Hans Günter Winkler

Reitsport

  • Name Hans Günter Winkler
  • Sportart Reitsport
  • Geboren am 24. Juli 1926 in Wuppertal-Barmen
  • Todestag 9. Juli 2018 in Warendorf
  • Aufnahme Hall of Fame 2006
  • Rubrik Nach 1945

Erfolgreichster Springreiter der Welt

* Diese Biografie wird aktuell wegen neuer, zeithistorischer Erkenntnisse von Expert:innen im historischen Kontext eingeordnet. Hierzu erfolgt anschließend eine entsprechende Kommunikation.

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Hans Günter Winkler ist weltweit der erfolgreichste Springreiter aller Zeiten bei Olympischen Spielen. Bis zu seinem Abschied 1986 sammelte er zwischen 1956 und 1976 fünf olympische Goldmedaillen sowie je eine Silber- und Bronzemedaille. Zweimal wurde er Weltmeister, einmal Europameister.

Legendenstatus erreichten Winkler und sein berühmtestes Pferd Halla schon am 17. Juni 1956. Damals fanden die Reiterspiele in Stockholm statt, da Pferde nicht in die australische Olympiastadt Melbourne eingeführt werden durften. Im ersten Durchgang der Mannschafts- und Einzelentscheidung zog sich Winkler einen Muskelriss zu und konnte sich nur noch mühsam im Sattel halten. Halla trug ihn über die Hindernisse ins Ziel. Nach einer Behandlung, bei der zunächst ein Leistenbruch diagnostiziert wurde, saß Winkler für den zweiten Durchgang wieder im Sattel, hatte jedoch kaum die Möglichkeit, sein Pferd zu korrigieren. Unter großen Schmerzen gewann er dennoch mit einem Null-Fehler-Ritt Gold für die Mannschaft sowie im Einzel und Halla wurde zur „Wunderstute“.

Der heutige Blick auf die Nachkriegshelden des deutschen Sports gilt auch ihrer Vergangenheit in der Nazi-Zeit: Winkler wurde 1943 zum Arbeitsdienst und 1944, mit 18 Jahren, zur Wehrmacht eingezogen, mit 17 Jahren trat er in die NSDAP ein, was jedoch erst nach seinem Tod bekannt wurde. Seine Biografie wird deshalb aktuell noch einmal sporthistorisch überprüft.

Hans Günter Winkler

Reitsport

Größte Erfolge

  • Olympia-Gold im Einzel 1956 (auf Halla)
  • Olympia-Gold Mannschaft 1956, 1960, 1964 und 1972
  • Weltmeister im Einzel 1954 und 1955
  • Europameister im Einzel 1957
  • Fünfmal Deutscher Meister (1952, 1953, 1954, 1955, 1959)

Auszeichnungen

  • Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (2008)
  • Deutsches Reiterkreuz in Gold mit Brillanten (2006)
  • Goldene Sportpyramide (2000)
  • Weltbester Springreiter bei Olympischen Spielen (2002)
  • Landesorden Nordrhein-Westfalen (1991)
  • Bambi (1990)
  • Goldenes Ehrenzeichen des Reiter-Weltverbandes (1976)
  • Fahnenträger der deutschen Olympiamannschaft 1976
  • Großes Bundesverdienstkreuz (1975)
  • Ehrenbürger der Stadt Warendorf (1956)
  • Sportler des Jahres 1955 und 1956
  • Silbernes Lorbeerblatt (1954)
  • Ehrenmitglied der Deutschen Reiterlichen Vereinigung
  • Mitglied des Ehrenkomitees der Spanischen Hofreitschule
  • Goldenes Band der Sportpresse (1956)

Biografie

Noch im hohen Alter war Hans Günter Winkler schlank und fast so kerzengerade wie eh und je. In seinen kleingemusterten Jacketts lief er über die Parcours und ihm war stets bewusst, wofür er stand: Eine Legende des Reitsports. Jahrzehntelang war er für die Deutschen der Reiter schlechthin, ja, beinahe das Synonym für Springreiten.

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Und Winklers Großtaten blieben lange Zeit so frisch wie der Mann selbst. Er war eine Identifikationsfigur des deutschen Sports, wie sie nur die fünfziger Jahre hervorbringen konnten, die Ära des „Wunders von Bern“ und des „Wir sind wieder wer“. Mit seinem goldenen Olympia-Ritt 1956 in Stockholm lieferte er den Deutschen seine eigene, unvergessliche Sternstunde des Sports, zusammen mit seiner Stute Halla. Erst nach Jahrzehnten, seinem eigenen Tod und dem Tod seiner Zeitgenossen im Jahr 2018 fing seine Legende im allgemeinen Erinnerungskanon an zu verblassen. Der heutige Blick auf die Nachkriegshelden des deutschen Sports gilt auch ihrer Vergangenheit in der Nazi-Zeit: Winkler wurde 1943 zum Arbeitsdienst und 1944, mit 18 Jahren, zur Wehrmacht eingezogen, mit 17 Jahren trat er in die NSDAP ein.

Winklers Trophäenkammer zu Hause in Warendorf, auf die er gerne einmal im Gespräch Bezug nahm, war wohlgefüllt. Die wichtigsten waren die sieben olympischen Medaillen, fünfmal Gold, einmal Silber und einmal Bronze. Dazu kamen zwei Weltmeister- und ein Europameistertitel. Vielleicht wird eines Tages ein Springreiter diesen Rekord überflügeln. Aber zum Status eines solchen Nationaldenkmals kann es angesichts der völlig veränderten Medienwelt wohl kein Reiter mehr bringen. 1956 war Winklers Ritt ein Wochenschau-Hit in den Kinos, wer es nicht gesehen hatte, bekam das Geschehen in seiner ganzen Dramatik erzählt: Das Schicksal nahm seinen Lauf, als Winkler sich in der ersten Runde des Nationenpreises, in dem sich der Mannschafts- und der Einzel-Olympiasieg entschied, verletzte. Über dem Sprung gab sich Halla noch einmal einen Ruck, Winkler musste die Knie zusammenpressen, um nicht herunterzufallen, und zog sich einen Muskelriss in der Leistengegend zu. Er rettete sich ins Ziel und musste aus dem Sattel gehoben werden, doch an Aufgeben war nicht zu denken, die Mannschaft brauchte Winkler in der zweiten Runde. Also verabreichte ihm zunächst der Tierarzt ein ominöses „Riesenzäpfchen“. Ein deutscher Arzt, der als Zuschauer zugegen war, animierte schließlich den schwedischen Bahnarzt, ihm eine schmerzlindernde Spritze zu geben. In Winklers Autobiographie „Meine Pferde und ich“ ist von einer Morphiumspritze die Rede – was seit 1953 laut Anti-Doping-Reglement des Deutschen Sportbundes, das jede Zufuhr künstlicher Stoffe untersagte, eigentlich verboten war. Damit er wieder klar wurde, trank er außerdem eine große Menge Kaffee. So konnte Winkler die zweite Runde zwar bestreiten. Doch bei jedem Sprung schrie er auf. Mit minimalen Hilfen steuerte er sein Pferd über den Parcours: „Körper nach vorwärts, und ab ging die Post.“  Er schwankte im Sattel, sackte nach jedem Sprung tief zusammen, doch Halla galoppierte ruhig weiter und überwand ein Hindernis nach dem anderen fehlerfrei.

Mit dem einzigen Null-Fehler-Ritt des Tages sicherten Winkler und seine Stute den doppelten deutschen Olympiasieg. Hallas Anteil an diesem Gold wird bis heute hoch geschätzt. In der Warendorfer Pferdezentrale wurde der Stute, die einst als „unreitbares“ Rennpferd zu Winkler kam, ein Denkmal gesetzt. Kein anderes Turnierpferd darf ihren Namen tragen. Und Winkler pries sie selbst stets in den höchsten Tönen: „Sie konnte alles, inklusive Zeitung holen.“ Hallas Name ist vielleicht sogar noch berühmter als der Winklers. Sie steht für das brave, tapfere und loyale Springpferd, doch brav war sie in Wirklichkeit nie. Sie war ein Pferd, das keiner gewollt hatte, das von der Rennbahn kam und nicht zu bändigen war. Man hatte sie als „verrückte Ziege“ gebrandmarkt, weil sie ihre anderen Reiter mit ihren Launen an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte. Winkler war Hallas letzte Chance, und er fand den Schlüssel zu der hochsensiblen Stute. „Wie eine kapriziöse Frau wollte Halla nicht körperlich angefasst werden“, erzählte er. „Ein schwieriges Unterfangen bei einem Reitpferd.“

„Wenn ich auf dem Höhepunkt meiner Karriere hätte aufhören sollen, dann hätte ich nach Stockholm meinen Abschied nehmen müssen“, pflegte Winkler in den folgenden Jahrzehnten zu sagen, allerdings war er da erst 29 Jahre alt. Er bekam nie wieder eine zweite Halla unter den Sattel. Vier Jahre später in Rom trug Halla noch einmal zum Mannschaftsgold bei. „Alle Pferde, die ich danach hatte, waren dagegen normal“, sagt Winkler. Immerhin gut genug für weitere Olympiamedaillen: 1964 Team-Gold mit Fidelitas, 1968 Team-Bronze mit Enigk, 1972 Team-Gold mit Torphy, 1976 Team-Silber mit Torphy. Seine großen internationalen Erfolge errang er auf sieben verschiedenen Pferden. 1986 beendete er mit einer Ehrenrunde bei der Weltmeisterschaft in Aachen mit 60 Jahren seine aktive Laufbahn. Er sei nicht traurig gewesen damals, erzählte er später, sondern froh, dass er die Karriere im Springsattel heil überstanden hatte. Es warteten bereits neue Aufgaben auf ihn als Bundestrainer und Ausbildungsleiter in Warendorf. 1988 in Seoul führte er als Equipe-Chef die deutschen Springreiter zur olympischen Goldmedaille. Noch eine wichtige Station auf einem langen Weg.

Schon als Kind hatte Winkler mit Pferden zu tun. Sein Vater Paul Winkler unterhielt im Frankfurter Hippodrom eine Reitschule. „Als Sohn des Reitlehrers bekam ich natürlich die schwierigen Pferde“, sagte Winkler. Das hielt ihn aber nicht von dem Wunsch ab, Soldat bei der Kavallerie zu werden. Doch es kam anders. Wie bei allen deutschen Männern seiner Generation bestimmte der Zweite Weltkrieg den Lebensweg. Bereits mit 17 Jahren wurde er zum Arbeitsdienst, ein Jahr später zur Wehrmacht eingezogen. 1944 war er in die NSDAP eingetreten, was allerdings erst nach seinem Tod bekannt wurde. In Thüringen, wo er als Flakhelfer eingesetzt war, geriet er in amerikanische Gefangenschaft. 1945 kehrte er mit 19 Jahren aus Belgien zurück. Die entsprechende Passage in „Meine Pferde und ich“, liest sich wie ein Distanzieren von dem verblendeten Jungen, der er als junger Soldat noch gewesen war: „Wie vielen meiner Altersgenossen wurde mir die Militärzeit dadurch erleichtert, dass ich noch ehrlich an einen Sinn unseres Einsatzes glaubte und so etwas wie Begeisterung für den täglichen Dienst aufbrachte. Mein jugendlicher Glaube, dass dieser totale Krieg gekämpft werden musste, wurde noch nicht einmal erschüttert, als uns ein furchtbarer Schlag traf: Nicht genug, dass Frankfurt fast jede Nacht bombardiert und unsere Wohnung durch Brandbomben und Wasserschäden demoliert wurde – in den allerletzten Kriegswochen fiel noch mein Vater an der Westfront.“

Der junge Winkler fand eine Arbeit als Stallbursche und Gärtner bei der Landgräfin von Hessen in Kronberg. Er musste ganz unten anfangen. Doch mit seinem Job in Kronberg begann sein Aufstieg. Er konnte sich gleichzeitig als Hilfsreitlehrer für amerikanische Offiziere betätigen und machte seine Sache so gut, dass er den Militärgouverneur, General Dwight D. Eisenhower, auf Ausritten begleiten durfte. Es heißt, Eisenhower sei so begeistert von Winkler gewesen, dass er ihn sogar adoptieren wollte. Winkler aber absolvierte in Frankfurt eine Ausbildung als Textilkaufmann, hielt nebenbei mit zwei Freunden Pferde und stieg in die Turnierszene ein.

Das war der Beginn seiner glanzvollen Karriere, die ihn bis auf olympische Gipfel trug. Bei all dem hat Winkler aber seine Herkunft nie vergessen. „Ich werde wohl nie die Angst verlieren, noch einmal arm zu sein“, sagte er einst der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. All seine Reichtümer und Auszeichnungen halfen dagegen nicht. Und Winkler, der sich auf dem Birkenhof in Warendorf ein schmuckes Zuhause geschaffen hatte, wurde vielfach geehrt. 1955 und 1956 wählten ihn die Sportjournalisten zum „Sportler des Jahres“, 1960 und 1970 zum „Sportler des Jahrzehnts“. 1975 wurde er von der Bundesrepublik Deutschland mit dem Großen Verdienstkreuz ausgezeichnet. 1976 erhielt er zum 50. Geburtstag das Ehrenzeichen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in Gold mit olympischen Ringen, Lorbeerkranz und Brillanten. Zum 65. Geburtstag ehrte ihn die FN mit dem Reiterkreuz in Gold. Und er gehört zu den Gründungsmitgliedern der „Hall of Fame des deutschen Sports“.

Winkler war immer ein Perfektionist, ein konsequenter Mann der Tat. Weil er fand, dass die deutschen Springreiter immer mehr technische Defizite aufwiesen, gründete er einst eine Nachwuchsserie, aus der so große Talente wie Marcus Ehning, Toni Hassmann oder Rene Tebbel hervorgingen. Winkler verlangte von den Menschen, die mit Pferden zu tun haben, Klasse, Charakter und Selbstkontrolle, aber auch Fähigkeit, sich einem Ausbilder widerspruchslos unterzuordnen. „Hinter jeder großen Leistung stecken immer eiserner Fleiß und eiserne Disziplin“, sagte er oft. Ein Mann der fünfziger Jahre eben. In seinen späteren Jahren betätigte Winkler sich als Turnierveranstalter und Sportvermarkter. Am 9. Juli 2018 starb er 15 Tage vor seinem 92. Geburtstag in Warendorf. 

Evi Simeoni, Juni 2024

 

Literatur zu Hans Günter Winkler:

Hans Günter Winkler: Halla, meine Pferde und ich! Warendorf 2007
Dieter Ludwig: Hans Günter Winkler. Warendorf 1983
Eckhard F. Schröter: Das Glück dieser Erde. Leben und Karriere deutscher Springreiter. Frankfurt/M. 1980


Weitere Mitglieder der Hall of Fame

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