Motorsport
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Die Anfänge seiner Rennfahrer-Karriere macht Wolfgang Graf Berghe von Trips auf einem Porsche. 1954 wird er damit das erste Mal Deutscher Meister.
1961 gewinnt Graf Berghe von Trips seinen ersten Grand Prix. Der Sieg beim GP der Niederlande ist gleichzeitig der erste eines deutschen Rennfahrers seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Das ist ein seltsames Zusammentreffen: Dort ist das seit siebenhundert Jahren im Rheinischen ansässige Geschlecht der Reichsgrafen – auf der anderen Seite die modernste Technik, auf die man ein Automobil bauen kann. Dazwischen lebte Wolfgang Graf Berghe von Trips, der in jenen Jahren nach dem Krieg einer der Ersten war, der der Welt klarmachte, dass es ein anderes Deutschland gab. Trips lernte Englisch bei den amerikanischen Soldaten, die ihr Quartier auf Burg Hemmersbach bei Kerpen-Horrem nahmen – er nahm das Italienische hinzu, als er in Verbindung mit den schönsten Autos kam – dazu das Französische, das nicht weit von seiner Heimat lag. Das Talent für Sprachen, die ihn anflogen, war nur ein Detail für die Gründe, die ihm überall Sympathie einbrachten – mehr noch, Freundschaft. Der gut aussehende Graf war in jener Zeit ein guter Botschafter für Deutschland. Er brachte es zu Beginn seiner Karriere fertig, lachend aus jedem zertrümmerten Auto zu steigen – das waren wohl gar nicht so wenig, denn die britischen Kollegen nannten ihn lange Zeit „count crash“.
Er war das einzige Kind des Grafen Eduard und der Gemahlin Tessa. Es heißt, er sei ein schwächlicher Junge gewesen. Es gab kaum eine der Kinderkrankheiten, die ihn nicht befiel. Die gräflichen Eltern legten Wert darauf, dass der Stammhalter in Horrem eine ganz normale Schule besuchte. Der Vater nahm den Sohn manchmal mit, wenn auf dem Nürburgring die großen Rennen stattfanden. Mit Sicherheit wurde hier die Lust geweckt, so etwas auch zu versuchen. Der junge Graf war noch keine zehn Jahre alt, als er sich das erste Mal an das Steuer eines Automobils wagte. Er kam dabei wenigstens nicht zu Schaden. Als Vierzehnjähriger hatte er seinen Eltern das Geld abgeschwatzt, um ein gebrauchtes Motorrad zu kaufen. Er startete bei Geschicklichkeits-Veranstaltungen und Orientierungsfahrten, wobei er wahrscheinlich mehr Zeit beim Basteln in der Garage verbrachte als bei den eigentlichen Prüfungen. In der Meldeliste gab er den Namen Axel Linther an, um den Eltern die Angst zu ersparen – das Pseudonym stammte von einem älteren Vorfahren, der mit Sicherheit noch nichts wusste von Auto- oder Motorradrennen.
Der Vater schickte ihn in eine Landwirtschaftsschule, denn schließlich sollte der Sohn eines Tages die Güter derer von Berghe Trips übernehmen; aus dem gleichen Grunde sollte er bei einer Bank in München eine Lehre absolvieren. Für die Rennen blieben nur die Wochenenden – bis es sich dann eines Tages doch nicht mehr verheimlichen ließ, wer da unter dem Namen Axel Linther fuhr. In den Zeitungen waren schließlich ja auch Fotos zu sehen.
Er gewann Rundfahrten, Rennen für Serienfahrzeuge – 1955 gab man ihm einen Porsche für die berühmte Mille Miglia, er belegte den zweiten Platz. Er gewann das Internationale Eifelrennen, er holte sich das Internationale 500 km-Rennen auf dem Nürburgring, bei der Tourist Trophy auf den schmalen Straßen in Irland wurde er Dritter in einem Mercedes. 1956 saß er zum ersten Mal in einem Formel 1-Auto. Er sollte im Ferrari in Monza fahren, aber im Training überschlug er sich. Er kam mit dem Schrecken davon, unverletzt. Der große Enzo Ferrari, der normalerweise mit Fahrern, die oft ein Auto zerlegten, nicht zusammenarbeiten mochte, erkannte das große Talent des deutschen Grafen, gab ihm einen Wagen. Ferrari wusste, dass die Ausstrahlung des Wolfgang Graf Berghe von Trips eine fast genauso starke Wirkung hinterließ wie die Leistungen am Volant. Er war der erste Deutsche, der nach dem Krieg bei Ferrari einen Werksvertrag erhielt. Er war auch der erste deutsche Fahrer, der nach dem Krieg ein Grand-Prix-Rennen für sich entscheiden konnte – sein Vorgänger war Hermann Lang 1939 mit Mercedes. Der legendäre Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer wurde natürlich auf ihn aufmerksam und engagierte Trips 1955 für das Sportwagen-Werksteam der Untertürkheimer. Man gab ihm einen 300 SLR und der Aufstieg sollte nur noch eine Frage der Zeit sein. Dann kam es zu der schrecklichen Katastrophe beim 24 Stunden-Rennen in Le Mans, als der Silberpfeil auf der Tribüne zerschellte. Mercedes beschloss danach sofort, aus der Formel 1 auszusteigen. Der Weg in die so genannte Königsklasse war also für Berghe von Trips zunächst einmal versperrt.
Aber inzwischen war er in der Branche ja kein Unbekannter mehr. Manchmal nannte man ihn scherzhaft zwar immer noch „count crash“, aber selbst die Engländer verwendeten viel öfter die Bezeichnung „Taffy“, die sich auf „tough“ bezog – deutsch: zäh, kräftig, robust. Beim Großen Preis von Italien in Monza, der „guten Stube“ von Ferrari, hat ihm Enzo Ferrari ein Auto gegeben, mit dem der Deutsche hinter dem Briten Stirling Moss und dem Argentinier Juan Manuel Fangio den dritten Platz belegt und die ersten vier Weltmeisterschafts-Punkte erhält. 1958 gewinnt Ferrari in sechs Rennen gerade nur neun Punkte – ein Minus, mit dem man sich in Italien nicht zufrieden geben kann. Dazu kam noch die Tatsache, dass der Graf schon in der ersten Runde, der Lesmo-Kurve von Monza, mit dem BRM von Harry Schell kollidiert. Der strenge Chef Ferrari lässt Gnade vor Recht ergehen und lässt Trips im Sportwagen-Team starten. So bleibt er wenigstens in Sichtweite der großen Wagen.
Aber er will in die Klasse der Großen und versucht es mit einem Porsche, um wenigstens dabei zu sein. Das Pech aber bleibt ihm treu. In Monaco gibt es einen Unfall schon in der ersten Runde – auf der Avus zieht sich Porsche zurück, weil Jean Behra ums Leben kommt.
1961 gibt es wieder einmal eine Reihe von Regeländerungen in der Formel 1, die dazu führen, dass Ferrari für sich einige Vorteile sieht. Vor dem Rennen von Monza im September fehlt Wolfgang Berghe von Trips noch ein Sieg zum Gewinn der Weltmeisterschaft. In der zweiten Runde kommt es zu einem Unfall mit dem Briten Jim Clark in der Parabolica-Kurve. Es ist eine schwarze Stunde der Formel 1 – das Auto des Grafen schleudert auf den seitlichen Erdwall der Geraden und prallt gegen den Drahtzaun vor der Tribüne. Es sterben fünfzehn Zuschauer und es gibt fünfzig zum Teil Schwerverletzte. Wolfgang Graf Berghe von Trips ist sofort tot.
Der Teamkollege Phil Hill gewann in diesem Jahr die Weltmeisterschaft mit 34 Punkten vor Berghe von Trips mit 33 Punkten. Stirling Moss wurde abgeschlagen Dritter mit 21 Punkten. Trips wurde post mortem zum Vizeweltmeister erklärt. Die deutschen Sportjournalisten wählten ihn zum „Sportler des Jahres 1961“.
Er wurde in der Familiengruft auf dem Friedhof in Kerpen-Horrem beigesetzt. Er war der letzte Nachkomme der Familie. In der Burg Hemmersbach haben die Eltern ein Rennsportmuseum eingerichtet. Erst 1996 gab es unter dem Titel „La Passione“ einen Film, in dessen Mittelpunkt ein Junge steht, der den Rennfahrer verehrt – so wie der junge Graf damals die Fahrer bewunderte.
Wolfgang Reichsgraf Berghe von Trips sagte einmal: „Mut, Lust zum Kampf, Wille zur Bewährung und Freude am Sieg, das sind doch alles Tugenden, so alt wie die Menschheit selbst!“
Ulrich Kaiser, Mai 2008
Literatur zu Wolfgang Graf Berghe von Trips:
Reinold Louis (Hrsg.): Vom Rittergut zur Rennstrecke – das kurvenreiche Leben des Wolfgang Graf Berghe von Trips. Tagebuch, Erinnerungen, Zeitzeugen. Köln 2008
Jörg-Thomas Födisch, Reinold Louis: Eine deutsche Rennfahrerkarriere, Graf Berghe von Trips. Königswinter 1996
Rennsportmuseum Villa Trips: www.automobil-rennsport.de