Gustav Jaenecke

Eishockey

  • Name Gustav Jaenecke
  • Sportart Eishockey
  • Geboren am 22. Mai 1908 in Berlin
  • Todestag 30. Mai 1985 in Bonn
  • Aufnahme Hall of Fame 2008
  • Rubrik 1933–1945

Der erste deutsche Eishockey-Star

* Einige Biografien aus der NS-Zeit werden aktuell von Expert:innen daraufhin überprüft, ob es neue, zeithistorische Erkenntnisse gibt, derentwegen sie neu im historischen Kontext eingeordnet werden müssten. Hierzu erfolgt anschließend eine entsprechende Kommunikation.

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Der „Eiserne Gustav“ gilt als erster Star der deutschen Eishockeygeschichte. In den 1920er und 1930er Jahren war der Eishockey-Spieler Gustav Jaenecke ein Idol wie der Boxer Max Schmeling.

Nach dem zweiten Platz bei der Weltmeisterschaft 1930 gewann er 1932 Olympia-Bronze in Lake Placid. Es war die erfolgreichste Zeit des deutschen Eishockeys. Neben zwei dritten Plätzen bei den Weltmeisterschaften 1932 und 1934 wurde Jaenecke zweimal Europameister (1930, 1934) und gewann bei vier kontinentalen Meisterschaften Bronze (1927, 1937, 1938, 1939). Bei seiner dritten Olympiateilnahme 1936 in Garmisch-Partenkirchen blieb er zwar ohne Medaille, bewies aber Zivilcourage, als er ohne seinen jüdischen Kollegen Rudi Ball nicht antreten wollte und so dessen Teilnahme durchsetzte. Von 1927 bis 1942 spielte Gustav Jaenecke 82-mal in der Nationalmannschaft und erzielte ein Viertel aller Tore. Mit dem Berliner Schlittschuh-Club wurde er zehnmal Deutscher Meister. Nach dem Krieg holte er mit dem SC Rießersee drei weitere Titel (1947, 1948, 1950). Daneben erreichte Jaenecke auch im Tennis Erstaunliches: 1932 wurde er Deutscher Meister im Einzel und kam fünfmal im Davis Cup zum Einsatz. 

Aufgrund neuer Quellenhinweise zu Gustav Jaeneckes Rolle in der NS-Zeit wird seine Biografie aktuell von einer sporthistorischen Expertengruppe überprüft.

Gustav Jaenecke

Eishockey

Größte Erfolge

  • Olympia-Bronze 1932
  • WM-Zweiter 1930
  • WM-Dritter 1932 und 1934
  • Europameister 1930 und 1934
  • 82 Eishockey-Länderspiele
  • 13-mal Deutscher Meister mit dem Berliner Schlittschuh-Club und SC Rießersee
  • Deutscher Einzel-Meister im Tennis 1932

Auszeichnungen

  • Mitglied der Hall of Fame der Internationalen Eishockey-Föderation
  • Ehrenmitglied Deutscher Eishockey-Bund

Biografie - Star in zwei Sportarten

Kalt war es an diesem Abend im offenen Kunsteis-Stadion von Garmisch-Partenkirchen. Und doch brach auf den steilen Rängen ein Inferno los. Zuvor hatten die Deutschen verzweifelt um ihre letzte Chance gekämpft in der Hauptrunde des olympischen Eishockeyturniers von 1936. Angeführt von dem grandiosen Kapitän Gustav Jaenecke, waren sie immer wieder auf das Tor der Briten zugestürmt. Als Herbert Schibukat aus einem Getümmel mit einem Schlenzer zum 1:1-Ausgleich traf, rasten die 10.000 Fans vor Begeisterung. „Tor, Tor, Tor“, brüllte der Radioreporter Rolf Wernicke ins Mikrofon.

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Dreimal ging die Partie vom 12. Februar 1936 in die Verlängerung. Das Spiel wurde stilisiert zu einem Epos des deutschen Eishockeys, das Ludwig Koppenwallner, der Sportchef der Süddeutschen Zeitung, noch 1966 zu den größten Leistungen zählte, „die je eine deutsche Eishockeymannschaft vollbrachte“. Obwohl es am Ende gegen den späteren Olympiasieger beim 1:1-Remis blieb und Deutschland die Endrunde verpasste, betrachtet auch die deutsche Hauptfigur Jaenecke dieses Drama als Karrierehöhepunkt: „Es war das tollste, das ich je erlebt habe, ein Spiel, das Kräfte und Nerven kostete und ein Kampf bis zur Erschöpfung war.“

Der Berliner, den die Fans auch in Garmisch mit „Justav, Justav“-Sprechchören feierten, hatte das deutsche Eishockey erst in die Weltspitze geführt, am Ende kam er auf 43 Tore in 82 Länderspielen. „Als Verteidiger ein Bollwerk, an dem die feindlichen Stürmer zerschellen; als Stürmer ein Draufgänger von wahrhaft kanadischen Ausmaßen; als Torschütze ein Spieler von Format, den jeder Torwart fürchtet“, so charakterisierte ihn Heinz Cavalier 1941. „Er war und ist der populärste deutsche Spieler und wird es noch einige Zeit bleiben.“

Die französische Sportzeitung L’Auto, die Vorgängerin der heutigen L’Équipe, hatte Jaenecke bereits 1931 zum besten Spieler Europas gekürt. Der Mann mit der glänzenden Kufentechnik führte sein Team 1930 und 1934 zu zwei Europameister-Titeln, hinzu kam Olympia-Bronze 1932 in Lake Placid (bei allerdings nur vier Teilnehmern). Zudem feierte Jeanecke zwei Siege im Spengler-Cup (1926, 1928) und insgesamt acht Deutsche Meisterschaften mit dem Berliner Schlittschuh-Club (BSC), zudem drei weitere nationale Titel nach dem Krieg mit dem SC Riessersee. 

Geboren am 22. Mai 1908 in Charlottenburg, war Jaenecke in einer sportbegeisterten Familie aufgewachsen. Sein Vater, Inhaber des feinen Schuhgeschäfts Wilhelm Breitsprecher, eines früheren königlichen Hoflieferanten, ruderte leidenschaftlich. „Ich war vier oder fünf Jahre alt, als ich meine ersten Schlittschuhe geschenkt bekam“, erzählte Jaenecke, als Kinder hatten sie sich die Schläger selbst geschnitzt und mit Sardinenbüchsen als Puck-Ersatz gespielt. In kalten Wintern nutzten sie eine künstliche Eisbahn am Lehrter Bahnhof. Nach dem Umzug der Familie nach Charlottenburg trat er 1924 in die Jugendabteilung des BSC ein und bewies dort schon früh sein herausragendes Talent.

Der BSC war seinerzeit ein Tummelplatz der Oberschicht. In der ersten Eishockey-Mannschaft spielten fast nur Ausländer, die als Kaufleute in Berlin ihr Geld verdienten, im Sommer spielten sie auf den klubeigenen Plätzen leidenschaftlich Tennis. Jaenecke war eben erst 17 Jahre alt geworden, als er das erste Mal in die Nationalmannschaft berufen wurde, im Frühjahr 1926 fuhr er mit zur Europameisterschaft und gewann Bronze. Erst danach durfte er auch in der ersten Mannschaft des BSC mittun.

Zwei Jahre später, als er im Winter 1927/28 auf dem Kaiserin-Auguste-Gymnasium vor dem Abitur stand, schien sein olympischer Traum bereits geplatzt. „Mein Direktor verweigerte mir glatt die Fahrt zu den Olympischen Spielen in St. Moritz, bei denen ich die deutschen Farben vertreten sollte.“ Nach Protesten des Eishockeyverbandes schaltete sich das Kultusministerium ein. So durfte der Abiturient vor der mündlichen Prüfung doch in die Schweiz reisen, um sich mit den Besten zu messen.

Nach dem Abitur volontierte Jaenecke bei einer Privatbank, absolvierte eine Schuhmacherlehre und trat als Juniorchef in die Firma ein. Während er im Winter auf dem Eis immer besser in Form kam und zu einem Idol der Jugend reifte, nutzte er seine sagenhafte Hand-Auge-Koordination auch im Sommer: Im Tennis stieg er ebenfalls zu den besten Spielern des Landes auf, gewann 1932 sogar die Deutsche Meisterschaft und spielte von 1932 bis 1934 mit Stars wie Gottfried von Cramm für Deutschland im Daviscup.

So bodenständig Jaenecke war, so gern zeigte er sich in der besseren Gesellschaft. Bei mondänen Galas war er Stammgast, er war das, was man heute „Celebrity“ nennt. Eine angebliche Affäre mit der holländischen Eiskunstlaufkönigin Sonia Henie kommentierte er nie. Zur Liebe seines Lebens wurde Lisa von Dobeneck, die allerdings zunächst mit von Cramm verheiratet war. Nach ihrer Scheidung 1936 wurden Jaenecke und die selbstbewusste Freiin von Schloss Burgdorf offiziell ein Paar und heirateten 1940, doch wurde die Ehe 1947 wieder geschieden. Die Front des Zweiten Weltkrieges blieb Jaenecke erspart, da seine Firma nun Spezialschuhwerk für Kriegsversehrte produzierte und er unabkömmlich war. 

Nach dem Krieg verlor Jaenecke die Firma, da ihr Berliner Standort in der russischen Besatzungszone lag. Der Versuch, das Unternehmen in der Bundesrepublik neu aufzubauen, misslang. Aber er machte nun Karriere als Direktor von Spielbanken in Bad Neuenahr und später auch in Berlin. Als Jaenecke am 30. Mai 1985 im Kreise seiner Familie in Bonn starb, wurde wieder an sein größtes Spiel in Garmisch-Partenkirchen erinnert.

Jaenecke selbst äußerte sich ungern über die Zeit des „Dritten Reiches“. Die NS-Bonzen hatten sich auch im Eishockey gern im Licht der Stars gesonnt, Hermann Göring etwa war in Garmisch in der Mannschaftskabine aufgetaucht. Doch war Jaenecke nicht in die NSDAP eingetreten, was nach 1945 nicht viele prominente Sportler behaupten konnten. Sein Buch „Jagd hinter dem Puck“, das 1939 erschien, also in einer Zeit, in der die deutsche Bevölkerung fast geschlossen hinter dem Hitler-Regime stand, verzichtet auf NS-Propaganda.

Der Eishockeystar verstieß sogar gegen die NS-Erinnerungspolitik, die Juden aus dem Gedächtnis tilgen sollte. In dem Buch „Sportler erzählen“ bedauerte er 1941, dass Rudi Ball, sein etwas jüngerer Mannschaftskamerad vom BSC, in der großen Schlacht gegen die Briten gefehlt hatte: „Ball war verletzt, wir mussten ihn ersetzen, ausgerechnet in diesem Spiel!“ Überzeugte Nationalsozialisten konnten das als Affront auffassen, da Ball laut NS-Rassenlehre als Halbjude deklariert wurde.

Vor den Olympischen Spielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen hatte sich Jaenecke, so der Sporthistoriker Volker Kluge, ebenfalls für eine Teilnahme Balls ausgesprochen, der aufgrund der Diskriminierung der Juden inzwischen in Italien spielte. Nicht nur dieser prominente Fall trug womöglich dazu bei, dass Jaenecke der Partei nie nahestand. Auch im Tennis-Milieu war er mit den Ausgrenzungen des NS-Regimes direkt konfrontiert. 1933 musste der Jude Daniel Prenn, sein Kollege aus dem Daviscup-Team, nach England emigrieren. Und 1938 verfolgte die NS-Justiz den Ex-Mann seiner Partnerin, Gottfried von Cramm, als Homosexuellen.

Selbst die mediale Erinnerung an 1936 war nicht einfach. Den Mann, der mit seiner aufwühlenden Reportage im Rundfunk am 12. Februar 1936 den großen Mythos des deutschen Eishockeys geschaffen hatte und damit zum Vorbild von Berühmtheiten wie Herbert Zimmermann oder Rudi Michel wurde, assoziierten viele Deutsche nach dem Krieg mit Adolf Hitler. Denn der Reichskanzler, der das Eishockeyspiel live verfolgt hatte, war von Jaenecke so begeistert, dass dieser fortan die meisten Führer-Reportagen sprach und zum Star des NS-Rundfunks aufstieg.

Das akustische Inferno auf den Rängen des Eisstadions während der Olympischen Winterspiele 1936 jedenfalls spiegelt bis heute den NS-Sport und dessen mediale Inszenierung für die deutsche Sportgeschichte. Gustav Jaenecke habe sich als prominenter Sportler durch die Propaganda des NS-Systems vereinnahmen lassen, urteilt der Historiker Stefan Jordan. Aber der Star mit den vielen Talenten gehörte nach dem Krieg zu den wenigen, die ihr Gesicht bewahrt hatten.

Erik Eggers, Dezember 2024

 

Quellen und Literatur zu Gustav Jaenecke:

Heinz Cavalier: Sportler erzählen. Berlin 1941 (2. Auflage)

Sven Crefeld: Gustav Jaenecke, Idol auf dem Eis. Erfurt 2008

Erik Eggers: Die Stimme von Bern. Das Leben von Herbert Zimmermann, Reporterlegende bei der WM 1954. Augsburg 2004

Gustav Jaenecke (Bearb. von Carl v. Norman): „Jagd hinter dem Puck“. Eishockey – herzhaft und humorvoll. Stuttgart 1939

Stefan Jordan: „Jaenecke, Gustav“. In: NDB-online (veröffentlicht am 01.07.2023), URL:https://www.deutsche-biographie.de/dbo074009-5.html#dbocontent

Volker Kluge: Olympische Winterspiele. Die Chronik. Chamonix 1924 - Nagano 1998. Berlin 1999

Ludwig Koppenwallner: Das denkwürdige Spiel vor 30 Jahren. In: Süddeutsche Zeitung vom 12. Februar 1966


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