Gottfried Freiherr von Cramm

Tennis

  • Name Gottfried Freiherr von Cramm
  • Sportart Tennis
  • Geboren am 7. Juli 1909 in Nettlingen bei Hannover
  • Todestag 9. November 1976 bei Kairo
  • Aufnahme Hall of Fame 2008
  • Rubrik 1933–1945

Der Tennis-Baron

Trotz kritischer Haltung zum Nationalsozialismus war Gottfried Freiherr von Cramm in den 1930er Jahren der populärste Sportler neben Max Schmeling. Als einer der erfolgreichsten Tennis-Spieler seiner Zeit wurde er weltweit für sein ästhetisches Tennis und sein Fairplay geschätzt.

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Zweimal gewann er die French Open (1934, 1936), sechsmal das Turnier am Hamburger Rothenbaum (1932 bis 1935, 1948, 1949). In Wimbledon konnte er nie das Einzel gewinnen – 1935, 1936 und 1937 verlor er das Finale –, 1933 siegte er jedoch im Mixed- Wettbewerb mit Hilde Krahwinkel. 1937 gewann er die US Open im Doppel mit Henner Henkel. Beachtlich ist auch seine Davis Cup-Bilanz mit 37 Einsätzen und 82 Siegen in 102 Spielen von 1932 bis 1953. Von Cramm weigerte sich, der NSDAP beizutreten. Stattdessen setzte er sich für einen jüdischen Kollegen ein und äußerte sich kritisch zum NS-Regime. Nach einer Anklage wegen einer angeblichen homosexuellen Beziehung zu einem Juden sowie wegen Fluchthilfe und Devisen-Vergehen kam er fünf Monate in Haft. Als Vorbestrafter konnte er 1939 nicht in Wimbledon starten. Kurz zuvor hatte er noch gegen den späteren Sieger Bobby Riggs 6:0, 6:1 gewonnen.

Gottfried Freiherr von Cramm

Tennis

Größte Erfolge

  • Sieger Internationale Meisterschaften von Frankreich (French Open) 1934 und 1936
  • Finalist All-England Championship (Wimbledon) 1935, 1936, 1937
  • Sieger All-England Championship (Wimbledon) im Mixed 1933
  • Siege im Doppel bei den Internationalen Meisterschaften von Frankreich (French Open) und den US Open

Auszeichnungen

  • Sportler des Jahres 1947 und 1948
  • Aufnahme in die International Tennis Hall of Fame (1977, als erster Deutscher)
  • Namensgeber DTB-Nachwuchs-Mannschaftsmeisterschaften (bis 1989 ausgetragen)
  • Goldenes Band der Sportpresse (1952)

Biografie

Die Freiherren von Cramm stammen aus dem Niedersächsischen, der Gegend von Hildesheim. Dort wo Gottfried von Cramm die Pferde auf dem blanken Rücken zur Tränke ritt, wurde der Grundstock zu den Maximen eines Lebens gelegt: Musik zu sein und sich der Vorfahren würdig zu erweisen, die Tradition fortzusetzen – die Lehren des Rousseau spielten da eine Rolle, aus denen sich später ein gewisses Freidenkertum entwickelte. Ein in diesem Zusammenhang banales Detail: Die fehlende Kuppe des Zeigefingers verdankte er dem Biss eines Pferdes.

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Gottfried von Cramm entsprach ziemlich genau jenem Bild, das man sich von einem Tennisspieler machte – groß und schlank und wohlerzogen und immer ein fairer Konkurrent. Nein – er hätte in dem Gegner wohl nie einen Konkurrenten gesehen, sondern immer einen Mitspieler, mit dem man die Freude eines Spiels teilte. Es hat nie einen anderen Spieler gegeben, der sich über eine Unfairness des Deutschen hätte beschweren können. Von Cramm hätte lieber eine Niederlage hingenommen, als einen Sieg, der durch eine Unkorrektheit zustande kommt. In einer entscheidenden Davispokal-Auseinandersetzung mit den USA, in der er das Doppel mit Kai Lund bestritt, stoppte er das Spiel und korrigierte den Schiedsrichter: Dieser hatte den Ball der Amerikaner im Aus gesehen, aber von Cramm sagte, dass der Ball ihn vorher berührt habe, so dass der Punkt an die USA fiel. Die Deutschen verloren dieses Doppel und dann das ganze Match.

Es hat in Deutschland einige Tennisspieler gegeben, die bereits vor der Cramm-Ära Ruhm ernteten, aber es gab vorher und nachher keinen, den man so mit diesem Spiel identifizierte: „Der Tennis-Baron“, der „beste Botschafter seines Landes“, der „Inbegriff der Fairness“. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieser Mann bei den Herrschern in der Berliner Reichskanzlei in Ungnade fiel. Die Anmeldungen für die großen Turniere wurden damals vom jeweiligen Tennis-Verband vorgenommen – später geschah das durch eine Sport-Behörde. Diese ordnete wohl an, dass Gottfried von Cramm in Wimbledon und den Davispokal gewinnen sollte – Henner Henkel sollte die französischen Meisterschaften in Paris für sich entscheiden. Es wurde ein schlimmes Beispiel dafür, dass sich Sport nicht verordnen lässt: Henkel gewann in Paris, von Cramm verlor das Endspiel in Wimbledon, und konnte auch das entscheidende Match im Davispokal gegen den Amerikaner Donald Budge nicht gewinnen. Bis in die Neuzeit hielt sich das Gerücht, dass der Diktator in Berlin in der Pause den Tennisspieler im Centre Court anrief, um ihn an seine Pflichten zu erinnern.

Diese Begegnung mit Budge, die der Deutsche nach fünf langen Sätzen verlor, gehört bis zum Ende aller Tennis-Tage zu den größten Spielen, die je auf einem Tennisplatz stattfanden. Es wurde daraus eine enge Freundschaft, die auch die schlimmen Zeiten überdauerte. Als Budge nach dem Krieg in der amerikanischen Zone Deutschlands einen Schaukampf für die Soldaten zeigte, sah er auf der Tribüne von Cramm – es war ein bewegendes Wiedersehen. Der Amerikaner verpflichtete den Freund zu weiteren Schaukämpfen, die ihm in jener Zeit auch finanziell auf die Beine halfen.

Jene Reichssportbehörde untersagte übrigens von Cramm dann auch den Start in Wimbledon – er durfte erst nach Intervention der Briten eine Woche vorher im Londoner Queens Club mitspielen. Gottfried von Cramm gewann im Queens Club das Finale gegen Bobby Riggs 6:1, 6:0. Riggs gewann gut zwei Wochen später in Wimbledon das Einzel, das Doppel und das Mixed.

Gegensätze bestimmten das Leben des Gottfried von Cramm. Hier der strahlende Held dieses „weißen Sports“, der gut aussehende junge Mann – eigentlich genau jener „Vorzeige-Arier“ jener Leute, die damals an die Macht gekommen waren. Aber von Cramm ließ sie seine Verachtung spüren, nicht laut, aber oft mit einer Ironie, die selbst den Machthabern auffallen musste. Wenn er in entfernten Ländern zu den politischen Verhältnissen Stellung bezogen hatte, kam es immer wieder vor, dass die Zeitungen mit seiner Meinung nach Deutschland kamen. Als er 1938 aus Australien heimkehrte, steckte man ihn in die Internierung. Es hieß, man habe ihm ein Devisenvergehen nachweisen können, aber irgendwelche Beweise kamen nie an die Öffentlichkeit. Vielleicht war es weiter nichts als die kleine Rache von Leuten, die nicht mehr wussten, was eine freie Meinung ist.

Vielleicht waren es aber auch Neigungen in der Lebensführung des Gottfried von Cramm, die man nicht tolerieren mochte – schon gar nicht bei einem Paradesportler. Während des Krieges durfte er nach Schweden, wo er den König traf – den Tennispartner, der unter dem Pseudonym „Mr.G.“ mit ihm an der Riveira oft gespielt hatte. Der König hielt seine Hand über Gottfried von Cramm und intervenierte bis zu jenen Leuten, die in Berlin das Sagen hatten.

Er war gerade Anfang zwanzig, als er in Berlin eine Bankierstochter namens Lisa heiratete. Die Ehe währte nur wenig länger als ein Jahr – Zeitgenossen erzählten, sie sei eine Katastrophe gewesen. Im Berliner Rot-Weiß-Club, wo über kurz und lang alle Tennisspieler landeten, die einen Ruf besaßen, hing noch fünfzig Jahre später ein Foto von Lisa und Gottfried – ein schönes Paar.

Als die Menschen in Deutschland nach 1945 meistens andere Sorgen hatten, als einen Ball übers Netz zu schlagen, war Gottfried von Cramm einer von jenen, die die notwendige Leitfigur darstellten – er brachte die Gesinnungsgenossen zusammen, die daran dachten, neue Wege zu gehen. Er war mehr als vierzig Jahre alt, als er den Wettstreit mit den Jüngeren aufnahm – und mit Erfolg. Mit verschiedenen Partnern führte er die deutsche Davispokal-Mannschaft in das damals übliche Europa-Finale. Er wurde noch einmal deutscher Meister – und nachdem man in Deutschland nun auch einen „Sportler des Jahres“ wählen ließ, wurde ihm diese Ehre als Erstem zu teil – und das gleich zweimal. Seine zweite Ehe geschah irgendwann dazwischen: Die amerikanische Millionärin Barbara Hutton erfüllte sich nach vier kaputten Ehen den Wunsch nach einer fünften mit dem deutschen Baron – die Bekanntschaft der beiden hatte bereits in der Vorkriegszeit begonnen. Wenn man so will, war es zu jener Zeit die erste große Glamour-Hochzeit in einem Land, das immer noch damit beschäftigt war, seine Trümmer zu ordnen. Die Verbindung endete ebenfalls sehr schnell – es wurde kaum noch zur Kenntnis genommen.

An Gottfried von Cramm schienen viele Dinge vorübergegangen zu sein, ohne Spuren zu hinterlassen. Wenn der Baron am Rande eines Tennisplatzes stand, wurde er bestaunt wie ein Relikt aus alten Zeiten. Wenn es in Europa kalt wurde reiste er gern nach Ägypten – Geschäfte: Textilien, Baumwolle, der Besuch von Freunden. Die Straße von Kairo nach Alexandria ist an dieser Stelle kilometerlang schnurgerade. Es wurde nie geklärt, warum der Lastkraftwagen plötzlich auf die andere Fahrbahnseite kam und den entgegen kommenden PKW rammte. Der Beifahrer in dem Personenwagen war sofort tot. Gottfried von Cramm wurde 65 Jahre und vier Monate alt.

Ulrich Kaiser, Mai 2008

Literatur zu Gottfried von Cramm:

Egon Steinkamp: Gottfried von Cramm, der Tennisbaron. München 1990"


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