Tennis
Tennis
1987 gewinnt die damals 17-jährige Steffi Graf ihr erstes Grand-Slam-Turnier: Die French Open. Ein Erfolg, den sie sechsmal wiederholen wird, u.a. in ihrem erfolgreichsten Jahr 1988.
In Melbourne folgt der nächste Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier. 1988 gewinnt Steffi Graf ihren ersten von vier Titeln bei den Australian Open.
Die meisten Siege holt Steffi Graf in Wimbledon - Auf ihren ersten Triumph 1988 folgen bis 1996 sechs weitere Titel.
Doch damit nicht genug - durch ihre Goldmedaille bei den Olympischen Spielen von Seoul gelingt ihr der "Golden Slam".
In ihrer beeindruckenden Karriere gewinnt sie 22 Grand-Slam-Titel und ist 377 Wochen die Nummer 1 der Weltrangliste.
Zwei Jahre später heiratet sie den amerikanischen Tennis-Star Andre Agassi, mit dem sie heute in Las Vegas lebt.
Als sie damals erklärte, sie wolle die Nummer eins werden, war sie gerade vierzehn Jahre alt – ein schüchternes Mädchen mit den Ecken und Kanten eines Teenagers und schönen blonden Haaren. Es gab damals auf der Welt sicherlich eine Million junger Mädchen, die alle den gleichen Wunsch hegten. Der jungen Steffi Graf schien die Sache mit der Nummer eins vielleicht doch ein wenig zu hoch gegriffen – es klang wie eine Entschuldigung, als sie hinzufügte, dass sich das viele Trainieren ja auch einmal lohnen müsse. Es war nicht auszuschließen, dass ihr die Aussage zwischen Trotz und Verlegenheit ein bisschen peinlich war. Stefanie Maria Graf hat nie ihr Herz auf der Zunge getragen.
Wenn man der Legende Glauben schenkt, hat der Tennislehrer-Vater irgendwann um 1973 an einem leichten Schläger den Griff verkürzt, um es der Vierjährigen etwas leichter zu machen. In der Familiengeschichte heißt es weiter, dass man im Wohnzimmer des Reihenhauses im badischen Brühl das Sofa beiseiteschob, und sich den Ball darüber zuschupfte. Es ist einigermaßen fraglich, ob diese Übungen der Mutter Heidi besonders gefielen. Es ist mitunter nicht ganz leicht, die Grenzen solcher wunderbaren Geschichten zu erkennen, weil sie lange her sind. In der Vergangenheit verklären sich manche Begebenheiten zu bedeutungsschweren Taten. Das kommt gerade in der Entwicklung junger Sportler nicht selten vor. Das ist immer jener Punkt, an dem die Eltern eine entscheidende Rolle in der Entwicklung spielen.
Die Zahl jener Fälle, in denen selbst das talentierteste Kind in einem bestimmten Alter den Spaß an den ewig gleichen Übungen verliert, ist sehr groß. Steffi Graf verlor nicht die Lust daran. Sie wurde zur besten Tennis-Athletin der Welt – sie behielt diese Position von 1987 bis 1995 insgesamt 377 Wochen lang. Im modernen Sport gibt es den allgewaltigen Computer, der so etwas berechnet. Eine solche Serie besteht nur zum geringsten Teil aus Siegerehrungen, sondern hauptsächlich aus unermüdlicher Arbeit. Sie wurde zum Star, ob sie wollte, oder nicht – eine attraktive junge Frau, die erkennen musste, dass einer, der sein Geld mit der Öffentlichkeit verdient, diese Öffentlichkeit manchmal auch erdulden muss. Steffi Graf wurde zur Nummer drei in der Welt, als sie noch kein einziges Turnier gewonnen hatte. Die beiden älteren Damen vor ihr – die herbe Martina Navratilova und die lebenslustige Chris Evert – lösten sich mit ihrer Herrschaft ein Jahrzehnt lang ab. Steffi Graf zerstörte diese Herrschaft im August 1987 in Los Angeles, als sie bei dem Turnier dort im Endspiel erstmals gegen Chris Evert gewinnen konnte.
Derartige Details liefert der Computer bis in alle Ewigkeit. Aber er sagt nichts darüber, dass die Jüngere die immer erschöpfter aussehende Evert über den Platz jagte – er sagt auch nichts über den länger werdenden Schatten in dem kleinen Stadion, auch nichts über Glück und Pech. Was dort geschah war weiter nichts als ein Generationswechsel, wie er im Sport alltäglich ist. Für die Deutschen war es ein bisschen jener Stolz und jenes Anteilhaben, die sich immer einstellen, wenn ein Landsmann – Landsfrau hier – etwas Ungewöhnliches vollbringt. Egal, ob es sich um den Gewinn einer Fußballmeisterschaft oder eine olympische Ehrung handelt. Es gehört auch zu den Alltäglichkeiten, dass die abgesetzten Herrscher – Herrscherinnen hier – sofort erklären, dass es sich nur um einen vorüber gehenden Zustand handelt – dass sie bei nächster Gelegenheit den kleinen Lapsus wieder ausbügeln würden. Aber das „they never come back“ gilt im Sport fast immer. Steffi Graf wurde zu einer Königin von großer Ernsthaftigkeit – stets auf Distanz bedacht, was ihre Anhänger mitunter sogar irritierte. Als sie einmal in Hamburg ein Endspiel für sich entschied, forderte ein Zuschauer sie auf, „lach doch mal“. Ihre Antwort war so schnell wie einer von diesen Returns: „Soll ich lachen oder soll ich Tennis spielen!“ Es war eine außerordentlich typische Reaktion für die beste deutsche Spielerin aller Zeiten – sie wird immer zu den größten Sportlerinnen gehören.
Das Jahr 1988 war sicherlich das glanzvollste unter den glanzvollen: In Melbourne siegte sie im Finale wieder über Chris Evert. In Paris überließ sie der armen Russin Natalia Zwerewa im Finale kein einziges Spiel – ein „zu null“ hatte es in der Schlussrunde nie zuvor bei einem Grand Slam-Turnier gegeben. Im Endspiel von Wimbledon schien es, als ob Martina Navratilova die Zeit anhalten könnte, als sie mit 7:5, 2:0 führte. Dann begann das, was viele Menschen heute noch für das beste Tennis auf Rasen anerkennen. Steffi Graf gewann den zweiten Satz 6:2, den dritten 6:1. Das vierte Grand Slam-Turnier in New York holte sie sich über die Argentinierin Gabriela Sabatini. Wenige Tage später flog sie nach Korea, wo in Seoul die Olympischen Spiele begannen. Sie sagte, sie sei sehr müde.
Sie sagte später, sie habe Olympia sehr genossen. Sie traf auf einmal Sportler, mit denen sie sonst nur die Zeitungsseite teilte. Dieses Zusammentreffen von Boxern mit Reitern, Läufern mit Schwimmern, Schützen mit Ringkämpfern ist eines der vornehmen und logischen Ziele dieser Spiele. Sie entdeckte, wie es ist, im Olympischen Dorf zu wohnen und im Speisesaal in einer langen Reihe mit den anderen zu stehen. Olympische Dörfer sind so etwas wie eine große Jugendherberge – lärmig, spartanisch, gesellig. Für die Tennisspieler, die erstmals seit 1924 wieder um olympische Medaillen kämpften, war es eine seltsame Erfahrung: Sie waren es gewohnt, geräumige Hotelsuiten zu bewohnen, ausgewählte Mahlzeiten serviert zu bekommen – angenehme Rücksichten entgegengebracht zu erhalten.
Sie hatten ganz in der Nähe des Olympischen Dorfes ein Dutzend Tennisplätze angelegt mit einem stumpfen Gummiboden sowie einen hübschen Centre Court. Die Bälle bezog man von einem einheimischen Hersteller, der so etwas nie zuvor gemacht hatte. Die Spieler waren nicht besonders glücklich darüber. Steffi Graf allerdings geriet nur im Viertelfinale gegen die stämmige Russin Larissa Sawtschenkow einmal kurz in Rückstand. Das Endspiel gewann Steffi Graf wieder wie so oft gegen Gabriela Sabatini. Sie musste nachher keine Rede halten über die besten Organisatoren, oder den spendablen Sponsor, über die tapfere Gegnerin, über die fairen Zuschauer – sie musste auch nicht das übliche Versprechen ablegen, im nächsten Jahr wieder zu kommen. Man hisste die Fahne, spielte die Hymne und der deutsche Olympier Willi Daume überreichte ihr die goldene Medaille. Drei Stunden später saß sie im Flugzeug nach Hause. Sie hatte das gewonnen, was man in alle Zukunft als „Golden Slam“ bezeichnen wird. Wenn überhaupt: Es wird lange dauern, bis es eine Wiederholung gibt.
Vielleicht hätte sie noch eine ganze Weile mit den Besten spielen können, aber irgendwann machten sich Schmerzen bemerkbar, die sie vorher nie spürte. Es gab monatelange Pausen, neue Anläufe, neue Pausen. Sie war nun – dreißigjährig – bei den Jüngeren die ‚alte Dame’. Es war schwer, den Spaß zu behalten, wenn die Sehnen wehtun. Nach über einem Jahrzehnt machte sie die gleiche Erfahrung, die einst ihre Vorgängerinnen machen mussten. Der Vater, der einst keinen Fehler machte, als er seine Teenager-Tochter an die Spitze lenkte, geriet mit den Steuerbehörden aneinander und wurde verurteilt. Der Computer stellte Einnahmen aus dem Preisgeld in Höhe von über zwanzig Millionen Dollar fest – ohne die Summen aus der Werbung. Sie flüchtete vor der Öffentlichkeit. Es war keine gute Zeit für die Familie Graf, die einst aus dem badischen Brühl hinaus in die Welt zog.
Stefanie Graf, die nie mit den Medien paktierte und deren persönliche Integrität nie in Frage stand, erhielt schließlich noch einmal die ganz großen Schlagzeilen, als sie mit einer sehr persönlichen Nachricht überraschte – sie heiratete den Amerikaner André Agassi, der ebenfalls ein Tennisspieler der höchsten Klasse war. Sie haben sich in Las Vegas niedergelassen und ziehen zwei Kinder auf.
Ulrich Kaiser, Mai 2008
Literatur zu Steffi Graf:
Rolf Hauschild, Hansjörg Falz: Danke, Steffi: Die unvergesslichen Jahre der Königin des Centre Court. Berlin 1999 Doris Henkel: Steffi Graf (Superstars des Sports). München 1993