Helmut Bantz

Turnen

  • Name Helmut Bantz
  • Sportart Turnen
  • Geboren am 14. September 1921 in Speyer
  • Todestag 3. Oktober 2004 in Pulheim bei Köln
  • Aufnahme Hall of Fame 2008
  • Rubrik Nach 1945

Mit einem Sprung in die Turngeschichte

Helmut Bantz schrieb bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne mit seinem überraschenden Sieg im Pferdsprung Turngeschichte. Mit einem stilreinen Hechtsprung flog der damals 35-jährige Kölner auf den Turnthron und wurde zum „tollen Hecht von Melbourne“. Schon 1952 in Helsinki war Bantz als Siebter im Mehrkampf bester deutscher Olympiaturner. 1960, mit 39 Jahren, qualifizierte er sich noch einmal als Ersatzmann für die Olympischen Spiele in Rom.

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Bantz erlebte als einer von ganz wenigen Deutschen auch die Sommerspiele 1948 in London. Als Kriegsgefangener wurde er zunächst Berater, dann Trainer der britischen Turnmannschaft. Bei der WM 1954 in Rom wurde er Zweiter im Pferdsprung und am Reck, bei der EM 1955 in Frankfurt Europameister am Barren. Mit 18 Deutschen Meisterschaften, vier EM- und drei WM-Medaillen sowie dem Olympiasieg im Pferdsprung gehört Bantz zu den erfolgreichsten deutschen Turnern aller Zeiten.

Nach der Karriere widmete er 35 Jahre seines Lebens Ehrenämtern auf Vereins- und Verbandsebene. Unter anderem war er Gründer und Vorsitzender der Turnabteilung der Uni Köln, Vorsitzender des Turngaus Köln und Oberturnwart im Rheinischen Turnerbund. Bantz, der sich immer für den Sport einsetzte, etablierte das Stützpunktsystem im Deutschen Turner-Bund, unterrichtete in Argentinien, Afrika und Asien und wirkte 31 Jahre als Diplomsportlehrer an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Helmut Bantz

Turnen

Größte Erfolge

  • Olympia-Gold im Pferd sprung 1956
  • Drei WM- und vier EM-Medaillen
  • Weltklasse als Mehrkämpfer
  • 18-facher Deutscher Meister

Auszeichnungen

  • Bundesverdienstkreuz am Bande
  • Silbernes Lorbeerblatt
  • Walter-Kolb-Plakette
  • Georg von Opel-Preis (1998)

Biografie

Wie lange dauert eigentlich so eine Übung der Turner am Langpferd? Der Anlauf vielleicht zwei Sekunden, der Sprung höchstens eine Sekunde. Wenn es vorbei ist, war es dann alles. Tausend Übungsstunden können ohne das erhoffte Ergebnis geblieben sein – vielleicht nur, weil der Athlet bei der Landung nach dem Sprung einige Zentimeter verpasste, um das Gleichgewicht zu halten. An diesem Tag flog Helmut Bantz über das künstliche Pferd hinaus – einen Moment lang hatte es den Anschein, als würde er mit den ausgestreckten Armen ewig so weiterfliegen. Bantz landete zum Turnergruß so fest, wie er es seit Kindesbeinen an geübt hatte. Die Richter gaben ihm 18,85 Punkte. Niemand wurde an diesem Gerät höher bewertet. Der Russe Valentin Muratow erhielt die gleiche Punktzahl und bekam ebenfalls die Goldmedaille. Helmut Bantz gewann an diesem Tag der Olympischen Spiele 1956 in Melbourne eine der ersten Goldmedaillen der Deutschen nach dem schrecklichen Krieg. Es war auch deshalb mehr als nur irgendein sportlicher Triumph.

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Man muss das erwähnen, denn Helmut Bantz war in diesen Tagen bereits 35 Jahre alt. Die Deutschen brachten die bei weitem älteste Riege mit nach Australien. Das war kein Wunder, denn man war dabei, die Folgen des Kriegs aufzuräumen. Helmut Bantz war 1944 in britische Kriegsgefangenschaft geraten. Die Bewacher wunderten sich über den jungen Mann, der die Zeit dazu nutzte, in körperlicher und geistiger Form zu bleiben. Man holte ihn zur Betreuung der britischen Riege für die Olympischen Spiele 1948 in London. Die Briten waren mit seiner Arbeit wohl zufrieden, denn man bot ihm an, bei der Eröffnungszeremonie der Spiele mit der Mannschaft der Gastgeber in das Stadion einzumarschieren. Bantz verzichtete auf diese Ehre – er wäre der einzige Deutsche dort gewesen, denn die Sportler aus seiner Heimat wollte man damals bei dieser Gelegenheit nicht sehen. Der Turner erzählte gern die Geschichte von der Hose der britischen Olympiamannschaft: „Sie hängt bei mir immer noch in einem Schrank herum!“

Bantz wurde so zu einem Botschafter für das neue Deutschland, wenn auch sicher¬lich zunächst gegen seinen Willen. Er war in Speyer in einer Familie groß geworden, in der der Sport eine gewichtige Rolle spielte. Der Vater war Vorsitzender des dorti¬gen Turnvereins – er war es denn auch, der den jungen Helmut an das Turnen her¬anführte, der eigentlich zunächst viel lieber Fußball gespielt hätte. Eine besondere Vorliebe entwickelte er für den Stabhochsprung und das Wasserspringen – beides Sportarten, bei denen die Beherrschung des Körpers eine große Rolle spielt.

In jenen Tagen beherrschten Russen und Japaner das Geschehen im Turnen – das sich übrigens längst nicht mehr als Lebensauffassung in der Prägung von Turnvater Jahn, sondern als Kunstturnen verstand. Helmut Bantz gehörte auch vor seiner Goldmedaille von Melbourne bereits zu den Besten der Welt. Er war bei den Olympi¬schen Spielen 1952 in Helsinki im Mehrkampf Siebter geworden, er wurde bei den Weltmeisterschaften 1954 jeweils Zweiter im Pferdsprung und am Reck. Das Ereig¬nis fand nur wenig Echo, denn am gleichen Tag gewann in Bern die deutsche Fu߬ballnationalmannschaft die Weltmeisterschaft, was damals alles andere in den Schatten stellte. 1955 wurde er Europameister am Barren. 1960 bei den Olympi¬schen Spielen in Rom war er als Ersatzmann dabei – man wollte auf den Rat des mittlerweile 39 Jahre alten Mannes nicht verzichten. Im Lauf der Jahre kamen insgesamt achtzehn deutsche Meisterschaften zusammen. Helmut Bantz beendete dann seine lange und so ereignisreiche Laufbahn als Aktiver.

Helmut Bantz hatte die Jahre auch zur weiteren Entwicklung seines Lebens nach dem Wettkampf genutzt. Er wurde Diplom-Sportlehrer und ließ sich an der Kölner Peripherie in Brauweiler-Pulheim nieder – zu einem Zeitpunkt, als das Land zum Bau eines Hauses noch erschwinglich war. Er arbeitete an der Deutschen Sporthochschule in Köln und entwickelte unter anderem Konditionslehren für Fußballtrainer. Viele prominente Namen aus dieser anderen Branche bezogen ihr Wissen über den Turn-Olympiasieger – Leute wie Heynckes, Ribbeck, Netzer. Zusammen mit dem Fußballtrainer Hennes Weisweiler entstanden Bücher, die als Grundstock bei der Ausbildung galten. Es war nur selbstverständlich, dass man seine Erfahrung und Mitarbeit auch als Funktionär suchte. Bantz war eineinhalb Jahrzehnte Oberturnwart im Rheinischen Turnerbund, Präsidiumsmitglied, schließlich Ehrenmitglied und mit hohen Ehrungen. In Speyer, seiner pfälzischen Heimat, wurde eine Sportanlage nach dem großen Sohn benannt. Einer, der ein Leben gelebt hatte, wie man es sich nur wünschen kann.

Zu diesem Leben gehörten aber auch Schläge: Da war kurz vor den Olympischen Spielen in Rom 1960 eine Sperre für ein halbes Jahr, die der Deutsche Turner-Bund aussprach. Man warf Helmut Bantz vor, dass er mit seiner öffentlichen Kritik an der Schulung der deutschen Spitzenturner „die innere Ordnung des Deutschen Turner-Bundes gestört“ habe. Nicht nur bei den Turnern, sondern auch in der gesamten Öffentlichkeit entwickelte sich ein Proteststurm, den vorher wohl niemand erwartete. Dem massiven Druck gab der Verband schließlich nach. Die Sperre wurde mit sofortiger Wirkung aufgehoben und man nominierte ihn sogar für die Olympischen Spiele des Sommers 1960 in Rom.

Bantz entwickelte während seiner Arbeit bei der Deutschen Sporthochschule in Köln eine ganze Reihe von Schriften und Trainingslehren, die bis in diese Tage zum Standard der Studenten gehören. Er unterrichtete in Süd- und Nordamerika, in Afrika und in Asien, wo er seinen Anteil an den internationalen Erfolgen der Turner hatte. Wenn man so will: Die Japaner, Chinesen oder Koreaner, die Jahrzehnte später die Weltklasse beherrschten, erhielten ihren Grundstock, als der Deutsche ihnen seine Vorstellungen und Lehren vermittelte.

Er war mit der beneidenswerten Fähigkeit gesegnet, aus nahezu jeder Lebenslage das Beste zu machen. Er verband die Heiterkeit der Pfälzer mit der Fröhlichkeit der Rheinländer. Er war angeblich keiner von den Trainingsfleißigen und ein hohes Be¬wegungsgefühl ersetzte die Fron des ewigen Übens. Man sollte dabei auch die Tatsache erwähnen, dass es in Deutschland noch nicht so sehr viel zu feiern gab. Die Fußballspieler mit ihrem „Wunder“, die Springreiter, einige Schwimmer, wenige Leichtathleten – das war´s schon. Der Gewinn einer olympischen Goldmedaille im Turnen galt sehr viel mehr als ein halbes Jahrhundert später.

In Pulheim-Brauweiler, dem so genannten „Speckgürtel“ von Köln, lebte der pensio¬nierte Hochschullehrer in einer Straße, an deren Benennung Helmut Bantz nicht un¬schuldig war – der Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße. Er lebte hier mit Frau, zwei Töch¬tern, einem Sohn. Der eher kleine Mann mit der spitzen Nase und der dicken Horn¬brille, die er früher sogar bei Wettkämpfen mit einem Klebestreifen an der Schläfe befestigt trug, hatte es in seinen letzten Jahren nicht leicht, die Fröhlichkeit zu be¬halten. Krankheiten plagten ihn, das Herz, der Rücken, schließlich die erste Amputa¬tion des Unterschenkels, dann eine weitere Operation am anderen Unterschenkel. Als er im Oktober 2004 nach langer Krankheit starb, war er 83 Jahre alt.

Ulrich Kaiser, Mai 2008

Literatur zu Helmut Bantz:

Helmut Bantz: So weit war mein Weg. Frankfurt/M., 1958


Weitere Mitglieder der Hall of Fame

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