Heinz Fütterer

Leichtathletik

  • Name Heinz Fütterer
  • Sportart Leichtathletik
  • Geboren am 14. Oktober 1931 in Illingen
  • Todestag 10. Februar 2019 in Illingen
  • Aufnahme Hall of Fame 2011
  • Rubrik Nach 1945

Der weiße Blitz auf der Aschebahn

Der dreifache Europameister Heinz Fütterer drang in den frühen 1950er Jahren als erster Europäer über 100 Meter in die Phalanx der US-amerikanischen Sprinter ein. Zu seiner Zeit wurde er „der weiße Blitz“ genannt. Nachdem er die Olympischen Spiele 1952 verletzungsbedingt verpasst hatte, wurde Fütterer 1954 in Bern Europameister über 100 (10,5 Sekunden) und 200 Meter (20,9 Sekunden).

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Am 31. Oktober 1954 lief er im japanischen Yokohama die 100 Meter in handgestoppten 10,2 Sekunden. Damit stellte er den Weltrekord von Jesse Owens ein und lief neuen Europarekord. Am Ende des Jahres wurde er von den Sportjournalisten zum „Sportler des Jahres“ gewählt.

Von 1953 bis 1955 blieb der für den Karlsruher Sportclub startende Fütterer unbesiegt. Nach verletzungsbedingtem Trainingsrückstand schied er bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne im 100-Meter-Zwischenlauf aus, gewann aber eine Bronzemedaille mit der deutschen Sprintstaffel. Mit dieser feierte er 1958 in Stockholm seinen dritten Europameister-Titel und lief am 29. August 1958 in Köln Weltrekord (39,5 Sekunden). So „vergoldete“ er seinen Rücktritt im gleichen Jahr. Heinz Fütterer verstarb am 10. Februar 2019 im Alter von 87 Jahren zuhause im badischen Elchesheim-Illingen.

Heinz Fütterer

Leichtathletik

Größte Erfolge

  • Dreifacher Europameister: 1954 über 100 und 200 Meter, 1958 mit der 4x100-Meter-Staffel
  • Olympia-Bronze 1956 mit der 4 x 100-Meter-Staffel
  • Weltrekorde über 100 Meter (1954) und 4 x 100 Meter (1958)

Auszeichnungen

  • Ehrenbürger von Elchesheim-Illingen (2004)
  • Georg von Opel-Preis (2001)
  • Bundesverdienstkreuz (1981)
  • Rudolf-Harbig-Preis des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (1958)
  • Silbernes Lorbeerblatt (1954, 1957)
  • Sportler des Jahres (1954)
  • Goldenes Band der Sportpresse (1955)

Biografie

Bittet man allen Ernstes einen Ausdauersportler, eine Laudatio über einen Sprinter zu schreiben, ist das eigentlich ein aussichtsloses Unterfangen. Gelten doch Sprinter in den Augen von Langstreckenläufern als eine zumindest gewöhnungsbedürftige Spezies, als kapriziös eher, als trainingsfaul, bequem, allen Widerständen aus dem Weg gehend, aufbrausend, ungeduldig, jähzornig, hitzköpfig, disziplinlos…

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Das lässt sich ja auch sehr einfach erklären: Wer in zehn Sekunden sein Tagwerk verrichtet hat, wird nicht viel Charakter und Einsatz brauchen – gut, Talent sollte er haben, Temperament, Reaktionsschnelligkeit – viel mehr braucht es nicht, dosiertes Training, ja nicht zu viel, schon gar nicht die schweißtreibende Schinderei und Plackerei eines Langstreckenläufers. Dass der Neid der „Hechler“ wegen der ungebrochenen Faszination des 100-Meter-Sprints, der weltweit Millionen packenden Frage, wer der schnellste Mann der Welt ist, nach wie vor der Höhepunkt von Europa- und Weltmeisterschaften, vor allem aber der Olympischen Spiele ist, sei zum besseren Verständnis noch am Rande erwähnt.

Und warum dann doch eine „Laudatio“, ein Lob auf einen Sprinter, der in einer außergewöhnlichen Zeit mit außergewöhnlichen Leistungen ein gutes Stück deutsche Sportgeschichte geschrieben hat? Weil er einem begegnet ist! Zum ersten Mal bei einem runden Geburtstag seines Freundes – im Übrigen ehemaligen Konkurrenten – Manfred Germar, als er mit einer launigen Ansprache seinen Sprint-Kumpel hochleben lässt und die Festgemeinde in seinen Bann zieht. Überhaupt: Wer ihm jemals gegenübergestanden hat, der ist in aller Regel überrumpelt von seiner Fröhlichkeit, die man eher einem Rheinländer zugeordnet hätte, als einem Badener, von seiner Natürlichkeit, seinem Charme, dieser Heiterkeit und Lebenslust, die er verbreitet.

Rückblickend auf seine eher kurze, aber höchst erfolgreiche Karriere, darf einer wie er auch 60 Jahre später noch stolz sein, was er selbst allerdings niemals durchblicken lassen würde.

Wer 1954, im Jahr des „Wunders von Bern“, im Jahr der ersten Fußball-Weltmeisterschaft für die deutsche Nationalmannschaft, die mehr als nur als sportlicher Triumph gefeiert, die als gleichsam „Auferstehung“ aus den Nachwirkungen des 2. Weltkriegs, als Beginn eines wieder neuen nationalen Selbstbewusstseins gepriesen wurde, gegen den charismatischen Mannschaftskapitän Fritz Walter als „Sportler des Jahres“ gewählt worden ist, der muss etwas Außergewöhnliches geleistet haben. Mit 259 von 324 Stimmen der Sportjournalisten, dem größten Vorsprung seit 1947, wird Heinz Fütterer im Hotel Kaiserhof in Karlsruhe ausgezeichnet, vor dem Fußball-Idol Fritz Walter, vor einem Ausnahmefußballer, der seinerseits ein nicht nur sportliches Vorbild ist, sondern ebenso ein ausnehmend fairer Sportsmann englischen Vorbilds und bemerkenswerter Mensch.

Vielleicht kein Zufall, dass beide so einiges verbindet: Ausgerechnet in Bern, dort also, wo die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ihren glorreichen, nie erwarteten 3:2-Erfolg über die lange unbezwingbare Auswahl Ungarns feiert, gelingt nur wenige Wochen später Heinz Fütterer ein ebenfalls überraschender Doppelsieg über 100 und 200 Meter bei den Leichtathletik-Europameisterschaften und nur eine fragwürdige Disqualifikation der 4x100-Meter-Staffel gemeinsam mit Germar/Pohl/Kraus verhindert den Dreifacherfolg . Ein 15-jähriger Kampfrichter – wie sich herausstellt – bezeugt, dass die deutsche Staffel die Wechselmarken überlaufen hat.

Aber die eigentliche sportliche Sensation kommt zu einem Zeitpunkt, als üblicherweise Leichtathleten ihre Saisonpause genießen, bzw. schon wieder im Aufbautraining sind. Es ist eine vierwöchige Reise durch Japan, lange zuvor vereinbart – eine Art „Goodwill-Tour, Werbezug durch Japan, um die Leichtathletik, speziell die deutschen Aktiven zu präsentieren. Den 54 Flugstunden damals folgen für den Europameister unglaubliche 25 Starts. Man konnte damals überhaupt mit Fug und Recht behaupten, dass sich der „weiße Blitz“, wie ihn ein französischer Kollege getauft hat, nicht etwa rar macht, wie so mancher seiner Nachfolger in der heutigen Zeit. Im Gegenteil, er sucht förmlich die Weltspitze, die Vergleiche mit den Schnellsten der Welt. So auch in Yokohama. Es ist der 31. Oktober 1954 – übrigens der Geburtstag von Fritz Walter –, als Heinz Fütterer völlig unerwartet seine Sternstunde erlebt, Minuten, Sekunden, die sein Leben verändern. 60.000 Zuschauer sind dabei und bejubeln ungewohnt stürmisch seine Einstellung des Weltrekords über 100 Meter in 10,2 Sekunden.

20 Jahre und 43 Tage hat die Bestzeit von Jesse Owens gehalten, dem vierfachen Olympiasieger von 1936, dem Vorbild von Heinz Fütterer, den er nach der Lektüre eines Buches bewundert, das ihm sein Bruder zu Weihnachten geschenkt hat. Und nur knapp eine Stunde nach seinem Coup läuft er mit 20,8 Sekunden sogar noch Europarekord über 200 Meter. Mindestens so bewundernswert wie die Top-Zeiten aber sind die Beständigkeit und Häufigkeit, mit der Heinz Fütterer sein hohes Niveau immer wieder bestätigt. Zweieinhalb Jahre bleibt er ohne Niederlage, obwohl er sich stets den Besten stellt, ein herausragender, eleganter Kurvenläufer zudem, einer vor allem, der es versteht, die für den Sprint erforderliche Balance zwischen Krafteinsatz und Lockerheit zu verbinden. Und einer, der auch mental stabil wirkt, und dies auch demonstriert. Nicht selten holt er kurz vor dem Start noch einmal den Kamm aus der Tasche, um sich lässig durch die Haare zu gehen (lassen Sie das bitte Usain Bolt nicht wissen – höchste Nachahmungsgefahr).

Sein Start: eine Explosion. Seine Schritte: ein Trommelwirbel. Einzigartig: seine Unbekümmertheit und Gelöstheit, denen doch so viel Arbeit, Besessenheit und Trainingsfleiß vorausgehen. Sein Trainer: Helmut Häfele, genannt „Kommissbock“, was auf Unerbittlichkeit und Härte schließen lässt. Nicht, dass die Karriere wie am Schnürchen verläuft, wirklich nicht. Fütterer muss Rückschläge wegstecken, schmerzliche, vor allem bei den beiden Olympischen Spielen 1952 und 1956. Vor Helsinki verschlimmert sich eine Verletzung am Tag vor dem Abflug zu einem Muskelfaserriss – der DLV verzichtet auf seine Teilnahme. Damals fehlen ihm noch große Erfolge und damit Fürsprecher.

Zwei Jahre lang, von 1953 bis 1955, bleibt er unbesiegt, ausgerechnet 1956 erleidet er bei den brisanten Ost-West-Olympia-Ausscheidungen einen Muskelriss, der ihn fast wieder um seine Olympiateilnahme bringt. Im letzten Moment schafft er noch den Sprung ins Team, verpasst im 100-Meter-Zwischenlauf zwar das Finale, wird aber immerhin mit Bronze in der 4x100-Meter-Staffel belohnt. 1958 beendet er seine kurze, aber intensive Karriere mit dem EM-Titel in der 4x100-Meter-Staffel gemeinsam mit Germar/Hary/Mahlendorf.

Nicht zufällig haben ihn die Athletinnen und Athleten zu ihrem Aktivensprecher gewählt; Heinz Fütterer hat keine Hemmungen, Missstände und Probleme der Mannschaft vor den Funktionären anzusprechen – mit einer seltenen Deutlichkeit und Unmissverständlichkeit. Er ist eben ein Kämpfer auf unterschiedlichen Ebenen. Wie er die sportlichen Nackenschläge wegsteckt und sich immer wieder an die Weltspitze zurückkämpft, ist ebenso bemerkenswert wie die Überwindung auch der persönlichen und gesundheitlichen Täler. Nach seiner sportlichen Laufbahn muss er einen Gehirntumor und Operationen an Hüfte und Knie überstehen, auch der frühe Tod seiner ersten Ehefrau wirft ihn nicht aus der Bahn.

Vielleicht hat ihm geholfen, nie zu vergessen, wo und wie alles angefangen hat, in vergleichsweise „einfachen Verhältnissen“, wie man es immer bezeichnet, als Fischerjunge in Illingen, was ihm später den Beinamen „fröhliche Forelle“ einbringt. Seine Bescheidenheit mag eine kleine Episode nach seinem ersten großen Erfolg belegen: Als er nach seinem 100-Meter-Titel bei den Europameisterschaften 1954 in Bern im Stadion auf den Athletenbus wartet und merkt, dass er zunehmend in den Mittelpunkt der anderen Sportler rückt, entschließt er sich spontan, lieber mit der Straßenbahn ins Quartier zurückzufahren. Bedauerlicherweise hat er weder Fahrschein noch Bargeld, sodass sich der Fahrer weigert, ihn mitzunehmen. Glücklicherweise erkennt ihn ein Fahrgast, der seinen Sieg im Stadion verfolgt hat.

Man sagt, die Schnelligkeit habe er von seinem Vater geerbt, den sie „Wiesel“ nannten, von der Mutter die Willenskraft. Zur Leichtathletik kommt er eher zufällig. Mit Fußball fängt er an – talentiert ist er. Als Außenläufer und Halbstürmer, wie es damals heißt, wird ihm eine glänzende Zukunft vorhergesagt. Und doch gibt er der Leichtathletik den Vorzug, zunächst als Langstreckenläufer – durchaus charakterbildend – wie sich herausstellen soll.

Sein erster Start über 100 Meter endet 1946 in Rastatt mit einem Sieg in 12,4 Sekunden – der spätere „weiße Blitz“ ist gefunden, obwohl er seinen ersten Titel in der Jugend im Weitsprung gewinnt. Man darf es getrost als Glücksfall bezeichnen, dass Heinz Fütterer in Professor Robert Suhr, einem früheren Spitzensprinter, nicht nur seinen Entdecker, sondern auch wichtigen Förderer findet, der ihm beste Trainingsbedingungen verschafft und darüber hinaus einen Job vermittelt, der dem aufstrebenden Talent das beschert, was man heute als gelungenes Beispiel einer „dualen Karriere“ bezeichnen würde. Ungleich wichtiger damals, da es doch undenkbar ist, mit dem Sport seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Als er einmal einen Elektroherd als Preis überreicht bekommt, schreitet der Verband ebenso flugs ein, wie beim Veranstalter in Hannover, der einen PKW zum Sonderpreis offeriert. Unvergesslich seine Wahl zum „Sportler des Jahres 1954“, die mit einem Motorrad der Marke „Quickly“ belohnt wird, das bedauerlicherweise sofort vom DLV konfisziert wird. Dafür gab’s ein Fahrrad – Donnerwetter! Wohlgesonnenen gesteht er heute immerhin ein, bei einem Sportfest 500 D-Mark angenommen zu haben – ein Schnäppchenpreis für einen Weltrekordler, verglichen mit den sechsstelligen Summen, die heutzutage aufgerufen werden.

Seinen Weg nach dem Ende seiner sportlichen Karriere geht er auch so, das sei ausdrücklich erwähnt. Was immer er auch in die Hand nimmt, ist schnell von Erfolg gekrönt, ob als Repräsentant einer Sportartikelfirma oder als Betreiber einer Minigolfanlage oder Besitzer eines Bootssteges – oder als Golfspieler.

Es sind letztlich nicht nur die sportlichen Triumphe, die im Gedächtnis bleiben, es ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die tatsächlich den Vorbildcharakter hat, den sich viele von erfolgreichen Sportlern wünschen. Ein liebenswerter Mensch, der immer positiv, fröhlich und zuversichtlich wirkt, so, als hätte er das Beste noch vor sich. Wie hatte es der damalige DLV-Präsident Dr. Max Danz formuliert: „Er war kein einfacher Athlet – aber einer der erfolgreichsten und zuverlässigsten.“ Spätestens da verneigt sich am Ende auch der Ausdauersportler.

Wolf-Dieter Poschmann, Mai 2011

Literatur zu Heinz Fütterer:

Michael Dittrich, Daniel Merkel: Der „Weiße Blitz“: das Leben des Heinz Fütterer. Göttingen 2006


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