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Tischtennis
Tischtennis
Erfolge als Sportler
Ämter im Sport
In den 50er und 60er Jahren ist Hans Wilhelm Gäb im Tischtennis erfolgreich - er wird mit der Mannschaft u.a. WM-Neunter und nimmt zwei Mal an der Europameisterschaft teil (Foto: picture alliance).
Auf nationaler Ebene gewinnt Gäb (links) diverse Titel und wird mit PSV Borussia Düsseldorf mehrfacher Deutscher Meister im Doppel, Mixed und mit der Mannschaft (Foto: picture alliance).
Auch abseits des Sports macht sich Gäb einen Namen. Der gelernte Journalist gründet das Fachmagazin „Auto-Zeitung“ (1968), wird bei Ford (1973-1981) Kommunikations-Chef und wechselt schließlich 1982 in den Vorstand der Adam Opel AG (Foto: picture alliance).
Auch im Sport übernimmt Gäb Verantwortung und bekleidet u.a. ab 1981 das Präsidentenamt im Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB). Nachdem er aufgrund gesundheitlicher Probleme zunächst kürzer treten und sich schließlich 1994 einer Lebertransplantation unterziehen muss, gründet er die Vereine „Sportler für Organspende“ (1998) und „Kinderhilfe Organtransplantation“ (2004) (Foto: picture alliance).
2005 kehrt Hans Wilhelm Gäb in den Vorstand der Stiftung Deutsche Sporthilfe zurück (Foto: picture alliance).
In dieser Zeit prägt er mit „Leistung. Fairplay. Miteinander.“ den noch heute gültigen strategischen Markenkern der Stiftung. Außerdem gewinnt er u.a. Franziska van Almsick (links, bei der Verleihung des großen Bundesverdienstkreuz am Bande) für die Arbeit der Deutschen Sporthilfe (Foto: picture alliance).
Neben dem Bundesverdienstkreuz erhält Gäb, ebenfalls 2006, den Olympischen Orden. Diesen gibt er jedoch 2016 aus Protest gegen die Anti-Doping-Politik des IOC zurück (Foto: picture alliance).
Hans Wilhelm Gäb ist ein ganz besonderer Mensch. Er beeindruckt mit einem unbeugsamen Leistungswillen und mit einer unbestechlichen Haltung von Anstand und Fairness. Ein Leben lang hat der mittlerweile 84-jährige Düsseldorfer sein Handeln an diesen Maximen ausgerichtet. In seinen späten Jahren war eine ganze Palette von verdienten Auszeichnungen die Folge, vom Großen Bundesverdienstkreuz bis zum Olympischen Orden, den er aus Protest gegen das IOC zurückgab, das nach der Aufdeckung des Staatsdopings Russland nicht von den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro ausschloss.
Und jetzt ist ihm von der Stiftung Deutsche Sporthilfe die Goldene Sportpyramide zuerkannt worden. Zugleich wird Gäb in die „Hall of Fame des deutschen Sports“ aufgenommen, die er einst selbst mitbegründet hat. „Die Auszeichnung freut mich noch mehr als mein Bundesverdienstkreuz. Besonders freut es mich, dass in der Jury die bisherigen Gewinner der Goldenen Sportpyramide befragt wurden.“ Darunter viele Olympiasieger und Weltmeister.
Lobreden pflegt Gäb gern mit zwei Sätzen zu quittieren: „Mein Vater wäre stolz auf mich gewesen. Und meine Mutter hätte jedes Wort geglaubt.“ Der ehemalige Tischtennisspieler sammelte einst im Doppel und Mixed sowie mit der Mannschaft des PSV Borussia Düsseldorf Deutsche Meistertitel wie andere Briefmarken. Und er spielte bei Welt- und Europameisterschaften mehrfach in der Nationalmannschaft.
Die Jury hat vor allem sein Lebenswerk im Blick gehabt. In einer Vielzahl von Spitzenämtern hat Hans Wilhelm Gäb den deutschen Sport wesentlich mitgestaltet: unter anderem als Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes und nicht zuletzt als Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Und noch heute begnügt sich der Ehrenpräsident des Deutschen Tischtennis-Bundes und Ehren-Aufsichtsratsvorsitzende der Sporthilfe nicht mit einer Beobachterrolle, sondern bringt sich mit seiner Erfahrung immer noch engagiert ein.
Was ist nur an diesem Mann, dass er Ämter und Auszeichnungen geradezu magnetisch anzieht? Der bekennende Düsseldorfer, der die Kölner Lokalrivalen mit der Nachricht zu überraschen pflegt, dass er vom Weihbischof im Kölner Dom getauft wurde, ist ja kein Hoppla-jetzt-komm-ich-Typ. Vielmehr bevorzugt er die leisen Töne. Bei aller Ernsthaftigkeit, mit der er seine vielfältigen Herausforderungen bravourös meistert, hat Gäb die Gabe, über sich selbst zu lachen. Der Umgang mit Menschen geht ihm so leicht von der Hand wie einst der Zelluloidball vom Tischtennis-Schläger. „Ein starker Antrieb für mich ist es, Freunde zu finden und andere Menschen anständig zu behandeln. Und das ist ein Ergebnis des Sports.“ Jeder, der ihn kennt, weiß, dass auf ihn Verlass ist und dass man in der Not auf ihn zählen kann. Der zerbrechlich wirkende schlanke Mann, der sich leicht nach vorne gebeugt bewegt, so, als wolle er immer noch auf Netzhöhe sein, ist von einer für Außenstehende erstaunlichen Zähigkeit. Sein Gestaltungswille gepaart mit Disziplin und einem ausgeprägten Perfektionsdrang haben es ihm ermöglicht, mehrere Leben in einem zu leben.
Seine größte Liebe nach der zu seiner Frau Hella, zu seinen Kindern und Enkelkindern gehört bis auf den heutigen Tag dem Tischtennis-Sport. Der Umgang mit den Sportlern verjüngt ihn, schlägt für ihn die Brücke aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Denn Gäb, der als Zwölfjähriger am heimischen Wohnzimmertisch mit Ping-Pong begann, fühlt sich als einer von ihnen. Mit Geschick hat er einst einen neuen Tischtennis-Schläger entwickelt, den er mit seinem gesunden Erwerbssinn 100.000 Mal mit seinem Namenszug verkaufte. Damit war sein Studium der Germanistik und Jurisprudenz gesichert.
Gelegentlich kommt unter dem Firnis sanfter Freundlichkeit eine überraschende Härte zum Vorschein, mit der Hans Wilhelm Gäb eingreift, wenn Lug und Trug oder Trägheit ein ihm wichtiges Vorhaben gefährden. So riss er einst den Tischtennis-Bund aus dem Schlaf, befreite den Verband von Korruption und führte den deutschen Tischtennis-Sport nicht zuletzt mit dem Aufbau des Düsseldorfer Leistungszentrums an die Weltspitze. Seit zwanzig Jahren betreut er als Berater Timo Boll, der lange Zeit auf Augenhöhe mit den besten Chinesen spielte und zeitweise sogar Weltranglistenerster war. Für Gäb ist Boll einer, der vorbildlich seine ethischen Grundsätze umsetzt: „Leistungsstark, anständig, fair und freundlich.“
Als Aufsichtsrats-Vorsitzender der Sporthilfe griff er gemeinsam mit seinen Kollegen konsequent ein, als seiner Überzeugung nach der Stiftung Gefahr drohte. Dabei musste er schmerzlich feststellen, dass selbst ein so integrer Mann wie er nicht vor Diffamierungen gefeit ist. Doch so weh ihm dies tat, ist Resignation für ihn kein Standpunkt. Als schwierige Aufgabe bezeichnet Gäb die Umstrukturierung des Vorstands der Sporthilfe, die er als Sporthilfe-Chef mit einem harten Schnitt vornahm: mit einer Reduzierung von sechzehn auf fünf Mitglieder plus den Vorsitzenden und den hauptamtlichen Geschäftsführer. Erst dadurch sei der Vorstand zu effektivem Handeln in der Lage gewesen, ist er überzeugt.
Hans Wilhelm Gäb ist keiner, der die Hände in den Schoß legen kann. Das galt sogar, als 1994 eine Lebertransplantation erforderlich wurde. Die lebensbedrohliche Erkrankung hatte 1991 dazu geführt, dass sich der frisch ernannte Chef de Mission der gesamtdeutschen Olympiamannschaft von Barcelona 1992 aus sämtlichen Ehrenämtern des Sports zurückziehen musste. Dabei war es ein offenes Geheimnis, dass Willi Daume, die bedeutendste Führungspersönlichkeit des deutschen Sports, ihn als seinen Nachfolger beim NOK aufbauen wollte. Während manch einer sich in die Schonecke eines Dauerpatienten begeben hätte, kehrte der Rekonvaleszent mit verblüffender Selbstverständlichkeit an seinen Arbeitsplatz als Vizepräsident Europa von General Motors Europa nach Zürich zurück. „Im Vertrauen auf den lieben Gott und die Ärzte habe ich die Reha weggelassen und nach fünf Wochen wieder mit der Arbeit angefangen. Beide Eminenzen haben mich nicht enttäuscht.“ 1997 wechselte Gäb für zwei Jahre als Aufsichtsratsvorsitzender der Adam Opel AG nach Rüsselsheim. Dort hatte der Düsseldorfer mit der fordernden López-Affäre gleich ein ganz dickes Brett zu bohren.
Typisch für ihn, dass er voller Dankbarkeit für seine Genesung 1996 den Verein „Sportler für Organspende“ gründete, den er 2004 um den Verein „Kinderhilfe Organtransplantation“ erweiterte. Zahlreiche Prominente unterstützen sein Anliegen, die schleppende Bereitschaft zu Organspenden zu forcieren, mit ihren werbewirksamen Namen: Steffi Graf, Rosi Mittermaier, Franziska van Almsick, Franz Beckenbauer, Timo Boll, Reinhold Messner, Michael Schumacher, Reinhold Beckmann, Günther Jauch, Johannes B. Kerner und viele andere.
Gäbs Gaben erlauben es ihm, als Vielgestaltiger in die unterschiedlichsten Rollen zu schlüpfen. Der gelernte Journalist hatte kein Problem damit, professionell Public Relations zu betreiben und zugleich ein sprachsensibler Journalist zu bleiben. So geschickt der Düsseldorfer seine Bälle auf der grünen Platte platzierte, so treffsicher zeigt er sich beim fein nuancierten Formulieren. Eine Fähigkeit, die ihm die gute Schule bei der Tageszeitung „Mittag“ in Düsseldorf mit auf den Weg gegeben hat. Sein Können als Journalist verband sich glücklich mit seinem Interesse an Autos und am Motorsport. Das kam ihm bei der „Auto Zeitung“ zugute, die er gemeinsam mit einem Partner gründete und alsbald als Chefredakteur führte. Mit diesem Schritt zeigte sich, dass Gäb sich nicht mit dem Schreiben und Kommentieren begnügen, sondern selbst gestalten wollte.
Er wurde als Präsident des Tischtennis-Bundes sowie in seinen langjährigen Spitzenpositionen, vor allem bei der Sporthilfe, ein bedeutender Funktionsträger, ohne je den Ruch eines eng begrenzten Funktionärs zu haben. Er wurde zu einer Zeit ein bedeutender Gestalter des Sports und der Wirtschaft, als die beiden gesellschaftlichen Kräfte erst lernen mussten, eine fruchtbare Verbindung miteinander einzugehen. Hans Wilhelm Gäb ist das wandelnde Beispiel dafür, dass Sport und Wirtschaft sich nicht ausschließen, sondern einander befördern können.
Als Automobil-Manager hat der Rheinländer in seiner Zeit bei Opel und General Motors demonstriert, wie fruchtbar solch eine Kombination sein kann. Mitte der achtziger Jahre eröffnete der PR-Spezialist dem Sportsponsoring neue Horizonte. Er gewann das Tennisidol Steffi Graf, den Schwimmstar Franziska van Almsick und die Bergsteigerlegende Reinhold Messner ebenso als Partner und Werbeträger von Opel wie Bayern München und den AC Mailand. Damit gelang es ihm, der Marke Opel zu einem moderneren Image zu verhelfen. Seine Aufnahme in die Hall of Fame des Sport-Marketings war geradezu eine logische Konsequenz. Auch in der Wirtschaft hat der Düsseldorfer darauf geachtet, dass die ethischen Werte nicht zu kurz kamen. Dies zeigen zum Beispiel die „Opel-Grundsätze zum Sport-Sponsorship“, die er 1987 seinen Mitarbeitern an die Hand gegeben hat:
Hans Wilhelm Gäb wird „das moralische Gewissen des deutschen Sports“ genannt. Genauso gut könnte man ihn das moralische Gewissen der Wirtschaft nennen. Er kämpft leidenschaftlich gegen Doping, das für ihn „Betrug und Diebstahl an den fairen Wettbewerbern ist“. Folgerichtig hat er als Sporthilfe-Chef den Athleten einen „Anti-Doping-Eid“ abverlangt. Der von ihm kreierte Leitsatz der Sporthilfe „Leistung. Fairplay. Miteinander.“ ließe sich auch auf die Wirtschaft übertragen, die er vor einer Kommerzialisierung um jeden Preis warnt. Ideale sind ihm wichtiger als Gewinne. Gäb hat es so formuliert: „Nur eine Leistungsgesellschaft, in der die Prinzipien des Sports lebendig sind, wird am Ende eine menschliche Gesellschaft bleiben.“ In einer Zeit, in der Vorbilder für die Jugend rar sind, wirkt der Rheinländer als Leitfigur weit über den Sport und die Wirtschaft hinaus. Mit seinem Lebenswerk hat Hans Wilhelm Gäb sich in vielfältiger Weise um unser Gemeinwesen verdient gemacht.
Steffen Haffner im November 2020