Fußball
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Mit der Nationalmannschaft:
Mit dem FC Bayern München:
1974: Maier holt mit dem FC Bayern neben der Deutschen Meisterschaft auch den Sieg im Europapokal der Landesmeister.
Nach dem Ende seiner aktiven Karriere fungiert Maier als Torwart-Trainer der deutschen Nationalmannschaft.
Er wurde zum „Torwart des Jahrhunderts“ in Deutschland gewählt, und das zu Recht. An großen Torhütern hat es im deutschen Fußball nie gemangelt. Aber keiner war so beständig brillant und auf den Punkt verlässlich wie Sepp Maier. Das Spiel seines Lebens sah ihn in der Form seines Lebens, im WM-Finale 1974 in München gegen die Niederländer, die das deutsche Tor in der zweiten Halbzeit vergeblich belagerten. Von den dreizehn Endspielen seiner Karriere verlor er nur eins. Um Maier darin zu schlagen, war ein anderes Schlitzohr nötig: der Tscheche Antonin Panenka, der einen ganz neuartigen Elfmeter erfand. Er überraschte Maier im EM-Finale 1976 mit einem Schlenzer in die Mitte des Tores.
Keiner im Kasten hatte einen so einen kauzigen Humor wie die „Katze von Anzing“. Einem Journalisten schmuggelte er einen Ziegelstein statt der Schreibmaschine in den Beutel. Dem verblüfften DFB-Masseur Adi Katzenmaier hoppelte dank Maier kurz vor der WM 1990 ein Hase aus der Tasche, als er sie zur Behandlung eines Spielers auf dem Rasen öffnete.
Die Ausstellung in der „Erlebniswelt“, dem Klubmuseum des FC Bayern, anlässlich seines 70. Geburtstages, trug den passenden Titel für einen Mann mit so vielen Talenten: „Torwart, Tüftler, Tausendsassa“. Um ein guter Torwart zu werden, musste er auch ein guter Tüftler sein. In seinen frühen Tagen gab es noch keine professionellen Torwarthandschuhe. Mit bloßen Händen aber waren die Bälle, erst aus Leder, dann aus Kunststoff, gerade bei Nässe nur schwer festzuhalten.
So experimentierte Maier als einer der ersten seines Fachs mit selbst geklebten und genähten Weichschaumhandschuhen. „Alle Torhüter heute“, sagt er, „sollten mir dankbar sein, wenn sie die Bälle festhalten“. Auch seine Trikots ließ er sich selber nähen. Er trug sie stets ohne Aufkleber für Sponsor, Verein oder Verband, so dass im WM-Finale 1974 nicht mal der DFB-Adler das blaue Torwarthemd zierte.
Maier begann als Stürmer und hätte vielleicht auch in dieser Rolle groß rauskommen können, wie er behauptet – hätte er nicht ausgerechnet bei einem Jugendspiel seines Heimatvereins TSV Haar gegen den FC Bayern den verletzten Torwart vertreten müssen. Er tat es so gut, dass der Jugendtrainer der Bayern ihn an die Säbener Straße holte.
Der Rest ist Geschichte. Die Mannschaft, deren Kern aus echten Bayern wie Franz Beckenbauer, Hans-Georg Schwarzenbeck, Paul Breitner, Franz Roth, Sepp Maier bestand und dazu den aus dem nahen Schwäbischen herübergeholten Gerd Müller und Uli Hoeneß, wurde die beste Europas. Sie war das Gerippe des legendären Nationalteams, das 1972 die Europameisterschaft und zwei Jahre später den WM-Titel gewann – und legte das Fundament für den Aufstieg des FC Bayern zu einem der großen Fußballklubs der Welt.
Maier war stets beides: Stimmungs- und Sportskanone. Ein Mehrfachbegabter, der auch mit kleineren Bällen umzugehen versteht. Als Jungsenior wurde er nach der Fußballkarriere mit dem TC Hasenbergl viermal deutscher Tennismeister und betrieb fast vierzig Jahre lang eine Tennisanlage in Anzing. Als Golfer kommt er noch jenseits des 70. Geburtstags auf ein Handikap von 6,5. Im Winter liebt er das Skifahren im Tiefschnee. Im Sommer geht er mit seiner Frau auf lange Hochgebirgstouren.
Turner war er auch, ein begabter sogar als Kind, bis er sich für Fußball entschied. Er hat die Geschmeidigkeit des Turners mit ins Tor gebracht. In der unverwechselbaren Art, wie er sich katzenhaft in Schüsse warf und krakenartig Flanken vom Himmel saugte, wurde er Welt- und Europameister, gewann je vier Europapokale, Meisterschalen und DFB-Pokale mit den Bayern. Dreimal bekam er die Auszeichnung als „Fußballer des Jahres“, nur Beckenbauer bekam sie noch einmal öfter. Das Unglaublichste aber sind Maiers 442 Bundesligaspiele am Stück, dreizehn Jahre, ohne eine Partie zu verpassen – ein Rekord für die Ewigkeit.
Es wären noch mehr geworden, wäre Maier nicht 1979 mit dem Auto in einem Wolkenbruch in den Gegenverkehr gerutscht. Er kam knapp mit dem Leben davon, kassierte eine Million Mark aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung als Sprungbrett in den Ruhestand und stand, abgesehen von zwanzig Minuten in seinem Abschiedsspiel, nie wieder in einem Fußballtor. Es folgten fast zwanzig Jahre als Torwarttrainer bei den Bayern und im Nationalteam, wo er 2004 im Streit mit Bundestrainer Jürgen Klinsmann ausschied.
Acht Weltmeisterschaften hat er erlebt, vier als Torwart, vier als Torwarttrainer. Am schönsten fand er die in Italien 1990, die mit dem Finalsieg von Rom gekrönt wurde. Die Aufnahmen, die der Hobbyfilmer Maier während der WM im deutschen Lager machte, waren 2012 die Attraktion des Fußballfilm-Festivals „11 Millimeter“ in Berlin. Das Publikum war begeistert von diesem Fund.
Langweilig war er nie, der Maier Sepp. Schon als Torwart hielt er sein Publikum, wenn im Spiel nichts Aufregendes passierte, eben auf andere Weise bei Laune. Einmal jagte er im Hechtsprung einer Ente nach, die sich auf den Rasen des Münchner Olympiastadions verirrt hatte. Er trat als Karl Valentin auf und als Spaßvogel in TV-Sketchen. Selbst mit 65, im Rentner-Alter, war er noch für die große Show zu haben. Mit Florian Silbereisen ging er im „Überraschungsfest der Volksmusik“ auf Deutschland-Tour. Er trat dabei als Zauberer auf, ließ Frauen und eine Ente verschwinden. Und war Gesangspartner von Wencke Myhre, wenn sie ihren Hit aus alten Zeiten anstimmte, einen Titel, der wie für Sepp Maier gemacht war: „Er steht im Tor“.
Christian Eichler, Mai 2014
Literatur zu Sepp Maier:
Sepp Maier: Ich bin doch kein Tor. Hamburg 1980.
Sepp Maier/Edwin Klein: Wer mit dem Ball tanzt... Hamburg/Wien 2000.