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Fechten
Fechten
… sie gewinnt mit der deutschen Degen-Mannschaft, gemeinsam mit Marijana Markovic, Imke Duplitzer und Claudia Bokel 20024 die olympische Silbermedaille. (Fotos: picture alliance)
Britta Heidemann wird 2008 Olympiasiegerin in ihrer „zweiten Heimat“ China. (Fotos: picture alliance)
Olympiasiegerin Britta Heidemann bei der Siegerehrung mit der zweitplatzierten Ana Maria Branza aus Rumänien (links) und der Bronzemedaillengewinnerin Ildiko Mincza-Nebald aus Ungarn (rechts). (Foto: picture alliance)
Ein Sieg, den auch eine chinesische Tageszeitung prominent aufgreift. Heidemann spricht fließend chinesisch und wirbt als diplomierte Regionalwissenschaftlerin Chinas für ein besseres Kulturverständnis zwischen Deutschland und China. (Foto: picture alliance)
Damit ist Heidemann zu dem Zeitpunkt zeitgleich Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin. Historisch, denn Heidemann ist die erste Degenfechterin in der Geschichte, der dieses „Goldene Triple“ gelang. (Foto: picture alliance)
2012 folgt eine weitere olympische Medaillen: Britta Heidemann gewinnt bei ihrer dritten Olympia-Teilnahme ihre dritte Medaille: Silber im Einzel bei den Spielen in London. (Foto: picture alliance)
Auch nach ihrer Karriere bleibt die Fechterin dem Sport verbunden, engagiert sich als Athletensprecherin und wird 2016 bei den Spielen in Rio de Janeiro in die IOC-Athletenkommission gewählt. (Foto: picture alliance)
Wer sich mit Britta Heidemann auch nur auf einen Kaffee trifft, der spürt schon nach wenigen Augenblicken, was sie so besonders und außergewöhnlich macht: ihre Fröhlichkeit ist ansteckend, doch ihr Fokus, egal bei welchem Thema, ist beeindruckend. Britta Heidemann palavert nicht gern, sie kommt zur Sache, mag es klar und auf den Punkt. Und sie ist im Thema. Immer vorbereitet, immer hellwach.
Es gibt Karrieren, die lassen sich in Zahlen erzählen: Medaillen, Ranglistenpunkte, Titel. Und es gibt Karrieren wie jene von Britta Heidemann, die trotz allem Fokus über messbare Erfolge weit herausragen. Vielleicht ist das ihr größter Trumpf. Wer heute über Britta Heidemann spricht, spricht über Gold und große Momente – aber ebenso über eine beeindruckende Neugier, eine Haltung sowie eine seltene Form von Konzentration, die aus einem starken Menschen eine besondere Sportlerin machte.
Aus der eine bemerkenswerte Persönlichkeit geworden ist.
Geboren im Dezember 1982 in Köln, war die junge Britta zunächst einfach ein aufgewecktes und vielseitig interessiertes Kind. Ihre Begeisterung galt Sprachen, Büchern, fernen Ländern – und jenen Geschichten von Mut und Entschlossenheit, die später im Fechten ihr Echo fanden. Als sie erstmals einen Degen in der Hand hielt, war dies weniger ein professioneller Start als eine spielerische Begegnung mit Eleganz und Vergangenheit. Doch aus dem Spiel wurde Ernst, aus Neugier Leidenschaft – und aus Leidenschaft ein Weg, der sie zur erfolgreichsten deutschen Degenfechterin ihrer Generation machen sollte.
Wer Britta Heidemann im Training oder Wettkampf erlebte, erinnert sich vor allem an ihre Präsenz: Diese stille, fast meditative Konzentration, die in einer Sportart wie dem Fechten über Sieg und Niederlage entscheiden kann. Der Degen war für sie kein Werkzeug, sondern eine Verlängerung ihres Denkens. Sie focht nicht nur mit dem Arm, sie focht mit dem Kopf. Taktisch, analytisch, oft geduldig bis zum letzten Moment – und dann entschlossen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war.
Ihr Triumph bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking gehört zu den Geschichten, die bleiben. Es war nicht nur ein Sieg über eine starke Gegnerin. Es war der Sieg über Zweifel und Druck und über jene innere Stimme, die jeder Spitzensportler kennt und die in den wichtigsten Augenblicken oft besonders laut wird. Britta Heidemann blieb ruhig. Sie blieb sie selbst. Als sie im Finale gegen die Rumänin Ana Branza den entscheidenden Treffer setzte, war es, als ging in diesem Moment alles auf. Als sei die jahrelange Disziplin, der extreme Einsatz, all der Fokus, genau für diesen Augenblick gewesen.
Mit dem olympischen Gold schrieb Britta Heidemann Geschichte – doch es war nicht der einzige Höhepunkt. Angetreten war sie in Peking als amtierende Weltmeisterin, 2010 gewann sie auch noch die Europameisterschaft. Damit gelang ihr als erste Degenfechterin der Geschichte das Goldene Triple, das ihren außergewöhnlichen Status in der Welt des Fechtsports festigte. Britta Heidemann beeindruckte nicht nur wegen ihrer Erfolge, sondern wegen der Art, wie sie diese errang: mit Präzision, mit Intelligenz, mit Respekt vor Gegnern und Sport.
Ihre sportliche Karriere wäre für sich genommen schon erstaunlich genug. Doch Heidemanns Wirkung reichte immer über die Planche hinaus. Früh öffnete sie sich für andere Kulturen, insbesondere für China, dessen Sprache sie mit derselben Konsequenz lernte, mit der sie auch ihre Paraden und Angriffe perfektionierte. Sie lebte in Peking, studierte „Regionalwissenschaften China“ und schloss mit Diplom ab. Ihr Wissen und diese Verbindung machte sie zu einer Botschafterin zwischen Welten – zwischen Sport und Kultur, zwischen Europa und Asien, zwischen Tradition und Moderne.
Britta Heidemann engagierte sich in Athletenvertretungen, trat in gesellschaftlichen Debatten auf, nutzte ihre Sichtbarkeit, um über Werte zu sprechen, die im Spitzensport oft im Schatten stehen: Fairness, Verantwortung, Ausdauer, Haltung. Seit 2016 ist sie Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), leistet ehrenamtliche Arbeit in unzähligen Bereichen – und überall auf der Welt.
Wer ihr begegnet, zum Beispiel bei der Tasse Kaffee, der spürt, dass Britta Heidemann eine Athletin ist, die ihr Leben nie nur in Wettkampfphasen gedacht hat. Und für die die sportliche Karriere, ihre große Aufgabe, längst nicht mit dem letzten Gefecht beendet war. Sich einzusetzen, das ist und bleibt ihre Leidenschaft. Für Heidemann war Leistung immer auch ein Versprechen: das Beste aus den eigenen Möglichkeiten zu machen – und dieses Beste weiterzugeben.
Zum Ende ihrer aktiven Karriere, gut zehn Jahre nach Peking, fand sie neue Wege, ihr Wissen und ihre Energie zu nutzen. Doch immer blieb der Sport ihr innerer Kompass. Heute moderiert sie, reist viel, schreibt, hält Vorträge, begleitet junge Athletinnen und Athleten. Sie schafft es, von Erfolgen zu erzählen, ohne sie zu glorifizieren, und von Rückschlägen, ohne sie dramatischer zu machen, als sie waren. Es ist diese Ehrlichkeit, die ihre Geschichte so glaubwürdig macht: Britta Heidemann steht für eine Art des Erfolgs, die gleichermaßen von Disziplin und Menschlichkeit getragen wird.
Nun wird Britta Heidemann in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen – eine Auszeichnung, die jene ehrt, deren Einfluss weit über das Ergebnisprotokoll hinausreicht. Bei ihr wirkt diese Entscheidung fast selbstverständlich und dennoch besonders. Sie steht dort nicht nur als Olympiasiegerin, nicht nur als Welt- und Europameisterin, sondern als eine der Persönlichkeiten, die dem Sport in Deutschland ein Gesicht gegeben haben: klar, inspirierend, weltoffen.
Britta Heidemann gehört zu den Menschen, die zeigen, dass Größe nicht nur im Triumph liegt, sondern auch im Weg dorthin – in der Geduld, im Lernen, im Umgang mit anderen. Sie hat gewonnen, ja. Aber sie hat auch verstanden, wofür es sich zu kämpfen lohnt.
In einer Welt, die oft auf die schnellen Siege blickt, erinnert Britta Heidemann daran, dass wahre Stärke aus Beständigkeit wächst. Aus Leidenschaft. Und aus der Fähigkeit, immer wieder neu anzufangen – mit offenen Augen, einem wachen Geist und der unerschütterlichen Ruhe einer Frau, die gelernt hat, klar und präzise zu sein, ohne den Weitblick zu verlieren. Bei einer Tasse Kaffee genauso wie damals in Peking.
Tobias Holtkamp, im November 2025
Literatur von Britta Heidemann:
Britta Heidemann: Erfolg ist eine Frage der Haltung – Was Sie vom Fechten fürs Leben lernen können. Ariston Verlag, 2011.
Britta Heidemann: Willkommen im Reich der Gegensätze – China hautnah. Bastei Lübbe, 2014.
Britta Heidemann: Glück ist eine Frage der Haltung – Stark durch die Gefechte des Lebens. Bastei Lübbe, 2016.