Josef Neckermann

Reitsport

  • Name Josef Neckermann
  • Sportart Reitsport
  • Geboren am 5. Juni 1912 in Würzburg
  • Todestag 13. Januar 1992 in Dreieich
  • Aufnahme Hall of Fame 2006
  • Rubrik Gestalter & Denker

Der „Bettler der Nation“

Als Dressurreiter gewann Josef Neckermann zwischen 1956 und 1981 insgesamt 333 Turniere, sechs olympische Medaillen, darunter zweimal Gold mit der deutschen Mannschaft 1964 und 1968, und die WM-Titel 1966 im Einzel und mit der Mannschaft. Erstmals nahm er 1960 in Rom an Olympischen Spielen teil und ritt auf Anhieb zu Bronze im Einzelwettbewerb. Neckermann war Gründer des gleichnamigen Versandhauses, das er zum größten seiner Art in Deutschland ausbaute.

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Um geschäftlich vorwärts zu kommen, machte er in der NS-Zeit allerdings Zugeständnisse an die Machthaber. Seine Reitbegeisterung ließ ihn schon als Jugendlicher der SA Reiterstaffel in Würzburg beitreten. Er trat auch früh der NSDAP bei und profitierte vom Erwerb jüdischer Unternehmen. Im Entnazifizierungsverfahren wurde er als „Mitläufer“ eingestuft. Im westlichen Nachkriegsdeutschland stieg Neckermann zu einer Symbolfigur des Wirtschaftswunders auf. Zum Lebenswerk von Josef Neckermann zählte neben seinem beruflichen und sportlichen Erfolg die Stiftung Deutsche Sporthilfe. Er hatte deren Vorsitz von der Gründung 1967 bis Ende 1988 inne. Der auch als „Bettler der Nation“ bezeichnete Neckermann war als Sporthilfe-Chef einer der fleißigsten Spendensammler für den Sport: In seiner Zeit als Vorsitzender wurden von der Sporthilfe rund 18.000 Athleten mit 230 Millionen D-Mark gefördert.

Josef Neckermann

Reitsport

Größte Erfolge

  • Olympia-Gold 1964 und 1968 mit der Dressurmannschaft
  • Olympia-Silber 1968 (Einzel) und 1972 (Mannschaft)
  • Olympia-Bronze 1960 und 1972 (Einzel)
  • Doppel-Weltmeister 1966 (Einzel und Mannschaft)
  • Vierfacher Mannschafts-Europameister (1965, 1967, 1969, 1971)

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Auszeichnungen

  • Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (1982)
  • Hessischer Verdienstorden (1990)
  • Hans-Heinrich-Sievert-Preis (1987)
  • Sonderstufe des Ehrenzeichens der Reiterlichen Vereinigung (1982)
  • Ehrendoktor der Universität Gießen (1970)
  • Silbernes Lorbeerblatt (1966)
  • Goldenes Band der Sportpresse (1966)
     

Biografie

Der Leistungssport in Deutschland ist ohne Josef Neckermann nicht vorstellbar. Zwischen 1967 und 1988 verbesserte der „Vater der Athleten“ als Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe die Chancen der bundesdeutschen Sportler gegenüber den Staatsamateuren des Ostblocks und den professionellen amerikanischen College-Sportlern. Der mehrmalige Olympiasieger und Weltmeister im Dressurreiten wusste als einer der Ihren, wo die Athleten der Schuh drückte. Der „Bettler der Nation“ putzte bei den Großen der Wirtschaft, zu denen der „Versandhaus-König“ Zugang hatte, persönlich Klinken.

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Willi Daume, der Präsident des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees, hatte den Unternehmer im Mai 1967 vierzehn Tage vor Gründung der Sporthilfe überredet, den Vorsitz zu übernehmen. Ein Glücksgriff. Denn Neckermann handelte auch auf diesem Feld nach seiner Lebensdevise: „Was du tust, das tue ganz.“ In den 21 Jahren seiner Amtszeit, die er Ende 1988 aus gesundheitlichen Gründen beendete, förderte die Sporthilfe 18.000 Athleten mit 230 Millionen Mark. Ein nicht geringer Teil davon stammte aus Erlösen der „Sportbriefmarke“ und der Lotterie „Glücksspirale“. 90 Millionen Mark holte Neckermann durch persönliche Ansprache, vor allem aber durch spektakuläre Aktionen herein.

Für Aufsehen sorgte er 1969 mit dem Konzert der Berliner Philharmoniker unter Leitung von Herbert von Karajan zugunsten der Sporthilfe. Nicht wenige der Spitzen von Politik und Wirtschaft wurden von linken Demonstranten auf dem Weg ins Frankfurter Opernhaus mit Eiern und Tomaten beworfen. Dennoch wurde das Ereignis ein voller Erfolg und trug der Stiftung 340.000 Mark ein. Ein Jahr später feierte in der Messestadt der „Ball des Sports“ seine Premiere – bis auf den heutigen Tag die bedeutendste Benefizveranstaltung Europas und der renommierteste Ball Deutschlands. Wichtiger noch als der Erlös von jeweils einer Million bis zwei Millionen Mark für die Sporthilfe war die gesellschaftliche Anerkennung, die damit für den gesamten bundesdeutschen Sport verbunden war. In einer Zeit, in der Intellektuelle und Prominente den Sport noch von oben herab behandelten, wirkte es sensationell, dass sich nun Bundespräsident, Bundeskanzler, Minister, Konzernchefs Seite an Seite mit Showstars und Athleten beim „Ball des Sports“ vergnügten. Neckermann war damit ein spektakulärer Durchbruch gelungen. Der Quereinsteiger, der in einem kämpferischen Spannungsverhältnis zu den Sportfunktionären agierte, vollzog lange vor den traditionellen Sportorganisationen den Schulterschluss mit der Wirtschaft und der Politik.

„Einen harten Brocken“ hat sich der Sohn eines wohlhabenden Würzburger Kohlen-Großhändlers und Reeders in seinen Memoiren treffend genannt. Darüber täuschte in der Öffentlichkeit seine Verbindlichkeit hinweg, mit seinem steten Lächeln und der Höflichkeitsbezeigung per Handkuss. Sein Vater, der 1928 starb, nahm ihm das Versprechen ab, mit dem Reiten aufzuhören, sich um die berufliche Ausbildung zu kümmern und dann das Unternehmen zu leiten. Der Sohn verließ mit der Mittleren Reife das Realgymnasium und absolvierte eine Banklehre. 1934 heiratete er seine Jugendliebe Annemarie, mit der er bis zu ihrem Tode im Jahre 1989 zusammen lebte. Um geschäftlich vorwärts zu kommen, machte er Zugeständnisse an die damaligen Machthaber. Er trat früh der NSDAP bei, wurde Mitglied der Reiter-SA und profitierte im Zuge der so genannten „Arisierung“ vom Erwerb mehrerer jüdischer Warenhäuser und Versandunternehmen. Nach dem Kriege musste er die Vorteile aus der Arisierung im Zuge der Wieder-Gutmachung laut richterlichen Beschluss wieder aufgeben und voll entschädigen. Die Gelder dazu entnahm er der neu gegründeten Firma Neckermann. 1938 zog er nach dem Kauf der „Wäschemanufaktur Carl Joel“ mit seiner Frau und seinen Kindern Peter und Evi (als verheiratete Pracht Olympia-Dritte mit der kanadischen Dressur-Mannschaft) nach Berlin um. Dort wurde 1942 der zweite Sohn Johannes geboren, der später zu einem engen Mitarbeiter seines Vaters werden sollte.

Die Organisation Todt ließ von dem jungen Unternehmer Decken und Bettüberzüge, „Blaumänner“ und warme Unterwäsche für zigtausende Arbeiter am Westwall produzieren. 1941 wurde Neckermann zum ehrenamtlichen Referenten der „Reichsstelle Kleidung“ im Reichswirtschaftsministerium berufen, zu deren stellvertretendem Leiter er 1944 avancierte. Ende des Jahres 1941 gründete er im Auftrag des Ministeriums die „Zentrallagergemeinschaft für Bekleidung“ (ZLG), die unter anderem die Arbeiter in der Rüstungsindustrie und den Ziviltross der Wehrmacht belieferte. Vom Winter 1942/1943 an stattete die ZLG einen beträchtlichen Teil der Soldaten mit Winteruniformen aus.

Mit Glück überstand die Familie Neckermann den Krieg unversehrt. Als ihr Haus in Berlin bombardiert wurde, hielt der Luftschutzkeller, in den sich alle geflüchtet hatten, stand. Ein Großteil der Firmengebäude in Würzburg wurde zerstört. Nach dem Zusammenbruch wurde Josef Neckermann von einem amerikanischen Militärgericht zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt, weil er angeblich verbotener Weise versucht hatte, seine Geschäfte in Würzburg wieder in Betrieb zu nehmen. Die Hälfte seiner Haftzeit musste er wegen Tbc im Krankenhaus behandelt werden.

Im Entnazifizierungsverfahren als „Mitläufer“ eingestuft, durfte sein Name erst wieder 1951 für die „Neckermann Versand KG“ im Handelsregister stehen, die mit den Firmen der Kriegszeit nur den Namen teilte. Von Frankfurt am Main aus begann ein ungeahnter Aufstieg des Unternehmens, begleitet von Anfeindungen der Konkurrenz im Textil- und Versandhandel, die den Franken mit seinen unorthodoxen Methoden als Preisbrecher fürchtete. Vom Fernseher bis zum Kühlschrank, vom Fertighaus bis zur Italien-Reise konnten die Bundesbürger preiswert ihren Nachholbedarf decken. Und der Slogan „Neckermann macht’s möglich“ wurde zu einem Motto des Wirtschaftswunders der jungen Bundesrepublik. Der Würzburger vom Jahrgang 1912 arbeitete oft bis in die Nacht hinein. Und so wie er sich selbst als Unternehmer, Dressurreiter oder Sporthilfe-Vorsitzender forderte, verlangte er als autoritärer Chef auch von seinen Mitarbeitern einen Rundumeinsatz. Für sein enormes Arbeitspensum zahlte der Zigarettenraucher früh mit einem Herzinfarkt. Nach dem Ausstieg des Großindustriellen Friedrich Flick im Jahre 1963 war der Kapitalverlust für das Versandhaus nur schwer zu verkraften. Ein zu riskanter Jubiläumsverkauf führte 1975 erstmalig zu einem negativen Jahresergebnis und endete 1976 mit der Übernahme durch den Karstadt-Konzern. Ein schwerer Schlag für Josef Neckermann, der sein Unternehmen verlassen musste.

Eine jährliche Apanage von 800.000 Mark, die ihm Karstadt bewilligte, erlaubte ihm, sich von da an ganz der Führung der Sporthilfe zu widmen, deren Spendenaufkommen in den achtziger Jahren im Zuge der Kommerzialisierung deutlich sank. Zwar brauchte die Stiftung nach dem Olympischen Kongress von Baden-Baden 1981 keine Rücksichten mehr auf den Amateurparagraphen des IOC zu nehmen. Dafür wurde nun ein nicht geringer Teil des Geldes an Prämien für Medaillengewinner ausgeschüttet. Neckermann musste modernere Methoden der Akquisition entwickeln, um die notwendigen Finanzmittel aufzubringen. Sein Renommee als Vorsitzender der Sporthilfe und als erfolgreicher Dressurreiter bewahrte ihm auch nach dem Niedergang seines Wirtschafts-Imperiums die gesellschaftliche Anerkennung, die sich nach wie vor in der Präsenz hochrangiger Gäste beim Ball des Sports manifestierte. Mit seinem Eintreten für den Boykott der Olympischen Spiele von Moskau 1980 enttäuschte er „seine“ Athleten und bezeichnete dies später als einen unverzeihlichen Fehler.

Der Reitsport, den Josef Neckermann Anfang der fünfziger Jahre wieder aufgenommen hatte, schenkte ihm Freude und Kraft. Anfangs machte er als Springreiter von sich reden, der einmal beim Deutschen Spring-Derby sogar den berühmten Fritz Thiedemann hinter sich ließ. Ein schwerer Sturz bewog ihn, sich auf die Dressur zu verlegen. Diszipliniert wie er war, schaltete er jeden Morgen von 6.30 Uhr an zwei Stunden Training im Dressur-Viereck dem Dienst in der Unternehmens-Zentrale vor. Hoch motiviert und eminent trainingsfleißig, nahm der Achtundvierzigjährige als ältestes Mitglied der gesamtdeutschen Mannschaft 1960 an den Olympischen Spielen von Rom teil. Und gewann mit Asbach die Bronzemedaille. Auf Antoinette, Mariano und Venetia krönte er seine sportliche Karriere mit zwei olympischen Team-Goldmedaillen (1964 und 1968) sowie einem Doppelsieg bei der Weltmeisterschaft 1966 (Einzel und Mannschaft). Bei seinem Abschied 1981 in der Aachener Soers feierte das Publikum „Necko“ so herzlich, dass sogar den „dressierten Mann“ die Tränen übermannten. Als Josef Neckermann 1992 in Dreieich bei Frankfurt starb, verlor Deutschland einen seiner großen Unternehmer, einen vorzüglichen Sportsmann und einen der entscheidenden Gestalter des Spitzensports.

Steffen Haffner

Literatur zu Josef Neckermann:

Josef Neckermann, Harvey T. Rowe, Karin Weingart: Erinnerungen (Autobiographie). Berlin 1990
Patricia Wiede: Josef Neckermann. Berlin 1999
Thomas Veszelits: Die Neckermanns. Campus, Frankfurt/M. 2005


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