Ski Alpin
Ski Alpin
Er hat nur einmal in seinem sportlichen Leben den falschen Weg gewählt – und der war „teuer“. Denn er hat Willy Bogner die Goldmedaille bei den Olympischen Winterspielen 1960 in Squaw Valley gekostet.
Am 25. Februar stand in dem amerikanischen Wintersportort der Slalom der Herren auf dem Programm. Nach dem ersten Durchgang führte Willy Bogner mit einer Sekunde Vorsprung. Im zweiten Lauf stürzte der Münchner und schied aus. „Der Läufer vor mir hatte ein Tor anders angefahren als ich es mir bei der Besichtigung gemerkt hatte“, sagte Bogner. „Ich war einen Augenblick verwirrt und schon lag ich im Schnee. Ich habe meiner Vorgabe nicht getraut. Ich habe daraus eines gelernt: Gehe immer deinen Weg!“ Und den ist er gegangen. Als Sportler, Unternehmer und Filmemacher. Mit der Filmerei begann die Dreifach-Karriere des genialen Unternehmers. Als Zwölfjähriger wurde ihm von Vater Willy (verstorben 1977) eine Bolex geliehen, eine handliche 16-mm-Kamera mit Federwerk.
Auf Jagdreisen mit dem Papa durch Alaska und Kanada entstehen die ersten kleinen Tier-Filme. Es folgen Ski-Filme. Schon mit mitfahrender Kamera. Fernseh-Reporter Harry Valérien erkennt sehr schnell das Talent und engagiert Bogner in Squaw Valley als Backstage-Kameramann, der aus dem für Nicht-Sportler gesperrten Olympischen Dorf exklusive Bilder liefert. Bogners erste Profi-Arbeit.
Neben Sport und Film musste Willy auch noch die Schule bewältigen. Was ihm bis auf Mathematik auch leicht fiel. Im Abi-Jahr 1960 war er ein Drittel der Schulzeit mit dem Ski-Zirkus unterwegs, dennoch schaffte er den zweitbesten Abschluss seiner Klasse. Bogner sagte einmal: „Das hat mir gezeigt, dass man in relativ kurzer Zeit viel erreichen kann, wenn man sich auf ein Ziel konzentriert.“ An dieser Einstellung hat sich nie etwas geändert.
Mit 25 Jahren -- nach 300 Rennen mit 70 Pokalen – trat Bogner, der inzwischen Betriebswirtschaft in München und Wien sowie Bekleidungstechnik in Hohenstein studiert hatte, vom aktiven Sport zurück.
Sein Hobby Filmemachen und Fotografieren wurde zum Beruf. Im Hunza-Tal im Himalaja drehte er den Dokumentar-Film „Soldaten Alexanders, Söhne des Propheten“, der von der Film-Bewertungsstelle mit dem Prädikat „wertvoll“ ausgezeichnet wurde.
Nach dem spektakulären, ebenfalls prämierten Action-Film „Ski-Faszination“ erhält Bogner einen Anruf aus London. Albert R. Broccoli, Produzent der James-Bond-Filme, verpflichtet ihn für „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“. Für die Stunt-Frequenzen ist der Erfinder Bogner gefragt. Für die Rückwärts-Fahrt mit 100 Kilometer pro Stunde durch die Bob-Bahn entwickelt er die an beiden Enden aufgebogenen Ski. Für die 16 Kilogramm schwere Panavision-Kamera eine neue Technik. Dem Publikum stockt bei den legendären Action-Aufnahmen der Atem. Und Willy Bogner wird als Kameramann auf Ski weltberühmt. Mit „Der Spion, der mich liebte“, „In tödlicher Mission“ und „Im Angesicht des Todes“ war er noch dreimal für 007 unterwegs.
Der Natur- und Sportfilm „Fire and Ice“ (1986) ist der erfolgreichste Sportfilm, der je in die Kinos kam. Als letzten seiner 37 Filme, bei denen er oft Produzent, Drehbuchautor, Regisseur und Kameramann in einer Person war, drehte der Münchner den erfolgreichen Bewerbungsfilm für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi.
Film und Fotografie führten Willy Bogner auch zu seiner großen Liebe. Mutter Maria Bogner (verstorben 2002) hatte ihn im Juli 1972 als Fotograf für Golf-Mode mit an den Ammersee genommen. Als Model hatte die Erfinderin der Keilhose Sônia Ribeiro, eine in Rom lebende Brasilianerin verpflichtet. Sônia wusste nicht, dass der Fotograf der Sohn der Auftraggeberin war. Später sagen beide, Fotograf und Model, dass es „Liebe auf den ersten Blick“ war. Nur ein halbes Jahr nach dem Shooting, am 16. Dezember 1972, läuteten die Hochzeitsglocken in der Kapelle von Schloss Mühlfeld. „Sie war so schön, dass ich Angst hatte, einer nimmt sie mir weg. Deshalb habe ich schnell um ihre Hand angehalten“, verrät Willy.
1972 ist auch das Jahr, in dem Willy Bogner hauptberuflich in das 1932 gegründete elterliche Unternehmen einsteigt. Er verantwortet Sportkollektion und Werbung. Sein erstes Projekt: Aufbau der neugegründeten Tochter-Gesellschaft Bogner of America in Newport/Vermont. Willy und Sônia, inzwischen Mitglied der Firma und heute Vorstand Strategische Design-Entwicklung, ziehen in die USA.
Dort erwarb sich Willy auch den Namen „Bavarian Cowboy“. Er trägt tagaus, tagein, selbst zum Smoking, Westernstiefel. Inzwischen hat er 20 Paar in seinem Schrank. Amerika hat es den Bogners auch privat angetan. Im Sommer verbringen sie einige Wochen in ihrer in den 90er Jahren erworbenen Ranch „Lazy B“ (ohne Strom und warmes Wasser) in Telluride/Colorado. Amerika war nur der Anfang bei der Eroberung der Mode-Welt. In vier Kontinenten und 30 Ländern verkauft Bogner in 69 Stores Ski-Mode und Sportswear.
Entwickelt, designed und experimentiert wird seit 1950 in einer ehemaligen Sauerkraut-Fabrik in München-Trudering. Die Kreativ-Abteilung um Willy und Sônia Bogner legt großen Wert auf Qualität. „Unsere Klamotten müssen 10, ja 20 Jahre halten. Die wirft man nicht weg, die vererbt man“, sagt der Chef, dessen Namen laut einer Umfrage 86 Prozent der Deutschen kennen. „Ich kenn se all“. Der Kult-Spruch von Fußball-Idol Günter Netzer trifft in großem Umfang auf Willy Bogner zu. Mit dem ehemaligen US-Präsidenten Gerald Ford fuhr er 1976 Ski in Vail. Mit Omar Sharif spielte er Schach. Vor weltweit 110 Millionen TV-Zuschauern enthüllt er mit dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton am 3. Oktober 2002 nach achtjähriger Renovierung das Brandenburger Tor in Berlin. Mit vielen prominenten Zeitgenossen ist er auf Du und Du.
Auf Ski ist Willy Bogner groß geworden. Aber die zwei Bretter waren ihm später zu wenig. Er lernte Windsurfen, Tennis und Golf spielen, Tauchen, Reiten, Paragliden und als Pilot steuert er Wasserflugzeuge und Helikopter. Nur eines versuchte er immer vergeblich: Saxophon spielen.
Aber auch einen Erfolgs-Menschen wie Willy Bogner treffen Schicksals-Schläge. Bei Aufnahmen zu einem Ski-Film am 12. April 1964 im Engadiner Val Selin werden seine Freundin Barbi Henneberger und der US-Ski-Star Buddy Werner von einer Lawine verschüttet. Beide können nur noch tot geborgen werden. Am 1. Oktober 2005 nimmt sich Sohn Bernhard, den die Bogners zusammen mit Tochter Florinda in Brasilien adoptiert hatten, das Leben.
Der Wassermann (geboren am 23. Januar 1942) rappelt sich aber immer wieder hoch. Neugier treibt ihn an. „Die Gefahr des Älterwerdens besteht darin, nicht mehr lernen zu brauchen. Diesem Trugschluss verfalle ich nicht“, sagte Willy Bogner an seinem 65. Geburtstag. „Das Leben ist eine Herausforderung, die nie aufhört.“ Das trifft alle vier Jahre auch auf Olympia zu. In Sotschi kleidet die Firma Bogner zum 18. Mal seit 1936 die deutsche Mannschaft für die Winterspiele (2012 auch für die Sommerspiele) ein. Unvollendet bleibt das Engagement für München 2018: Am 6. September 2010 muss er krankheitsbedingt nach zehn Monaten als Chef der Bewerber-Gesellschaft für die Olympischen Winterspiele 2018 aufgeben. Olympia und Bogner – es ist eine unendliche Geschichte.
Herbert Jung, Mai 2013