Willi Weyer

  • Name Willi Weyer
  • Geboren am 16. Februar 1917 in Hagen
  • Todestag 25. August 1987 in Juist
  • Aufnahme Hall of Fame 2008
  • Rubrik Gestalter & Denker

Sportpolitiker – stärkte den Stellenwert des Sports

Willi Weyer, als FDP-Politiker Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, stärkte den Stellenwert und die gesellschaftliche Akzeptanz des Sports.

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Während seiner Zeit als Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB) von 1974 bis 1986 stieg die Mitgliederzahl von 13 auf 19 Millionen. Mit verantwortlich war die unter Weyer weitergeführte Trimm-Dich-Aktion. Die Breitensportkampagne brachte Millionen Menschen zu Bewegung und Sport. Weyer selbst sah in der Öffnung der Vereine für den Trimmsport den größten Erfolg seiner Amtszeit. Als DSB-Präsident intensivierte der frühere Wuppertaler Sportdezernent auch die Sportbeziehungen mit der DDR und der Sowjetunion und bewirkte ein Zusammenrücken des organisierten Sports. Weyer verzichtete auf die Bundeszuschüsse zu den Personal- und Sachkosten des DSB (jährlich 3,5 Mio. D-Mark) und wahrte so die Unabhängigkeit des Sports. Nicht nur im DSB, auch in 30 Jahren als Präsident des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen (1957 bis 1987) hat Weyer Spuren hinterlassen, insbesondere in der Förderung des Breitensports.

Willi Weyer

Ämter im Sport

  • Präsident Deutscher Sportbund (1974 bis 1986)
  • Präsident Landessportbund Nordrhein-Westfalen (1957 bis 1987)
     

Größte Erfolge & Auszeichnungen

Größte Erfolge:

  • Verhalf der Trimm-Aktion des Deutschen Sportbunds zum Durchbruch
  • 6 Millionen neue Mitglieder während seiner Präsidentschaft von 1974 bis 1986


Auszeichnungen:

  • Großes Bundesverdienstkreuz
  • Ehrenbürger der Deutschen Sporthochschule Köln (1987)
  • Ehrendoktor der Deutschen Sporthochschule Köln (1973)
  • Namensgeber für Landessportschule in Nordrhein-Westfalen
  • Namensgeber für Schwimmbad in Hagen

Biografie

Willi Weyer war einer der großen Gestalter des Sports in der alten Bundesrepublik. Zwischen 1974 und 1986 formte der Westfale vom Jahrgang 1917 den Deutschen Sportbund (DSB) zu einer prägenden Organisation der Gesellschaft. Zu Recht haftete dem überzeugten Liberalen, dessen Eintritt in die NSDAP als Zwanzigjähriger wegen eines Studienplatzes milde zu beurteilen ist, das Prädikat „politischer Präsident“ wie ein Ehrenzeichen an. Aus dem Vollblutpolitiker, der verschiedene Ministerien in Nordrhein-Westfalen bekleidete, zeitweise als stellvertretender Ministerpräsident fungierte und der sozialliberalen Koalition im Bund den Weg bereitete, wurde der Vollblut-Sportpolitiker.

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Der Spitzenmann der FDP, der vor dem Krieg Jura und Volkswirtschaft studiert hatte und Assistent an der Akademie für Deutsches Recht war, entwickelte von 1957 bis zu seinem Tode im Jahre 1987 den Landessportbund (LSB) Nordrhein-Westfalen zum vorbildlichsten LSB im Lande. Er schuf modellhaft Einrichtungen wie ein Bildungswerk, einen Reisedienst für die Sportjugend und ein Sozialwerk mit einem eigenen Krankenhaus für Sportverletzte.

Der Hagener, der in seiner Heimatstadt Anfang der fünfziger Jahre stellvertretender Oberbürgermeister war und seinem Geburtsort stets eng verbunden blieb, kam erst nach einem schweren Rückschlag an die Spitze des DSB. 1969 führte Weyer als einer von fünf Vizepräsidenten den DSB geschäftsführend. Denn der erste DSB-Präsident Willi Daume musste sich als Vorsitzender des Organisationskomitees in erster Linie um die Vorbereitung der Olympischen Spiele von München 1972 kümmern. So schien folgerichtig sein Stellvertreter in die ehrenamtliche Spitzenposition nachzurücken. Sensationell wurde ihm aber beim DSB-Bundestag 1970 in Mainz Dr. Wilhelm Kregel, Präsident des Landgerichts Verden und Präsident des einflussreichen Deutschen Turner-Bundes, vorgezogen. Eine überhitzte Kampagne der Medien zugunsten von Weyer hatte Hermann Neuberger, den machtbewussten Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), auf den Plan gerufen, der das umfangreiche Stimmenpaket des DFB für Kregel in die Waagschale warf.

Vier Jahre später zog der Verlierer in Essen triumphal in das Amt ein. Nach Jahren, in denen der DSB mehr verwaltet als gestaltet worden war, verlieh der neue Präsident dem Deutschen Sportbund wieder eine vernehmbare Stimme in der Öffentlichkeit. Willi Weyer, der das Leben in vollen Zügen lebte, füllte mit seiner Statur von 110 Kilo Körpergewicht und 1,90 Meter Größe, vor allem aber mit seiner kraftvollen Persönlichkeit noch jeden Raum aus. Der frühere Wasserball-Torwart von Hagen 94 und Spitzenschwimmer (zweimal Zweiter der Studenten-Weltmeisterschaft), der als Flaksoldat aus amerikanischer Gefangenschaft geflüchtet war, indem er den Rhein bei Koblenz durchschwamm, brauchte nicht zu antichambrieren. Die Türen am Regierungssitz taten sich wie von selbst vor ihm auf.

Auch wenn Weyer formulierte „Sport ohne Leistung ist Kappes“, sah er doch im „Sport für alle“ seinen Traum, zu einem menschlicheren Leben beizutragen. Die Öffnung der Vereine für den Trimm-Sport, den einst DSB-Geschäftsführer Jürgen Palm „erfunden“ hatte, stellte in seinen Augen den größten Erfolg seiner Amtszeit dar. Auf diese Weise wuchs im Rahmen einer „sozialen Offensive“ unter seiner Ägide der DSB von 13 auf 19 Millionen Mitglieder. Manchmal laut, selten leise, attackierte er die politisch Verantwortlichen, wenn sie wieder einmal ihre Versprechen aus Sonntagsreden nicht eingehalten hatten. Temperamentvoll wandte sich der Vater einer Tochter und zweier Söhne dagegen, dass Sportlärm in Gerichtsurteilen mit Industrielärm gleichgesetzt wurde: „Eine Gesellschaft, die Kinderlärm nicht erträgt, ist eine tote Gesellschaft.“ Er wehrte sich gegen die rüde Behandlung der Vereine durch die Finanzbehörden: „Die Vereine dürfen nicht wegen unzureichender Steuerbestimmungen kriminalisiert werden.

Der selbstbewusst auftretende, gleichwohl sensible Kunstkenner und Literaturfreund, der sich beim Klavier spielen zu entspannen pflegte, kämpfte vehement gegen die „Werbung am Mann“. Das mutet heute ein wenig weltfremd an. Weyer akzeptierte Werbung, wollte aber nicht hinnehmen, den Athleten als Sandwichman missbrauchen zu lassen. Ein durchaus berechtigtes Bedenken, über das inzwischen die Walze der Kommerzialisierung hinweggerollt ist. Der freiheitsliebende Weyer, der stets um die Unabhängigkeit des Sports besorgt war, löste 1977 den DSB aus der institutionellen Förderung durch den Bund heraus. Der Verzicht auf jährlich 3,5 bis 3,8 Millionen Mark konnte damals durch die reich sprudelnden Erlöse aus der Lotterie Glücksspirale ausgeglichen werden.

Passend zur Ostpolitik der damaligen Bundesregierung erreichte der DSB-Präsident zur gleichen Zeit nach jahrelangen Verhandlungen den Abschluss eines Protokolls über Sportbeziehungen mit der Sowjetunion. Seine Bemühungen, „die Bilanz des Missvergnügens“ im innerdeutschen Sport zu revidieren, blieben ohne nachhaltige Wirkung. Sein Appell zur „Kooperation statt Konfrontation“ trug jedoch zum Klimawandel im gespaltenen europäischen Sport bei.

Umstritten bleibt die Rolle des dritten DSB-Präsidenten beim Olympiaboykott der Moskauer Spiele von 1980. Zuerst trat er für einen Start der Athleten in der Sowjetunion ein und forderte: „Der Sport darf nicht zum Knüppel der Machtpolitik werden.“ Dann beugte er sich unter dem Einfluss seines DSB-Generalsekretärs Karlheinz Gieseler, mit dem er kongenial zusammen arbeitete, dem Druck aus Bonn. Als Weyer sah, dass fast alle westeuropäischen Staaten entgegen der Absprache ihre Sportler nach Moskau schickten, bedauerte er seine Fehleinschätzung. Seitdem war sein Verhältnis zum NOK-Präsidenten Willi Daume, der mit aller Kraft gegen den Boykott gestritten hatte, belastet. Der Versuch des Schwimmer-Präsidenten Harm Beyer, Weyer wegen seiner Haltung im Herbst des gleichen Jahres beim DSB-Bundestag in Bremen zu stürzen, scheiterte aber grandios. Dazu war die Beliebtheit des Westfalen, der an feuchtfröhlichen Abenden seine Funktionärskollegen durch seinen freundschaftlichen Umgang für sich einnahm, zu groß. Der Mann mit der unvermeidlichen Zigarre, der mit vier, fünf Stunden Schlaf vollständig regenerieren konnte, musste freilich seine Fähigkeit zur Integration ausspielen, um die wegen des Boykotts zerstrittenen Gruppierungen des (bundes-deutschen Sports wieder zusammen zu führen. Das ist ihm wie vieles andere gelungen.

Weyer ist niemals ein Visionär der großen Entwürfe gewesen wie Willi Daume. Vielmehr hat er als Macher auch die Sportpolitik pragmatisch als die Kunst des Möglichen verstanden. Für ihn war es bitter, sich 1986, ein knappes Jahr vor seinem Tod beim Strandspaziergang auf seiner geliebten Nordsee-Insel Juist, aus gesundheitlichen Gründen als DSB-Präsident zurückziehen zu müssen. Die Verpflichtung, die er zeitlebens spürte, für das Gemeinwohl tätig zu sein, hatte Willi Weyer da schon längst erfüllt.

Steffen Haffner

Literatur zu Willi Weyer:

Willi Weyer (Hrsg. Deutscher Sportbund): Willi Weyer. Frankfurt/M. 1987


Weitere Mitglieder der Hall of Fame

Prof. Dr. h.c. mult. Berthold Beitz

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