Prof. Dr. Hugo Budinger

Hockey

  • Name Prof. Dr. Hugo Budinger
  • Sportart Hockey
  • Geboren am 10. Juni 1927 in Düsseldorf
  • Todestag 7. Oktober 2017 in Köln
  • Aufnahme Hall of Fame 2011
  • Rubrik Nach 1945

Mister Hockey

Wie kein anderer prägte Hugo Budinger als Spieler, Trainer und Funktionär das Nachkriegs-Hockey. Mit der deutschen Mannschaft gewann der 58-fache Nationalspieler von Rot-Weiss Köln 1956 in Melbourne als Kapitän Olympia-Bronze. Ein Erfolg, mit dem niemand gerechnet hatte.

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Vorher hatte „Mister Hockey“ mit Ideen von einer Reise nach Pakistan den europäischen Hockeysport revolutioniert, etwa mit der Einführung des sogenannten Drehgriffs. Budinger, der zu jener Zeit bereits an der Deutschen Sporthochschule in Köln als Dozent arbeitete, nahm auch 1952 (Platz fünf) und 1960 (Platz sieben) an Olympischen Spielen teil.

Nach der aktiven Karriere war Hugo Budinger von 1961 bis 1969 Sportwart des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) und damit zugleich Bundestrainer. 1968 wurde die Nationalmannschaft unter seiner Führung Olympia-Vierter. Als er 1973 noch einmal einsprang, gewann sie WM-Bronze. Insgesamt diente er seinem Sport 26 Jahre lang als Sportwart und als DHB-Vizepräsident. Ab 1974 war Budinger Mitbegründer und bis zur Pension 1993 Leiter der Trainerakademie des Deutschen Sportbundes in Köln. 1979 promovierte er mit 52 Jahren in der Sportwissenschaft, 1990 wurde er aufgrund seiner Verdienste in Bewegungs- und Trainingslehre zum Professor ehrenhalber berufen. Budinger war Persönliches Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees und gehörte ab 1993 dessen Ältestenrat an. In den 1990er Jahren engagierte er sich auch für den Deutschen Golf Verband.

Prof. Dr. Hugo Budinger

Hockey

Größte Erfolge

  • Olympia-Bronze 1956
  • Ehemaliger Rekordnationalspieler (58 Spiele)
     

Auszeichnungen

  • Hans-Heinrich-Sievert-Preis der Gemeinschaft Deutscher Olympiateilnehmer (1993)
  • Bundesverdienstkreuz (1992)

Biografie

Ein Weltklassespieler im Hockey, eine Autorität am Spielfeldrand, eine Kapazität als Leiter der Trainerakademie des Deutschen Sportbundes in Köln – all das war Hugo Budinger. Den Mann mit den vielen Gaben und Begabungen nannten Zeitgenossen den „Weißen Inder“. Es war der Versuch in Worte zu fassen, wie sehr der große, hagere Rheinländer Hockey geprägt, ja revolutioniert hat. Von ihm ist ein Satz überliefert, der seine Zielstrebigkeit und Hartnäckigkeit belegt: „Wir fahren solange nach Indien, bis wir sie schlagen.“ Reisen zum Subkontinent, nach Indien und Pakistan, den in den 1950er und 1960er Jahren dominierenden Hockey-Nationen, dienten dem Ziel, den Könnern aus Asien auf die Schliche zu kommen, sie mit deren ureigenen Mitteln, perfektioniert um eine entsprechende Taktik, zu bezwingen. Weltmeistertitel und Olympiasiege deutscher Hockeyspielerinnen und Hockeyspieler dokumentieren: Die Saat ist aufgegangen.

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Budingers Karriere ist die eines Seiteneinsteigers, wie sie nach den Kriegswirren nicht untypisch ist: Er schlug sich zunächst als Kabarettist, Gitarrespieler und Verlagskaufmann durch. Der Düsseldorfer wurde dann Schüler bei Carl Diem an der Deutschen Sporthochschule in Köln und machte 1951 seinen Abschluss als Diplom-Sportlehrer. Ein rasanter sozialer Aufstieg für einen, der vor 1945 die Volksschule besucht hatte, in die Lehre als Dreher gegangen war, vom Reichsarbeitsdienst eingezogen wurde, in Kriegsgefangenschaft geriet. Lebensläufe fielen damals nur selten stromlinienförmig aus. Bei der Aufnahmeprüfung an der Deutschen Sporthochschule war Budinger zunächst durchgefallen. „Ich war eben ein begabter Ballsportler, aber kein Turner“, erinnert er sich an sein Handicap. Sobald ein Ball im Spiel war, wurde er zum Rastelli. Ob beim Tennis, beim Hockey oder beim Fußball.

Er fiel sogar Sepp Herberger auf, der in Köln Fußball unterrichtete. Der Bundestrainer wollte ihn für jene Amateur-Nationalmannschaft gewinnen, die 1952 bei den Olympischen Spielen in Helsinki kicken sollte. Der so Umworbene aber mochte nicht vom Hockey lassen. Er war Kapitän, zugleich auch Trainer und Manager jenes Teams, das sich zum Ziel gesetzt hatte, auf alle Fälle die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne anzupeilen. Aus Kostengründen und vermeintlicher Chancenlosigkeit hätte so mancher Funktionär die Herren mit dem Krummstab am liebsten daheim gelassen. Budinger aber setzte zwei Jahre zuvor gegen den Widerstand des Präsidiums des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) eine Reise nach Pakistan durch, die er quasi als Bildungsreise für Nationalspieler anpries. Budingers Erkenntnis nach der Tour: „Die Asiaten spielen mit viel kürzeren Keulen, weshalb sie den Hockeyschläger viel geschickter am Ball führen konnten und einen sogenannten Drehgriff beherrschten, den wir noch gar nicht kannten.“ Fortan wurden entsprechende Schläger importiert, der Drehgriff zählte zum Repertoire der Europäer.

Spielmacher Budinger, der auf dem Rasen im rechten Mittelfeld die Impulse setzte, warb ständig dafür, altbackene Methoden und überholte Regeln der modernen Entwicklung anzupassen. Hockey ließ er mit Libero spielen. Den Schachzug hat er sich vom Fußball abgeguckt. In Melbourne gewannen die Inder Gold, Pakistan Silber und Deutschland Bronze. Budingers Team unterlag Indien 0:1 und trotzte Pakistan ein 0:0 ab. Der strenge Lehrmeister Carl Diem notierte in sein Tagebuch, das er während der Sommerspiele führte: „Budinger verpaßte, obwohl ungedeckt, die einzige Torchance und schoß haushoch über die Latte.“ Die Zeiten, da Deutschland im Hockey deklassiert wurde, gehörten der Vergangenheit an. Zwischen 1951 und 1961 summierten sich für Budinger 59 Einsätze im Nationaltrikot, darunter drei Teilnahmen an Olympischen Spielen.

Kaum zum Sportwart des DHB gewählt, erlebte Budinger ein besonderes Kapitel deutscher Hockeygeschichte in einem geteilten Land. Rund 1000 Stunden wurde verhandelt, bis die letzte gesamtdeutsche Olympiamannschaft für die Spiele in Tokio 1964 zustande kam. Letztlich die Hockeyspieler sollten darüber entscheiden, welcher Teil Deutschlands den Chef de Mission stellte. Zwischen den Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland und der DDR war vereinbart worden, dass der Vertreter desjenigen deutschen Staates den ersten Olympia-Repräsentanten benennen darf, der mit den meisten Athleten im Team vertreten ist. Das Qualifikations-Hinspiel im Berliner Hockey-Stadion gewann die DHB-Auswahl standesgemäß 4:2, doch das Rückspiel in Jena ging mit 0:1 verloren. Eine zweite Spielrunde wurde notwendig, die diesmal in Jena begann, wo es wiederum ein 0:1 setzte. Als das letzte Qualifikationsspiel in West-Berlin schließlich beim Stande von 2:2 abgepfiffen wurde, war die Enttäuschung nicht nur beim DHB grenzenlos. Die ostdeutschen Athleten überwogen nun im Verhältnis 194:182 in der letzten gesamtdeutschen Olympiamannschaft, deren Chef de Mission in Tokio vom NOK der DDR gestellt wurde. Budinger bewahrte auch in dieser bitteren Stunde Haltung und Stil. Es entsprach seinem Naturell, umgehend auf Korrektur jener Defizite zu drängen, die offenkundig geworden waren: Im Vergleich zu den Staatsamateuren fehlte es an Kondition, auch an der Konsequenz, die Leistungssport erfordert.

Im Wettkampf der Systeme aus West und Ost entdeckte die westdeutsche Sportführung, als Bilanz gezogen wurde, dringenden Nachholbedarf. Auch ein Schock will in Deutschland gründlich verarbeitet sein. Willi Weyer, der Präsident des Landessportbundes von Nordrhein-Westfalen und spätere Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB) war es, der Hugo Budinger die Leitung der zu gründenden Trainerakademie des DSB antrug. Gescheite Trainer für den Leistungssport brauchte das Land. 1974 begann der erste Lehrgang. Für Budinger an der Spitze, von Beginn an Herz und Kopf der Trainerakademie, sprachen seine Visionen, sein ganzheitlicher Ansatz. „Von anderen Sportarten lernen“ hat er den Spezialisten mit auf den Weg gegeben. Hockey war für ihn nie eine Einbahnstraße. „Er ist ein Glücksfall für unseren Sport und hat das moderne Hockey in Deutschland wie kein anderer geprägt.“ Es war der Kernsatz der Glückwunschrede zum 60. Geburtstag des nach langjähriger Tätigkeit aus dem Präsidium des DHB ausscheidenden Hugo Budinger, gesprochen von Wolfgang Rommel, Präsident des Deutschen Hockey-Bundes. An der Einführung der Hockey-Bundesliga Ende der 1960er Jahre war Budinger maßgeblich beteiligt, Hallenhockey entwickelte sich zu seinem Steckenpferd. Auf der Suche nach Perfektion hat er den Bau von Kunstrasenprojekten gefördert und befürwortet, wo er nur konnte, ferner die Projekte „Breitensport“, „Mini-Hockey“, die verstärkte Förderung des Schulhockeys sowie die Einrichtung des Bundesleistungszentrums.

Als Mittvierziger begann Budinger zu studieren, promovierte 1979 im hohen Alter von 52 Jahren zum Doktor der Sportwissenschaft, weil er sich als interdisziplinärer Chef in die Pflicht genommen hatte, den akademischen Titel zu erwerben. Er hat es sich und den Bewerbern der Akademie nie leicht gemacht. Nur für Kenner und Könner ihrer Sportart sei das Institut offen, pflegte er zu sagen. Voraussetzung war die A-Trainerlizenz des Fachverbandes, der Nachweis über fünf Jahre Trainertätigkeit und die Empfehlung des Fachverbandes. Man habe ein „durchaus elitäres Selbstverständnis“ gestand Budinger ein, der schon auf dem Spielfeld als natürliche Autorität empfunden wurde. Ein Pionier der Lehre, der sein Wissen blumig und bildlich vermittelte, gerne Beispiele aus der Vergangenheit beisteuerte, garniert mit rheinischem Humor, wie sich Klaus Kleiter erinnert. Kleiter wurde der erste hauptamtliche Bundestrainer, den sich der DHB auf Betreiben Budingers leistete.

Schlagfertig ist er geblieben – eine Anspielung nicht nur auf den im fortgeschrittenen Alter favorisierten Umgang mit dem Golfball. Die Liste der inzwischen prominenten Übungsleiter – von Heiner Brand bis Hans Zach, die bei ihm das Laufen lernten, ist lang. „Wir bilden ohne Ballast aus“, war keine Floskel des Leiters der Akademie, sondern Realität. Hugo Budinger war mehr Macher denn Intellektueller. „Ihm war es gegeben, seine Erfahrung und sein Wissen anschaulich weiterzugeben“, erinnert sich Bernhard Peters. Es ist jener ehemalige Hockeytrainer, den Jürgen Klinsmann als Assistent an seiner Seite haben wollte und dem der Fußball-Stallgeruch fehlte, wie Fußball-Funktionäre meinten. Zu diesem Zeitpunkt stand Mister Hockey, wahlweise der Weiße Inder, längst über den Dingen. So mancher Trainer wie Peters rechnet sich zu Budingers Jüngern: „Er war Vorbild und Ikone, Sinnbild all dessen, wovon ich träumte.“

Hans-Joachim Leyenberg, Mai 2011

Literatur zu Prof. Dr. Hugo Budinger:

Volker Kluge: Olympische Sommerspiele. Die Chronik Teil 2. Berlin 1998
Hugo Budinger, Wolfgang Hillmann, Wolfgang Strödter: Hockey – Training, Technik, Taktik. Überarbeitete Auflage, Reinbek bei Hamburg 1989


Weitere Mitglieder der Hall of Fame

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