Wolfgang Graf Berghe v. Trips

Motorsport

  • Name Wolfgang Graf Berghe v. Trips
  • Sportart Motorsport
  • Geboren am 4. Mai 1928 in Köln
  • Todestag 10. September 1961 in Monza
  • Aufnahme Hall of Fame 2008
  • Rubrik 60er Jahre

Erster Weltklasse-Rennfahrer der Nachkriegszeit

* Diese Biografie wird aktuell wegen neuer, zeithistorischer Erkenntnisse von Expert:innen im historischen Kontext eingeordnet. Hierzu erfolgt anschließend eine entsprechende Kommunikation.

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Auf der Rennstrecke, auf der er zwei Stunden später erster deutscher Formel 1-Weltmeister hätte werden können, bezahlte Wolfgang Graf Berghe von Trips 1961 seine Motorsportbegeisterung mit dem Leben: In Monza verunglückte er als Führender des Championats mit seinem Ferrari. Bei dem Unfall starben 15 Zuschauer mit ihm. Angesichts der Tragödie hatten sein zweiter Platz in der WM-Serie und die nach seinem Tod vorgenommene Wahl zum „Sportler des Jahres“ eher symbolischen Wert.

Nach einigen Motorradrennen begann Berghe von Trips seine Automobilkarriere 1953 auf einem Porsche. 1954 wurde er bereits Deutscher Meister und siegte in der GT-Klasse der Mille Miglia. Den Triumphen in der Sportwagen-WM wie dem Sieg bei den 12 Stunden von Sebring 1956 folgte 1957 in einem Ferrari das Formel-1-Debüt beim Grand Prix von Argentinien in Buenos Aires. Bei seinem dritten Grand Prix in Monza kam er als Dritter ins Ziel. 1960 wurde er WM-Sechster, 1961 feierte er in den Niederlanden und in England seine beiden ersten und einzigen Grand Prix-Siege. Berghe von Trips galt als Visionär. Er machte den Rennsport durch sein Auftreten und seine Erfolge wieder salonfähig, kümmerte sich intensiv um den Nachwuchs, war Gründer des Deutschen Sportfahrer-Kreises und brachte den Go-Kart aus den USA nach Deutschland. Der Heimatverein von Michael und Ralf Schumacher ist nach ihm benannt. 

Aufgrund neuer historischer Erkenntnisse zu Graf Berghe von Trips Einstellung zum Dritten Reich wird seine Biografie aktuell von einer sporthistorischen Expertengruppe überprüft.

Wolfgang Graf Berghe v. Trips

Motorsport

Größte Erfolge

  • Formel 1 WM-Zweiter 1961 (post mortem)
  • Formel 1 WM-Sechster 1960
  • Berg-Europameister 1958
  • Sieger der Targa Florio (Sportwagen-WM, 1961)
  • Sieger der 12 Stunden von Sebring
    (Sportwagen-WM, 1956)
  • Sieger Mille Miglia (GT-Klasse, 1954)
  • Deutscher Meister in der 1300 und 1600 ccm-Klasse

Auszeichnungen

  • Sportler des Jahres 1961 (post mortem)
  • Spielfilm „La Passione“ (1996; über einen Jungen, der Berghe von Trips als Idol verehrt)

Biografie - Der schnelle Graf: Eine Lichtgestalt der Nachkriegszeit

„Über Tote soll man nur Gutes sprechen. Über Dich, Wolfgang Graf Berghe von Trips, kann man nur Gutes sprechen.“ Mit diesen mehr als freundlichen Worten verabschiedete sich Huschke von Hanstein, in den 30er Jahren selbst Rennfahrer, wie später auch der von ihm Angesprochene Gewinner der deutschen Bergmeisterschaft, am 14. September 1961 von einer herausragenden Persönlichkeit der Nachkriegszeit, dessen Chef er als Rennleiter bei Porsche einige Jahre gewesen war. Er sprach auf der Trauerfeier für einen exponierten Protagonisten der Geschwindigkeit, den wie nicht wenige seiner – berühmten oder weniger berühmten – Kollegen das ultimative Schicksal einer ebenso faszinierenden wie umstrittenen Sportart ereilt hatte, das von Hanstein selbst erspart geblieben war.

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Als der Sarg von Wolfgang Graf Berghe von Trips in strömendem Regen in seinem grünen Ferrari, am Steuer saß Gert Gentsch, der Mechaniker seines Vertrauens, durch seinen Heimatort Horrem bei Kerpen zur Familiengruft auf dem kleinen Friedhof an der Clemens-Kirche gebracht wurde, säumten etwa zehntausend Menschen seine letzte Fahrt. Vier Tage zuvor, es war ein Sonntag, hatten weit mehr als Zehntausend die Hörfunkübertragung des WDR aus dem Autodromo Nationale Monza verfolgt, und dies in der hoffnungsfrohen Erwartung, einen sportlichen Triumph mitzuerleben, der sieben Jahren nach dem „Wunder von Bern“ eine ganze Nation in Hochstimmung versetzen sollte. Schließlich war es alles andere als unwahrscheinlich, dass mit Wolfgang Graf Berghe von Trips erstmals ein Deutscher Formel 1-Weltmeister werden würde. Umso größer war der Schock, als klar wurde, warum die Übertragung zuerst unter- und dann abgebrochen wurde.

Pole Position

Der schnelle Graf führte nach Siegen in Zandvoort und in Aintree, einem vierten Platz in Monte Carlo sowie zweiten Plätzen in Spa-Francorchamps und beim Grand-Prix von Europa auf dem Nürburgring die Fahrerwertung an. Bei vier Punkten Vorsprung vor seinem amerikanischen Teamkollegen Phil Hill und zwölf vor dem britischen Lotus-Piloten Stirling Moss, musste er beim vorletzten Grand Prix der Saison den Titel eigentlich nur noch sicher nach Hause fahren. Da er als Trainingsschnellster von der Pole-Position aus ins Rennen ging, durfte er sicher sein, dass sich auch sein Ferrari in Topform befand. Was also konnte schon schiefgehen? Ganz vieles natürlich. Und wie sich zeigen sollte, konnte auch der Worst Case eintreten.

In der zweiten von 43 Runden, Trips war nach dem Start etwas zurückgefallen, kam es bei dem Versuch, auf dem Rettilineo Centrale, einer Geraden zwischen der Curva del Vialone und der Curvetta, einer berüchtigten 180-Grad-Kehre, den vor ihm platzierten Jim Clarke zu überholen, bei Tempo 240 zu einer fatalen Berührung eines Hinter- und eines Vorderrades. Für Clarke war das Rennen beendet, für Trips auch sein Leben. Er war aus seinem Boliden geschleudert worden, nachdem dieser ungebremst in Richtung des dicht gedrängten Publikums gerast war, das auf beiderseits der Streckte aufgeschütteten Erdwällen das Geschehen hautnah verfolgte. Zaungäste, im wahrsten Sinne des Wortes. 15 von ihnen nahm Trips mit in den Tod. Auch sie waren – wie Trips in seinem Rennwagen - nicht hinreichend geschützt. Ein simpler Maschendrahtzaun. Elf starben an Ort und Stelle, vier später an ihren Verletzungen. Deren Alter, Namen und Lebensgeschichte haben keinen Platz im öffentlichen Gedächtnis gefunden. Auch sie wurden Opfer ihrer Leidenschaft. Wenn es nicht zynisch klänge, könnte man von einem Kollateralschaden sprechen.

1961 wurden in Deutschland über eine Million Unfälle polizeilich registriert, bei etwa 5,3 Millionen zugelassenen PKW. Die Zahl der Unfalltoten betrug 14.543. Graf Trips nicht eingerechnet, denn sein Unfall ereignete sich im Ausland. In Monza, unweit von Mailand. Und auch nicht im zivilen Straßenverkehr. Zum Vergleich: Die Unfallstatistik 2023 weist bei etwa 48 Millionen PKW lediglich 2.830 Tote aus. Das mag man Fortschritt nennen. Dem zum Beispiel die 1959 patentierte Erfindung eines Dreipunkt-Sicherheitsgurtes eines schwedischen Volvo-Ingenieurs in die Karten spielte. Eine Innovation, die vom Deutschen Patentamt 1985 als eine der acht Erfindungen benannt wurde, die der Menschheit in den letzten hundert Jahren den größten Fortschritt gebracht hatten.

Im Rennsport waren Gurte Anfang der Sechziger noch umstritten. Manche Fahrer verzichteten darauf, weil sie glaubten, bei Unfällen bessere Überlebenschancen zu haben, wenn sie aus dem Wagen geschleudert wurden. Ohnehin waren die Boliden zu dieser Zeit Vehikel zum Selbstmord. Hochgezüchtete Blechkisten mit einfachen Sitzschalen, ohne Knautschzone, Überrollbügel oder isolierten Leitungen fürs Benzin. Brandschutz Fehlanzeige. Und auch die Rennstrecken waren Hochrisiko-Zonen - für Fahrer und Zuschauer. 1955 etwa, beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans, starben bei einem Umfall des französischen Fahrers Pierre Levegh nicht weniger als 82 Zuschauer.

Ein Jahr später gewann Trips das legendäre Rennen, zusammen mit seinem Co-Piloten Richard von Frankenberg. Ein frühes Ausrufezeichen einer noch jungen Karriere, die von Talent und Ambition einer außergewöhnlichen Persönlichkeit und in gewisser Weise auch von deren exponiertem familiären Hintergrund beflügelt wurde – eine Karriere, die kurz vor dem ersten Höhepunkt einer verheißungsvollen Perspektive ein ebenso abruptes wie branchenüblich ultimatives Ende fand. Wolfgang Graf Berghe von Trips war eben ein Sieger, der auch Niederlagen einstecken musste. Am Ende, er war gerade 33 Jahre alt, hat er alles, vor allem sein Leben verloren. War es das wert?

Wölfchen

Am 4. Mai 1928 in Köln geboren, als Sohn – und einziges Kind – von Eduard Reichsgraf Berghe von Trips und seiner Frau Thessa, einer Beamtentochter mit dem Geburtsnamen Melzer, die er auch ohne familiäres Wohlwollen im Mai 1925 geheiratet hatte, verbachte Wolfgang Alexander, „Wölfchen“ genannt, seine ersten vier Lebensjahre in Bonn, der Heimatstadt seiner Mutter. In einem Haus in der Behringstrasse, in dem auch die von Wolfgang geliebten Eltern seiner Mutter lebten, in einer gediegenen Wohngegend. Sechseinhalb Jahre nach Ende des Weltkriegs waren es schwierige Weimarer Zeiten, mit stetigen politischen Verwerfungen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Ein Jahr vor Hitlers Machtübernahme, bezog Wolfgang mit seinen Eltern Burg Hemmersbach in Horrem, den Stammsitz der Familie, der im Sinne der Erbfolge, nach dem Tod von Wolfgangs Großvater, 1932 in den Besitz seines Vaters übergegangen war. Ein staatliches Gebäude, das mit seinen 45 Zimmern für die gräfliche Familie fortan eine Zier, aber auch eine Last darstellte. Viel Geld war nicht vererbt worden, aber großflächige Ländereien, die mit der darauf betriebenen Landwirtschaft ein gutes Einkommen sicherten und in schwierigen Zeiten die Option von Veräußerungen bot.

Die Burg und die parkähnliche Umgebung boten aber auch das Ambiente für eine vergleichsweise unbeschwerte und privilegierte Jugend, die aber auch durch einen Mangel an sozialen Kontakten außerhalb der Schule gekennzeichnet war sowie von gesundheitlichen Verwerfungen, etwa einer Gesichtslähmung, die ihn häufig, bisweilen auch längerfristig ans Krankenbett fesselten. Ein physischer Zusammenbruch bewahrte ihn gegen Ende des Zweiten Weltkrieges letztlich auch vor einem späten Einsatz an der Westfront. Wie sein Vater wurde er aber für den Volkssturm verpflichtet, um Schützengräben auszuheben.

Auch später, als er als einer der weltbesten Rennfahrer reüssierte, blieb seine labile Konstitution ein Handicap, das er freilich mit einem starken Willen auszugleichen vermochte. Gerade sommerliche Hitze brachte ihn schnell an den Rand seiner Kräfte. Im Übrigen waren selbst die großen Fahrer der fünfziger und sechziger Jahre im Gegensatz zu ihren heutigen Pendants alles andere als durchtrainierte Modellathleten. Selbst wenn die besten von ihnen gutes Geld verdienten, waren sie in gewisser Weise Amateure, die bei aller Leidenschaft für ihre Passion vielfach auch einer Profession nachgehen mussten. Die mit ihren privaten Fahrzeugen oder selbst gebuchten Flügen zu den Rennen anreisten, sich selbst um ihre Unterkunft kümmern und sich finanziell auch schon einmal einschränkten mussten. Dies galt auch für den Grafen von Trips, der seitens der Eltern äußerst „knappgehalten“ wurde, und sich sein teures Hobby selbst verdienen musste – mit Preisgeldern und Unterstützung von Freunden. Da insbesondere seine Mutter alles andere als begeistert war von seinen Ambitionen, ging Trips in den ersten Jahren – als Axel Linther - unter einem Pseudonym an den Start. Zudem plagten ihn stets Sorgen um sein späteres Auskommen und seine beruflichen Optionen. Eine Zukunft als Gutsverwalter und Landwirt erschein ihm jedenfalls wenig verheißungsvoll. 

Da auch seine schulischen Leistungen zu wünschen übrig ließen und er sein Abitur erst im zweiten Anlauf – an der privaten Waldorfschule Benefeld – schaffte, hatte er immer wieder mit Selbstzweifeln zu kämpfen, wie er in seinen Tagebüchern eindrucksvoll beschrieb. Küchenpsychologisch könnte man von depressiven Schüben sprechen. Dies muss keinen Widerspruch darstellen zu seinem offenen Wesen, seiner freundlichen Art und seiner stets glänzenden Erscheinung, die er in allen Lebenslagen an den Tag legte und die ihn später in seiner öffentlichen Wirkung zu einer Projektionsfläche gesellschaftlicher Idealvorstellungen machte.

Naturtalent

Der Weg dorthin war für den Grafen freilich kein Spaziergang und ebenso von Erfolgen wie Schwierigkeiten und Rückschlägen geprägt. Seine Affinität zum Rennsport könnte Wolfgang vom Vater geerbt haben. So war das Ehepaar Trips schon im Juni 1927 unter den Zuschauern des Premierenrennens am Nürburgring, der als konjunkturfördernde Maßnahme in zwei Jahren in der Eifel - unweit des Jagdreviers der Familie - erbaut worden war. Fortan zählten sie zu den Stammgästen, ab Mitte der dreißiger Jahre auch in Begleitung ihres Sohnes. Auf der spektakulärsten und härtesten Rennstrecke der Welt erlebten sie auch schwere, bisweilen tödliche Unfälle – eine Erfahrung, die wohl dazu beitrug, dass Reichgräfin Thessa die spätere Karriere ihres Sohnes immer missbilligen ließ.

Vater Eduard war weniger skeptisch. Er war ein passionierter Reiter, der gerne Rennen bestritt und dabei Unfälle in Kauf nahm. So wirkte er auch nicht bremsend ein, als der Stammhalter seine Faszination für fahrbare Untersätze entdeckte. Im zarten Alter von acht Jahren drehte er mit einem Sechszylinder-Opel aus dem elterlichen Fuhrpark erste Runden auf dem Hof, auch wenn er noch zu klein war, um gleichzeitig auf die Kupplung zu treten und die Schaltung zu bedienen, so dass ein Freund assistieren musste. Offenbar war Wolfgang ein Naturtalent. Freilich dauerte es sich nicht lange, bis sich erste Blechschäden einstellten. Viele kleinere und größere sollten folgen. Sie sollten ihm den Spitznamen „Count Crash“ einbringen.

Eine Art Initialzündung für Wolfgangs Karriere ist auf den 26. Juli 1936 zu datieren. An diesem Tag besuchte der achtjährige Wolfgang mit seinen Eltern zum ersten Mal den Nürburgring. Dort wollten 350.000 Zuschauer beim Großen Preis von Deutschland deutsche Autos und deutsche Fahrer siegen sehen. Die berühmten Silberpfeile von Mercedes und Auto-Union und die großen Vier, Rudolf Caracciola, Manfred von Brauchitsch, Hans Stuck und Bernd Rosemeyer, sollten der – vor allem italienischen - Konkurrenz zeigen, wozu deutsche Technik und deutscher Kampfgeist fähig waren – und Adolf Hitler Ehre machen. Dessen Konterfrei zierte selbstredend das Programmheft. Der Held des Tages war – wohl nicht nur für Wolfgang – freilich weniger Hitler, als Rosemeyer, der das Rennen mit klarem Vorsprung gewann.

Nicht ganz richtig

Die Lektüre späterer Tagebuch-Einträge legt nahe, dass sich der junge Trips dem Geist der nationalsozialistischen Zeit durchaus verbunden fühlte, was auch für seine Eltern zutrifft, deren politische Haltung schon von Standes wegen konservativ war. Entsprechenden Akten ist zu entnehmen, dass Reichsgraf Eduard „37/38“ Mitglied der NSDAP geworden, aber nicht weitergehend politisch in Erscheinung getreten war. Jedenfalls wurde er „ohne Bedenken“ entnazifiziert. Der entsprechende Bescheid datiert auf den 10. September 1947. Auf den Tag genau 13 Jahre später sollte das Ehepaar Trips eine ganz und gar nicht erfreuliche Nachricht erhalten.

Wolfgang musste nicht entnazifiziert werden. Er war zu jung, um Parteimitglied gewesen zu sein. Verbrieft ist aber, dass er Mitglied der Hitler-Jugend war. Bezüglich seiner inneren Haltung bieten die verfügbaren Quellen nur bedingt Anhaltspunkte. Das Bild seines späteren Auftretens vor Augen, fällt es schwer, ihn sich als einen glühenden Anhänger der Nazis vorzustellen, allerdings gibt ein Tagebucheintrag von Oktober 1947 zu denken, in dem er sich an die vermeintlich gute alte Zeit erinnert, „als wir ein Volk waren, das zusammenhielt, ehrlich war und kämpfte, ich als Junge mit Begeisterung an allem hing und stolz war, wenn unsere Flieger kamen, in allem nichts Schlechtes sah. […] Ich weiß heute, und sehe es auch vollkommen ein, dass manches, was früher mein höchstes Ideal war, tatsächlich nicht ganz richtig war. Aber ich trauere dem allem doch nach, weil es eben nicht mehr wiederkommt und es auch keinen Ersatz dafür gibt.“

„Nicht ganz richtig“!? Dies ist, zweieinhalb Jahre nach Ende des Krieges, für einen Neunzehnjährigen ein erstaunlich niederschwellig reflektierter, aber wohl auch zeittypischer Umgang mit der schlimmsten Katastrophe der Menschheitsgeschichte und der persönlichen Involvierung. Zumal Trips, der Monate zuvor noch begeistert deutschen Kampfflugzeugen am Himmel hinterhergeblickt hatte, die verheerenden Schäden des Krieges unter anderem auch in seiner Geburtsstadt Köln in Augenschein genommen hatte.

Er selbst hatte das Dritte Reich und den Krieg mit seinen Eltern vergleichsweise unbeschadet überstanden. Im Marz 1945 hatten die heranrückenden Amerikaner von Burg Hemmersbach Besitz ergriffen, so dass die Eigentümer bis auf Weiteres mit einem Nebengebäude Vorlieb nehmen mussten. Der 17jährige Wolfgang verstand sich bald gut mit den Besatzern, lernte deren Spielart der englischen Sprache und war gerne zu Diensten, wenn es etwas auf dem Schwarzmarkt zu besorgen galt. Für solche „Dienstfahrten“ durfte er einen der Jeeps nutzen. Als bei einer Straßenkontrolle festgestellt wurde, dass er ohne Führerschein fuhr, ließ sich das Problem schnell lösen: Er fuhr in die Kreisstadt Bergheim, natürlich mit dem Auto, trug sein Begehr vor und fuhr mit einem gültigen Fahrausweis nach Hause. Die Bürokratisierung steckte offenbar noch in den Kinderschuhen.

Ein anderes Problem war dagegen nicht so leicht, schon gar nicht auf die Schnelle zu lösen: die Schule. Mehr für die Eltern als für den Sohn war ein Abschluss von Bedeutung. Dieser ging lieber ins Kino, auch ins Konzert. Auch erfreute er sich am Interesse der Damenwelt, wobei er sich auf „etwas Festes“ nicht einlassen wollte. Auch später nicht. Vielleicht waren seine Ansprüche zu hoch, oder er wollte nicht Frau und Kinder hinterlassen, wenn er bei einem Rennen auf der Stecke bleiben sollte.

Erst auf zwei, dann vier Rädern

Als er das Internat in Benefeld besuchte, um das Unmögliche, nämlich das Abitur, möglich zu machen, finanzierten ihm die Eltern eine 125 M Maico, ein Motorrad, das 1948 in Serie gegangen war, damit er von der abgelegenen Schule in ein Hotel zum Essen fahren konnte. Auf einer seiner Fahrten „passierte es eines Tages“, dass vor einer Bahnschranke plötzlich eine R 51, eine 500er BMW, neben ihm stand. Diese Maschine musste er haben – und er bekam sie auch. Damit nahm eine Geschichte ihren Anfang, die im Autodrom von Monza ihr Ende finden sollte.

Mit besagter R 51 fuhr Trips im Oktober 1950 sein erstes Rennen, eine Orientierungsfahrt des Braunschweiger BMW-Clubs. Nach 120 Kilometern war er Fünfter. Gut ein Dutzend weiterer Rennen folgten in den folgenden beiden Jahren. Im Januar 1952 etwa die „ADAC-Rheinlandfahrt“ auf dem Nürburgring. 

Mit weit mehr Enthusiasmus, den er für seine zweijährige landwirtschaftliche Lehre sowie die Höhere Landbauschule in Brühl, in Fachkreisen „Mistakademie“ genannt, aufbrachte, bestritt er weiter Rennen. Im März 1954 erstmals nicht mehr auf zwei, sondern auf vier Rädern, bei einer Nachtzuverlässigkeitsfahrt über 500 Kilometer in Bad Dürkheim. Sein Wagen war ein Porsche mit 1.300 Kubikzentimetern, den er sich mit Unterstützung von Bekannten hatte leisten können. Insbesondere Victor Rolff, Spross einer bekannten Industriellen-Familie, der im Februar 1953 den Kölner Porsche-Club gegründet hatte, half ihm auf die Sprünge. Beide hatten sich zwei Jahre zuvor bei einer Begegnung auf der Aachener Straße in Köln – heute würde man von einem illegalen Motorrad-Rennen sprechen – kennen- und schätzen gelernt.

Die stetigen Geldsorgen minderten sich, als der eingangs erwähnte Huschke von Hanstein das Talent unter Vertrag nahm und ihn mit einem Porsche 1.600 Super ausstatte. Mit diesem belegte Trips, noch unter seinem „Künstlernamen“ Axel Linther, am 1. August 1954 einen hervorragenden zweiten Platz beim XVII. Großen Preis von Deutschland des AvD am Nürburgring. Mit der Siegprämie von 1.000 DM, notierte er, „konnte ich mein Schuldenkonto wieder etwas reduzieren und mir einen kleinen Rest als Rücklage ‘für alle Fälle‘ wegtun.“

Nach seinem Rennen beobachte Trips noch den „Großen Preis von Europa“, den der Argentinier Juan Manuel Fangio, als fünffacher Weltmeister einer der größten seiner Zunft, auf Mercedes-Benz gewann. „Viel mehr ist mir nicht in Erinnerung geblieben, denn die großen Rennen lagen damals außerhalb meiner Interessenshäre.“

Eben dies sollte sich bald ändern. Im Januar 1957 hatte Trips nämlich einen Vertrag als Werksfahrer bei Ferrari unterschrieben und war damit in die Top-Liga des Rennsports aufgestiegen. Seinen ersten Grand Prix, den „Großen Preis von Argentinien“, beendete er als guter Sechster. Es folgten Höhen und Tiefen, die typischen Wechselfälle einer exponierten Karriere im Rampenlicht, die im Laufe der Formel 1-Saison von 1961 in jeder Hinsicht kulminierte. Mit einem Punkt Rückstand auf Phil Hill wurde Trips posthum Vize-Weltmeister und gut drei Monate nach seinem Tod – vor Manfred Germar, Heidi Schmid, Max Morlock, Wilfried Dietrich und Rudi Altig - zum „Sportler des Jahres“ gewählt.

Was hätte aus ihm noch werden können? Ein smarter Graf mit blendendem Aussehen, erfolgreich, weltgewandt und bodenständig, eloquent und engagiert, ein Liebling der Medien, kurz, eine Lichtgestalt der Nachkriegszeit … in einer „Liga“ mit Fritz Walter, Sepp Herberger und Max Schmeling.

Wenn bisweilen behauptet wird, dass Erfolg und Geld den Charakter verderben – Wolfgang Graf Berghe von Trips ist ein Gegenbeweis. Er vergaß nicht, wo er herkam und dass neben Können auch Glück seinen Weg bestimmt hatte. Es war ein Star ohne Allüren, blieb ein verlässlicher Freund und fairer Sportsmann, stets verbindlich und freundlich auch im Umgang mit weniger privilegierten Zeitgenossen. Und er folgte immer wieder dem Impuls, seine Popularität für gesellschaftlich relevante Anliegen nutzbar zu machen. So engagierte er sich in Vorträgen für mehr Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen und war sich nicht zu schade, gleichsam als Fahrlehrer Trainings zu leiten.

Auch die Förderung des rennsportlichen Nachwuchses lag ihm am Herzen. In diesem Sinne gründete er 1960 gemeinsam mit seinem Fahrerkollegen Wolfgang Seidel die – noch heute bestehende – Rennsportgemeinschaft „Scuderia Colonia“, die er auch dadurch bekannt machte, dass er – in einer Zeit, als die Formel 1-Piloten noch keine wandelnden Litfaßsäulen waren - ihr Wappen auf seinem Helm zur Schau stellte. Auch auf dem Helm, der ihm am 10. September 1961 nicht das Leben retten konnte.

 

P.S.: Ein Pionier des Kartsports

Kann man über Wolfgang Graf Berghe von Trips tatsächlich viel Gutes sagen, wäre noch zu ergänzen, dass er auch ein Pionier des Kartsports gewesen ist. Im Zuge seiner Reisen in die USA hatte er Gefallen am dort populären Sport gefunden, diesen als ausgezeichnetes Vehikel für eine Frühförderung fahrerischen Talents identifiziert und, Anfang 1960, ein Kart, gleichsam als Prototyp für eine hiesige Produktion mit nach Horrem gebracht.

Den Bau und die Eröffnung einer Kartbahn in seinem Heimatort erlebte er freilich nicht mehr. Diese war auf Betreiben der „Rennsportfreunde Wolfgang Graf Berghe von Trips“, eines örtlichen Fan-Clubs erfolgt, der vier Wochen vor dem Tod des Grafen gegründet worden war und mit Trips‘ Erlaubnis dessen Namen trug. Das Gelände hatten Trips‘ Eltern dem Verein aus dem Familienbesitz überlassen. Eröffnet wurde die Bahn im April 1965 durch Reichsgräfin Thessa.

Seit Anfang der 1970er Jahre hatte sich zunehmend Widerstand artikuliert, namentlich von Anwohnern, die sich durch den Trubel und den Lärm belästigt fühlten. Zudem hatte die Erkenntnis Platz gegriffen, dass die vergleichsweise bescheidene Bahn der fortschreitenden Entwicklung des Kartsports immer weniger gerecht werden konnte. So begaben sich die „Rennsportfreunde“ auf eine -jahrelang vergebliche – Suche nach einem alternativen Standort, bis der Rat der Stadt Kerpen 1977 beschloss, eine nicht mehr betrieben Kiesgrube in Manheim zur Verfügung zu stellen. Dort entstand in reiner Eigenleistung des Vereins eine moderne Bahn, die im März 1980 unter dem Namen „Erftlandring“ eröffnet wurde und alsbald zu den Topadressen des Kartsport zählte.

Als „Bahnmeister“ fungierte ein gewisser Rolf Schumacher, dessen Ehefrau Elisabeth an der Bahn einen Kiosk betrieb. Für ihre beiden Söhne, Michael und Ralf, lag ihre Zukunft also nahe. Doch dies ist eine andere Geschichte.

Dr. Andreas Höfer, Dezember 2024

 

Literatur zu Wolfgang Graf Berghe von Trips:

Jörg-Thomas Födisch/Jürgen Schneider: Wolfgang Graf Berghe von Trips. Erinnerungen. 2. Aufl., Linz 2024

Richard von Frankenberg: Wolfgang Graf Berghe von Trips, Stuttgart 1969

Hermann Harster: Das Rennen ist nie zu Ende. Die Geschichte des Grafen Berghe von Trips. Berlin/Frankfurt a.M./Wien 1962

Andreas Höfer: „Wolfgang Graf Berghe von Trips. Eine Lichtgestalt des deutschen Sports? Eine biografische Skizze“, in: Geschichte im Westen. Zeitschrift für Landes- und Zeitgeschichte 39,  S. 95 – 117, 2024

Reinhold Louis: Wolfgang Graf Berghe von Trips. Biographie. Köln 1989


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