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Boxen
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Erfolge als Trainer im olympischen Boxen:
Olympische Spiele: Silber mit Oktay Urkal, Bronze mit Thomas Ulrich (Atlanta 1996)
WM-Titel: mit Marco Rudolph (1991)
EM-Titel: Sven Ottke (1991 und 1996), Oktay Urkal (1996)
Erfolge als Trainer im Profiboxen:
WM-Titel: mit Sven Ottke, Markus Beyer, Arthur Abraham, Marco Huck, Yoan Pablo Hernandez und Cecilia Braekhus
22 gewonnene WM-Kämpfe in Folge mit Sven Ottke
Bundesverdienstkreuz am Bande
Ehrenbürger von Gera und Penkun
Goldene Henne 2011
17-mal Trainer des Jahres beim Fachmagazin „Boxsport“
1971 beginnt die Trainerkarriere von Ulli Wegner, der mit seinen späteren Schützlingen beachtliche Erfolge feierte - so zum Beispiel mit Sven Ottke, der in 34 Profi-Kämpfen unbesiegt blieb. (Foto: picture alliance)
2012 bringt der Box-Trainer seine Biografie "Mein Leben in 13 Runden" heraus. (Foto: picture alliance)
Am Anfang war das Wort! Und das von Ulli war Gesetz. Seine Plädoyers aus der Ringecke machten ihn zum populärsten Boxtrainer Deutschlands. Der Titel als „Boxtrainer des Jahres“, den er unglaubliche 16-mal in Folge gewinnen konnte, ist ohne seine unverkennbar kratzige Stimme und seine markanten Dialoge und Sprüche unvorstellbar.
Ein sehr einseitiges Rededuell aus einem WM-Kampf aus dem Jahre 2006, der am Ende auch durch Wegners Einsatz zu einer Legende des deutschen Berufsboxens wurde, sei hier vorangestellt.
In der vierten von zwölf Runden des Duells gegen Edison Miranda kam es zu einem doppelten Kieferbruch bei Titelverteidiger Abraham, doch der boxte weiter und gewann, auch dank seines Trainers Ulli Wegner: „Komm Arthur, sei ein Kerl jetzt, Mensch! Du musst dich jetzt zusammenreißen, du bist doch schlauer!“ Aus der blauen Ecke ist von Arthur Abraham ein leises: „Kiefer gebrochen!“ zu hören. Ulli Wegner zögert, geht mit dem Handtuch in der Hand kurz zurück und steigt umso energischer wieder ein: „WER? Ach, gar nichts gebrochen! Es ist gar nichts! Jetzt komm, Arthur! Wir haben doch schon ganz andere Sachen gelöst!“
Eine typische Szene für den Fäuste-Flüsterer Hans-Ullrich Wegner, den alle Welt nur Ulli nennt. Manfred Wolke, Fritz Sdunek und Ulli Wegner haben den Boom des Berufsboxens um die Jahrtausendwende in Deutschland als Trainer geprägt, aber nur Wegner machte die Ringpausen zur wahren Show: „Vor was hast du denn Angst? Das ist richtig feige, was du hier zeigst!“, schleuderte er dem damaligen Mittelgewichtsweltmeister Abraham vor laufender Kamera entgegen, „Junge, bist du `ne Pfeife!“. Später musste Ulli Wegner immer wieder darüber sprechen, ob er sich all diese Sprüche vorher zurechtgelegt hatte: „Die Frage haben mir wirklich viele gestellt“, räumte Wegner ein, „aber ich improvisiere das, das ist mein Naturell!“ Und schließlich habe auch ihn vor allem ein Spruch, der dem Schauspieler Freddy Quinn zugeschrieben wird, besonders geformt: „Nichts ist so alt wie der Erfolg von gestern.“ Ein Satz, der für den gebürtigen Stettiner stets Antrieb blieb, vor allem in den nicht einfachen Jahren nach dem Krieg.
Mit drei Jahren, im Januar 1945, floh Wegner mit seiner Familie aus der Stadt an der Odermündung in Richtung Westen. Kämpfte sich durch die Schulzeit in Penkun, hütete, um die Kasse aufzubessern, Kühe und machte später eine Ausbildung zum Traktoren- und Landmaschinenschlosser, dem schließlich ein Studium zum Diplomsportlehrer folgte. „In dieser Zeit habe ich einen unheimlichen Schub bekommen, ich habe gelernt wie verrückt. Ich war nicht nur ehrgeizig, ich war verfressen ehrgeizig.“
Der Traum, die Fußballmannschaft des Armeesportclubs in Rostock zu verstärken, erfüllt sich zwar nicht, aber noch während des Aufnahmeverfahrens für das Fußballteam wurde er von einem Boxtrainer angesprochen und für die ASK-Boxstaffel gewonnen, ohne vorher jemals einen richtigen Kampf bestritten zu haben. Es folgten 176 Amateurkämpfe in den sechziger Jahren, einige Bezirksmeistertitel und als größter Erfolg zum Abschluss seiner Zeit als Aktiver, der DDR-Mannschaftsmeistertitel mit Wismut Gera 1970.
In Gera startete auch seine Trainerkarriere, 1979 zieht es Ulli Wegner dann zum TSC nach Berlin, 1991 übernimmt er schließlich den Bundesstützpunkt in der Hauptstadt. Unter dem Strich holten seine Schützlinge über 150 Medaillen bei internationalen Amateur-Turnieren. Welt- und Europameister wie Marco Rudolph und Sven Ottke überstrahlen die Zeit, die 1996 mit Silber und Bronze durch Oktay Urkal und Thomas Ulrich bei den Olympischen Sommerspielen in Atlanta zu Ende ging.
Mit dem Wechsel zum Boxstall von Wilfried Sauerland, erst in Köln, ab 2003 dann in Berlin, machte Wegners Karriere bei den Berufsboxern noch einmal einen Sprung. Besonders in den 14 Jahren in der ARD, als die Kampfnächte beim „Boxen im Ersten“ ein Millionenpublikum erreichten und Stars wie Sven Ottke, Markus Beyer, Arthur Abraham und Marko Huck in aller Munde waren, setzten Wegners insgesamt fast 50 Jahre beim Boxen noch einmal die Krone auf. Sauerland stellte Wegner im Taumel all dieser Erfolge sogar einen Vertrag auf Lebenszeit aus. „Das habe ich schriftlich. Solange ich die Treppe hoch zum Ring komme, könnte ich arbeiten“ erzählt Ulli Wegner im Dezember 2019. In dem Jahr, in dem nach einigen Unstimmigkeiten das Gym auf dem Gelände des Berliner Olympiastadions schließlich doch dichtmachen musste. Für Ulli Wegner, der bei insgesamt 103 Profikämpfen mit so viel „Herz und Schnauze“ in der Ecke stand, war es ein Ende mit sehr viel Wehmut.
Schwer vorstellbar, dass der inzwischen 80-Jährige jetzt wirklich mal längere Zeit mit seiner Frau Margret in Berlin-Tegel bleibt. In seinem Lieblingsoutfit (mit Hosenträgern!) eine Runde Skat mit Freunden spielt oder beim Bier in großer Runde herzhaft über alte Zeiten und Anekdoten lacht. Denn natürlich gab es trotz einiger gesundheitlicher Probleme, wie zwei komplizierter Oberschenkelhalsbrüche, zuletzt immer wieder Anfragen, ob er nicht doch wieder beim Boxen einsteigen könnte. Dem Sport, der sein Leben geprägt hat, und dem er in Deutschland, wie kein Zweiter, eine Stimme gegeben hat. Oder, wie es Ulli wahrscheinlich sagen würde: „Das ist Boxen, nicht Kegeln!“
Jens Jörg Rieck, November 2023