-Riesen Mont Ventoux - als eine Art Altersrekord.
Günter Deister im Juli 2018