Helmut Schön

Fußball

  • Name Helmut Schön
  • Sportart Fußball
  • Geboren am 15. September 1915 in Dresden
  • Todestag 23. Februar 1996 in Wiesbaden
  • Aufnahme Hall of Fame 2008
  • Rubrik 70er Jahre

Trainer der Fußball-Weltmeister 1974

Helmut Schön stand für die größte Ära des deutschen Fußballs und war der weltweit erfolgreichste Fußball-Nationaltrainer nach dem Krieg: Weltmeister 1974, Europameister 1972, WM-Zweiter 1966, WM-Dritter 1970, EM-Zweiter 1976.

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Schön war lange Zeit der einzige Fußballtrainer, der Welt- und Europameister wurde. Im Jahr 2012 zog der spanische Trainer Vicente del Bosque Gonzáles mit ihm gleich. Von 1964 bis 1978 gab es in 139 Spielen unter der Regie von Schön 87 Siege, 30 Unentschieden und nur 22 Niederlagen. In seine Amtszeit fallen auch die ersten Siege gegen England (1968, 1:0) und Brasilien (1968, 2:1). Schön war Trainer bei zwei der dramatischsten Fußballspiele der Nationalelf: 1966 verlor seine Mannschaft im WM-Endspiel gegen England nach dem umstrittensten Tor der Fußballgeschichte („Wembley-Tor“) mit 2:4 nach Verlängerung. 1970 verlor Deutschlandgegen Italien mit 3:4 nach Verlängerung im Halbfinale der WM in Mexiko. Nur der Abschied mit dem „Waterloo von Cordoba“, dem 2:3 gegen Österreich bei der WM 1978 in Argentinien, trübte ein wenig seine einmalige Erfolgsbilanz. Als Bundestrainer bewies Schön vor allem auf psychologischem Gebiet großes Geschick. Er übertrug das neue Demokratieverständnis auf den Fußball und räumte seiner Mannschaft bis dahin ungewohnte Mitspracherechte ein.

Helmut Schön

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Größte Erfolge

Größte Erfolge als Trainer:

  • Weltmeister 1974
  • WM-Zweiter 1966
  • WM-Dritter 1970
  • Europameister 1972
  • EM-Zweiter 1976

Größte Erfolge als Spieler:

  • 16 Länderspiele (17 Tore)
  • zweimal Deutscher Meister (Dresdner SC, 1943/44)
     

Auszeichnungen

  • FIFA-Orden (1984)
  • DFB-Ehrenmitglied (1980)
  • Großes Bundesverdienstkreuz (1974)

Biografie

Helmut Schön war und ist heute noch, Jahre nach seinem Tod, der erfolgreichste Fußball-Nationaltrainer der Welt: Zweiter der Weltmeisterschaft 1966, Dritter der Weltmeisterschaft 1970, Weltmeister 1974, Europameister 1972, Zweiter der Europameisterschaft 1976.

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Die von ihm geführten deutschen Nationalmannschaften haben wahrhaft historische Fußballschlachten geschlagen wie nach dem Vorbild des „Wunders von Bern“, das Schön als Assistent Sepp Herbergers miterlebt hatte: Das denkwürdige WM-Finale 1966 im Londoner Wembley-Stadion gegen England mit dem legendären „Wembley-Tor“ zum 2:3 und der unglücklichen 2:4-Niederlage in der Verlängerung. Die beiden Dramen – erneut jeweils in einer halbstündigen Zwangszugabe – der Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko, erst wiederum gegen England (3:2), dann gegen Italien (3:4) im so genannten Jahrhundertspiel. Der erste deutsche Sieg (3:1) in Wembley gegen England in der EM-Qualifikation 1972, das als das brillanteste Spiel einer deutschen Nationalmannschaft in ihrer hundertjährigen Geschichte gilt. Schließlich der WM-Titel 1974 in München durch einen glücklichen Zittersieg (2:1) über die stärkeren Holländer.

Die Nüchternheit seiner Gefühle und Gedanken im Moment des größten Triumphes hat Helmut Schön in seiner Autobiografie beschrieben: „Neben mir sprangen alle von der Bank auf. Wie erschlagen, völlig benommen blieb ich für ein paar Augenblicke sitzen. Das war es also. Der Lohn der Arbeit in all den Wochen. Kein überschwängliches Gefühl, keine wilde Begeisterung, kein: ‚Der Traum meines Lebens ist in Erfüllung gegangen’. Nein – das ist das Merkwürdige an der menschlichen Natur –, es war nur, als wenn man abschließend sagt: ‚So’."

So. Was für ein Mensch steht neben all diesen Triumphen und Dramen, neben dieser so eindrucksvollen Erfolgsbilanz und der imponierenden Statistik von 139 Länderspielen, 87 Siegen, 30 Unentschieden, 22 Niederlagen? Bis zum wahren Ich dieses charismatischen Bundestrainers von 1964 bis 1978 drangen selbst die renommiertesten Autoren jener Zeit nicht vor, die Blickensdörfers, Fuchs', Schröders und Vettens. Sie wussten nicht so recht, wie sie diesen dünnhäutigen Schöngeist auf dem drittwichtigsten Posten der Republik nach Bundespräsident und Bundeskanzler einschätzen sollten. Horst Vetten kapitulierte: „Schöns Bild in der Geschichte gerät immer wieder zur Wackelaufnahme. Er ist komplizierter, als ein Fußballtrainer eigentlich sein darf.“

Der sensible Sachse galt als verkannter Intellektueller, der anspruchsvolle Literatur liest und klassische Musik hört. Der Mann passte in kein Kicker-Klischee, eher schon in die Galerie sächsischer Kulturgrößen. August der Starke. Helmut der Sanfte. Die Tatsache, dass der gebürtige Dresdner eine großartige Karriere als Fußballspieler hinter sich hatte, hinderte andere nicht daran, sich permanent für klüger zu halten. Schön hatte es trotz seiner Erfolge stets mit Millionen Besserwissern und ewigen Nörglern zu tun, angeführt von der Bild-Zeitung: „Lasst doch mal den Merkel ran.“

Bereits mit 17 Jahren spielte der Sohn eines Dresdner Kunsthändlers in der ersten Mannschaft des Dresdner SC, mit 18 wurde er von dem damaligen Reichstrainer Otto Nerz zu einem Lehrgang eingeladen, mit 22 bestritt er das erste von 16 Länderspielen, in denen er 17 Tore schoss. Je zweimal wurde er mit dem DSC deutscher Pokalsieger (1940 und 1941) und deutscher Meister (1943 und 1944). Wenn es dennoch schwer fiel, in Helmut Schön einen kernigen Fußballer zu sehen, sondern eher einen nachdenklichen Professor, so war dies auf seine optische Wirkung zurückzuführen. Der Spiegel-Autor Hermann Schreiber beschrieb das Erscheinungsbild aus der Distanz des „Nicht-Fußball-Journalisten“ einmal am treffendsten: „Er sieht so aus, als ob er wäre, was er eigentlich hat werden wollen: ein Chirurg. Aber er ist es nicht. Er sieht nicht aus, als gehöre dem Fußball sein Leben, als bewege ihn ernsthaft die Frage, wer wann wie viele Tore geschossen habe. Und sie bewegt ihn doch.“

Edgar Fuchs fand, Schön passe in die Fußball-Landschaft „wie die Zugspitze in die Lüneburger Heide“. Und das sei „nicht schlecht für diesen Sport, dass es einen gibt, den keiner mit ‚Hennes’ oder ‚Tschik’ anredet. Sondern mit Herr Schön.“ Und einem Herrn klopft man nicht kumpelhaft auf die Schulter wie später seinem Nachfolger Derwall („Ich bin der Jupp“). Nur einem Agentur-Reporter im ständigen Journalisten-Tross der Nationalmannschaft war es vorbehalten, Schön zu duzen. Keiner wusste so recht, wie dieses Duz-Verhältnis hatte entstehen können. Jedenfalls war es dem Bundestrainer sichtlich unangenehm, wenn auf Pressekonferenzen nach den Anreden „Herr Schön“ sich besagter Duzer zu Wort meldete: „Helmut, du...“

Schön wurde immer wieder sein Glück vorgehalten, als wäre Fortune etwas Verwerfliches. Schön hat sich nicht mit dem „Glück des Tüchtigen“ dagegen gewehrt. Er wusste: Es ist ein Glücksfall und er ist ein Glückspilz, dass nach Fritz Walter die Ikonen des deutschen Fußballs – auch noch aus heutiger Sicht – seinen Erfolg erst ermöglichten: Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Gerd Müller. Dazu gesellten sich noch Wolfgang Overath und Günter Netzer.

Viel über Charakter sagen Spitznamen aus. Die Berner Weltmeister nannten Sepp Herberger, Schöns Vorgänger, respektvoll „Muckel“ oder „Chef“. „Muckel“ stand anerkennend für listiges Schlitzohr, „Chef“ für akzeptierte Autorität. Helmut Schön hatte keinen charakterisierenden Spitznamen. Die Spieler nannten ihn „der Lange“. Aber diese Namensgebung sagte nur etwas über die körperlichen Maße (1,89 Meter) aus, so wie „der Mann mit der Mütze“ nur etwas über seine Kopfbedeckung.

Die Journalisten hatten vierzehn Jahre lang ein diffiziles Verhältnis zu Helmut Schön. Und das war weitgehend geprägt von dessen permanentem Misstrauen, von einer Aura der Überverletzlichkeit gegenüber dem Gros der deutschen „Märchenerzähler“, wie er sie im Zorn schon mal abfertigte. Er horchte auf den kleinsten Zwischenton der Kritik. Das Porträt eines Journalisten, auch vom Autor dieses Textes, der Helmut Schön schon von der Zeit als Assistent Herbergers bis zum Rücktritt nach dem WM-Debakel 1978 in Argentinien begleitete, wird also immer subjektiv ausfallen.

Denn Schön konnte gegenüber einzelnen Journalisten auch ein sehr umgänglicher, überaus netter Mensch sein. Dann steckte er einem schon mal: „Sie können in Ihrer Zeitung ruhig schreiben: der Bernd (Hölzenbein) und der Jürgen (Grabowski) spielen.“ Wer den Vater eines promovierten Lehrers für Physik und Mathematik (Dr. Stephan S.) in seinem Fertighaus in einem ruhigen Wiesbadener Vorort besuchte, traf einen ganz anderen Mann als im Mannschaftsquartier, einen, der sich seine Selbstironie und seinen Humor bewahrte, der gescheit über Gott und die Welt reden konnte, der mit Frau Annelies eine deutsche Musterehe führte. Würden alle Damen, die das Glück hatten, mit Helmut Schön zu plaudern, ein gemeinsames Porträt verfassen, würden sie ihn als amüsanten Erzähler bezeichnen, als charmanten Unterhalter mit einem gottgegebenen Humor, als Kavalier der alten Schule.

Ausländische Journalisten, britische vor allem, bestätigten damals das durch und durch positive Bild der Damen. Schön sei ein „liebenswürdiger Mann“. Es gäbe keinen konzilianteren Trainer und Gesprächspartner als Helmut Schön. Die Spieler schließlich, jene Zeitgenossen also, mit denen Schön am häufigsten zu tun hatte, sagten, er sei so übel gar nicht. Er sei ein guter Coach. Einen besseren müsse man erst einmal finden. Franz Beckenbauer sagte Helmut Schön nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1974 öffentlich Dank: „Er hat uns glänzend gemanagt.“ Schön und der gereifte Beckenbauer ergänzten sich ideal. Der Kapitän riet dem Trainer 1974, bis 1978 im Amt zu bleiben. Beckenbauer aber wechselte 1977 in die amerikanische Operetten-Liga. Schön war 1978 bei seiner vierten WM in Argentinien erstmals allein, ohne eine starke Persönlichkeit wie Uwe Seeler und Franz Beckenbauer als Vertrauten an seiner Seite. Berti Vogts war jetzt sein Kapitän auf einer umstrittenen Position in der deprimierenden Abgeschiedenheit von Ascochinga. Schön war ratlos. Die Schlussfrage nach fast jeder Mannschaftssitzung klang Hilfe suchend. „Berti, hast du noch etwas?“

Als Hans Krankl in Cordoba in der 88. Minute das Siegtor Österreichs zum 3:2 schoss, „brach für mich in diesem Augenblick eine Welt zusammen“, wie Helmut Schön in seinem „Tagebuch Argentinien 1978“ schrieb. „Ich hatte mir den Abschluss meiner Laufbahn anders vorgestellt. Das Spiel um den dritten Platz, gegen Brasilien, das war mein Traum.“ Dabei war Helmut Schön wahrlich kein Träumer.

Hartmut Scherzer, Mai 2008

Literatur zu Helmut Schön:

Helmut Schön: Fußball. Erinnerungen. Berlin 1978
Folke Havekost, Volker Stahl: Helmut Schön. Der Mann mit der Mütze. Kassel 2006
Bernd-M. Beyer: Helmut Schön. Eine Biografie. Göttingen 2016


Weitere Mitglieder der Hall of Fame

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