Werner Seelenbinder

Ringen

  • Name Werner Seelenbinder
  • Sportart Ringen
  • Geboren am 2. August 1904 in Stettin
  • Todestag 24. Oktober 1944 in Brandenburg an der Havel
  • Aufnahme Hall of Fame 2008
  • Rubrik 1933–1945

Ringer und NS-Widerstandskämpfer

Als erfolgreicher Ringer, überzeugter Kommunist und Antifaschist übernahm Werner Seelenbinder 1933 den Auftrag der KPD-Organisation seines Berliner Heimatbezirks Neukölln, sich sportlich für internationale Wettkämpfe zu qualifizieren und die Auslandskontakte für die NS-Widerstandsarbeit zu nutzen. Seelenbinder, sechsmal Deutscher Meister, qualifizierte sich für die Olympischen Spiele in Berlin und belegte dort den vierten Platz.

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1937 und 1938 wurde er jeweils Dritter bei den Europameisterschaften und nutzte die Sportreisen dazu, Informationsmaterial auszutauschen. 1938 intensivierte Seelenbinder den Kontakt zur kommunistischen Widerstandsgruppe um Robert Uhrig. Im Zuge ihrer Zerschlagung wurde Seelenbinder am 4. Februar 1942 festgenommen. Nach zweieinhalb Jahren in Zuchthäusern und Konzentrationslagern wurde er am 24. Oktober 1944 ermordet. Ihm zu Ehren wurden in der DDR viele Schulen, Straßen und Sportstätten benannt. Seit 2004 heißt das Stadion Neukölln in Berlin „Werner-Seelenbinder-Sportpark“.

Werner Seelenbinder

Ringen

Größte Erfolge

  • Olympia-Vierter 1936 im Halbschwergewicht, griechisch-römischer Stil
  • EM-Dritter 1937 und 1938
  • 6-facher Deutscher Meister

Auszeichnungen

  • Namensgeber für Schulen, Straßen und Sportstätten
  • DDR-Briefmarke 1963
  • Gedenkkundgebung am Grab zum 100. Geburtstag

Biografie

Werner Seelenbinder war ein Ringer und er war ein Kommunist. Er gehörte zu den Arbeitersportvereinen, die in Deutschland lange Zeit eine weit bedeutendere Rolle spielten als es in der Geschichte ausgedrückt wird. Seelenbinder war ein Kämpfer im Widerstand gegen den Nationalsozialismus – er nutzte den Ringer-Sport und die damit verbundenen Reisen für diesen Kampf. Er wurde nach zweijähriger Haft vom Volksgerichtshof in Potsdam zum Tode verurteilt und am 24. Oktober 1944 im Zuchthaus Brandenburg an der Havel hingerichtet – ermordet. Werner Seelenbinder war ein Idol des Arbeitersports und das vor allem auch in der späteren DDR, wo man sein Andenken unter anderem durch die Benennung von Straßen, Plätzen und öffentlichen Gebäuden mit seinem Namen pflegte.

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Er kam früh aus dem pommerschen Stettin nach Berlin, wo er noch vor dem Ende des Ersten Weltkriegs dem Athletenclub „Eiche“ beitrat – einem Verein für Ringen und Gewichtheben. Er konzentrierte sich dann auf den Ringkampf und nahm an vielen Wettkämpfen für den Sportclub „Berolina“ in Berlin-Neukölln teil. Beide Vereine gehörten dem Arbeiter-Athleten-Bund an. Seelenbinder sah sich als Neuköllner Proletarier, der über Diskussionen und Schriften zum Kommunismus fand und als Transportarbeiter ein bescheidenes Leben führte. Er wohnte in der Palisadenstraße, später in der Glatzer Straße, und trainierte in der Turnhalle der Konrad-Agahd-Schule. Er wurde Sieger bei der ersten Internationalen Arbeiterolympiade 1925 und des Arbeiter-Sportturniers 1926 in Wien, sowie der Spartakiade „Rote Sportinternationale“ 1928 in Moskau. Bis zur Machtübernahme der Nazis 1933 war er ein Idol des Arbeitersports und wurde von 1933 bis 1941 sechsmal deutscher Meister im Halbschwergewicht im klassischen Stil. Er startete erfolgreich bei großen Turnieren in Oslo, Tallin, Helsinki und Paris, und vertrat Deutschland in sieben Länderkämpfen. Zwei dritte Plätze bei den Europameisterschaften 1937 und 1938 kamen hinzu. 1933 wurde der Arbeiter-Athleten-Bund zwangsweise in den Deutschen-Amateur-Schwerathletik-Verband eingegliedert. Werner Seelenbinder schloss sich der Sportvereinigung Berlin-Ost an, die dem neuen, staatlich gelenkten Verband angehörte – eine Maßnahme, die alle bis dahin freien Sportverbände betraf. Seelenbinder qualifizierte sich für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin und belegte den vierten Platz. Freunde berichteten später, er habe sich fest vorgenommen, nicht den Nazigruß zu entbieten, falls er bei der Siegerehrung einen der ersten drei Plätze erringen sollte.

Über die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) erhielt Seelenbinder den Auftrag, sich in einem legalen Verein möglichst hoch zu qualifizieren, um Verbindungen für die Arbeit im Untergrund der verbotenen DKP zu schaffen. Den sportlichen Teil der Anweisungen erledigte Werner Seelenbinder sicherlich hervorragend. Was die Arbeit im Untergrund anbelangt, so wurde sie kaum einmal im Detail einigermaßen objektiv veröffentlichlicht – aus sogar verständlichen Gründen.

Wegen der vielen Wettkämpfe im Ausland war Seelenbinder als Kurier von Informationen oder Propaganda-Material eine ideale Person. Im Ausland erhielten seine Freunde ein Bild von einem Deutschland, wie man es aus der Distanz nicht kennen lernen konnte – andererseits brachte er für die illegale und unter schwerer Strafe stehende Arbeit in Deutschland Material mit – Schriften, Flugblätter, Zeitungen, Bücher. Aus dem Ringer und Kommunisten war ein Kämpfer des Widerstands gegen die Willkür geworden, von der schließlich die ganze Welt betroffen wurde.

Zum Thema der „Leitbilder für Sport und Gesellschaft“ stellte der Politologe Hans Joachim Winkler 1973 die Sportler Schmeling und Seelenbinder gegenüber: „Zweifellos ist Schmeling eine integre, ‚hilfsbereite’ Persönlichkeit und zweifellos war er ein großer Boxer. Aber rechtfertigt das schon seine Funktion als Leitbild. Wenn man bedenkt, dass er von der Weimarer Republik bis heute allen bürgerlich-nationalen Systemen nichts als vollendete Anpassung erwiesen hat? Ist demgegenüber das DDR-Sportleitbild Werner Seelenbinder geeigneter? Der Ringer kam aus der Arbeitersportbewegung, wo man Sport und Politik zu verbinden suchte. Mehrmals wurde er deutscher Ringermeister sowie Olympia-Vierter 1936. Als das Unmenschliche in der NS-Diktatur immer deutlicher wurde, schloss er sich dem kommunistischen Widerstand an – zu dem von Männern aus Adel und Offizierkorps repräsentierten anderen Widerstandszentren hätte er wohl kaum ein Verhältnis gefunden. 1942 wurde Seelenbinder von der Gestapo verhaftet und 1944 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Die DDR hat die größte Sporthalle ihrer Hauptstadt nach ihm benannt. Bei uns ist er – wie alle anderen Widerstandskämpfer aus der Arbeitersportbewegung – unbekannt. Er stellt mit seiner Mischung von gutem Sportler und kritisch-engagiertem, für eine bessere Welt kämpfenden Bürger ein Leitbild dar, das für die bürgerlich-nationale Sportbewegung der BRD undenkbar wäre, dessen Berechtigung als Leitbild für die bürokratisch-sozialistische Diktatur einer Funktionärsschicht jedoch auch noch nicht erwiesen ist. Zumindest erscheint das von der Partei propagierte Leitbild Seelenbinder als das genaue Gegenteil von Schmeling, dem von der kapitalistischen Meinungsindustrie produzierten und von der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit gern akzeptierten Leitbild: Beide Namen vermögen über die sie tragenden politischen Systeme immerhin einiges auszusagen.“

Es war wohl 1938, als Seelenbinder in engere Verbindung zu der Widerstandsgruppe um Robert Uhrig kam, die unter anderem Propaganda-Material herstellte und den Soldaten an der Front schickte. 1941 kam Alfred Kowalke zur Unterstützung der Gruppe nach Berlin. Seelenbinder besorgte ihm eine Unterkunft und brachte ihn mit den kommunistischen Freunden zusammen. Anfang 1942 wurde die Gruppe Uhrig zerschlagen. Werner Seelenbinder wurde dabei festgenommen. Kurz vor seiner Hinrichtung im Oktober 1944 ließ er seinen Angehörigen einen Brief zukommen: „Die Stunde des Abschieds ist nun für gekommen. Ich habe in der Zeit meiner Haft wohl alles durchgemacht, was ein Mensch so durchmachen kann. Krankheit und körperliche und seelische Qualen, nichts ist mir erspart geblieben. Ich hätte gerne gemeinsam mit Euch, mit meinen Freunden und Sportkameraden, die Köstlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens, die ich jetzt doppelt zu schätzen weiß, nach dem Krieg mit Euch erlebt. Es waren schöne Stunden, die ich mit Euch erlebt habe, und ich habe in meiner Haft davon gezehrt und mir diese herrliche Zeit zurück gewünscht. Das Schicksal hat es nun leider nach langer Leidenszeit anders bestimmt. Ich weiß aber, dass ich den Herzen von Euch und auch bei vielen Sportanhängern einen Platz gefunden habe, den ich immer darin behaupten werde. Dieses Bewusstsein macht mich stolz und stark und wird mich in letzter Stunde nicht schwach sehen.“

Werner Seelenbinder wurde 39 Jahre alt.

Ulrich Kaiser, Mai 2008

Literatur zu Werner Seelenbinder:

Walter Radetz: Der Stärkere. Verlag Neuer Weg, 1981
Friedel Schirm: 33 Monate. Erinnerungen an Werner Seelenbinder. Berlin 1984
Heinz Bergschicker: Deutsche Chronik 1933-1945. Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur. Berlin 1981


Weitere Mitglieder der Hall of Fame

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