Heike Drechsler

Leichtathletik

  • Name Heike Drechsler
  • Sportart Leichtathletik
  • Geboren am 16. Dezember 1964 in Gera
  • Aufnahme Hall of Fame 2017
  • Rubrik 90er Jahre bis heute

Erfolgreiche Weitspringerin in Ost und West

Heike Drechsler ist als jeweils zweimalige Olympiasiegerin und Weltmeisterin, als viermalige Europameisterin in Serie, als Weltrekordlerin mit 409 Weitsprüngen über 7 Meter und als Gewinnerin von 27 Medaillen bei internationalen Großereignissen zwischen der WM 1983 und den Olympischen Spielen 2000 eine der erfolgreichsten deutschen Leichtathletinnen.

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Nachdem sie 1983 in Helsinki mit 18 Jahren überraschend den WM-Titel im Weitsprung gewonnen und in jenem Jahr erstmals die 7-Meter-Marke übertroffen hatte, konnte Heike Drechsler, damals unter ihrem Mädchennamen Daute, wegen des Ost-Boykotts im Jahre 1984 nicht nach einer Olympiamedaille greifen. Im Jahr darauf erzielte sie mit 7,44 m ihren ersten Freiluft-Weltrekord. Bei der EM 1986 in Stuttgart siegte die Ostdeutsche im Weitsprung und über 200 m und wurde vom Westpublikum gefeiert. In ihrer Spezialdisziplin siegte sie bis 1998 drei weitere Male in Folge bei den kontinentalen Titelkämpfen – das war zuvor keiner deutschen Leichtathletin gelungen. Nach Olympia-Silber 1988 in Seoul, WM-Bronze respektive -Silber 1987 und 1991 und einer Babypause 1989 krönte Drechsler ihre Karriere das erste Mal 1992 in Barcelona mit Olympia-Gold im Weitsprung. Zuvor hatte sie im hoch gelegenen italienischen Sestriere mit 7,63 m den weitesten Sprung einer Frau absolviert, allerdings mit 2,1 m/s Rückenwind zu viel, um als Weltrekord anerkannt zu werden. Zehn Jahre nach ihrem ersten Welttitel gewann sie 1993 in Stuttgart überlegen erneut den WM-Titel. Drechsler versuchte sich auch im Mehrkampf und stellte 1994 mit 6.741 Punkten eine Weltjahresbestleistung auf. Bei der WM 1995 musste sie jedoch verletzungsbedingt aufgeben, auch die Teilnahme an Olympia 1996 in Atlanta fiel einer Verletzung zum Opfer. Das Comeback gelang mit EM-Gold 1998 in Budapest, und der Höhepunkt stand noch bevor: 2000 in Sydney holte sie zum zweiten Mal bei Olympischen Spielen die Goldmedaille im Weitsprung. Nach weiteren Verletzungsproblemen beendete sie 2004 ihre Karriere.

In der DDR war Heike Drechsler Abgeordnete der Volkskammer und Mitglied des Zentralrats der FDJ. 1993 wurde sie beschuldigt, als „IM Jump“ für die Stasi tätig gewesen zu sein. Dopingforscher haben rekonstruiert, dass sie von 1982 bis 1984 hohe Dosen Oral-Turinabol bekam. Anfänglich bestritt sie die Stasi- und Dopingvorwürfe, was sie heute bedauert. Sie wirft sich selbst vor, nicht früher alles hinterfragt zu haben. Sie sagt, sie habe nie willentlich und wissentlich gedopt und verurteilt die Doping-Praktiken des DDR-System aufs Schärfste. In Interviews stellt sie sich ihren Kritikern, bezieht klar Stellung und unterstützt den Anti-Doping-Kampf beispielsweise durch Vorträge an Schulen.  Nach ihrer aktiven Sportkarriere arbeitet Drechsler als Repräsentantin für Sport Bewegung, Ernährung und betriebliches Gesundheitsmanagement bei einer Krankenkasse und ist eine gefragte Vortragsrednerin. Darüber hinaus engagiert sie sich unter anderem für Projekte gegen Brustkrebs und Kindesmissbrauch.

Heike Drechsler

Leichtathletik

Größte Erfolge

  • Zweifache Olympiasiegerin im Weitsprung (1992, 2000)
  • Zweifache Weltmeisterin im Weitsprung (1983, 1993)
  • Viermal in Folge Europameisterin im Weitsprung (1986, 1990, 1994, 1998)
  • Drei weitere Olympiamedaillen (1988 Silber im Weitsprung sowie Bronze über 100 m und 200 m)
  • Vier weitere WM-Medaillen (1991 Silber und 1987 Bronze im Weitsprung, 1987 Silber über 100 m, 1991 Bronze mit der 4x100 m-Staffel)
  • Hallen-Weltmeisterin im Weitsprung und über 200 m (1987)
  • Vierfache Hallen-Europameisterin im Weitsprung (1986, 1987, 1988, 1994)
  • Weitsprung-Weltcup-Siegerin 1985, 1992, 1998
  • Fünf Weltrekorde (3-mal im Weitsprung 1985/86/88, 2-mal über 200 m 1986)

Auszeichnungen

  • Aufnahme in die Hall of Fame des Welt-Leichtathletik-Verbands IAAF (2014)
  • Ehrenbürgerin Gera (2005)
  • Goldene Henne (2005)
  • Sportlerin des Jahres 2000
  • Bambi 1998
  • Kandidatin zur internationalen Wahl als Leichtathletin des Jahrhunderts (1999)
  • Welt-Leichtathletin des Jahrhunderts (1999, Magazin Leichtathletik)
  • Deutschlands Leichtathletin des Jahres (1993, 1994, 1998, 2000)
  • Silbernes Lorbeerblatt (1992)
  • Weltsportlerin des Jahres 1986 (La Gazzetta dello Sport)
  • Europas Sportlerin des Jahres 1986 (Vereinigung europäischer Sportjournalisten)
  • Stern der Völkerfreundschaft in Gold 1986
  • DDR-Sportlerin des Jahres 1986
  • Vaterländischer Verdienstorden in Gold 1984 und 1988

Biografie

Das erste Mal vergisst man nicht – sagt man. Mein erstes journalistisches Mal mit Heike Drechsler habe ich tatsächlich nie vergessen. Der Reporter traf im Frühjahr 1990 in Jena eine Weltklasse-Sportlerin. Weitspringerin, aber auch Siebenkämpferin und Sprinterin. Bei BILD üblicherweise "Leichtathletik-Königin" genannt. Heike Gabriela hatte unter ihrem Mädchennamen Daute bereits mit 18 Jahren den Weltmeister-Titel gewonnen.

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Ich lernte eine junge Frau kennen mit damals todschicken Miniplis-Locken (Heike, erinnerst du dich...?). Sie wirkte sympathisch, aber auch zurückhaltend. Eine Frau in der Zeit der politischen Wende, die nicht so genau wusste, wohin ihre Lebens-Reise führen würde.

Die DDR war untergegangen mit all ihren Finsternissen. Ebenso mit den vermeintlichen Vorteilen und der Sicherheit, die Spitzensportler genossen hatten und dafür mit Linientreue zurückzahlen mussten.

Heike Drechsler sagte mir damals nachdenklich: "Wir Sportler haben wohl ganz schön geschlafen. Ich starte jetzt nur noch für meinen Sohn Tony." Damals sieben Monate alt.

Das zweite Mal vergisst man manchmal auch nicht.

Für Heike Drechsler, für alle Athleten und selbst für uns Reporter, war die Schlussfeier der Europameisterschaft in Split im September 1990 eines der gewaltigsten Momente. Arm in Arm liefen die Fahnenträger der beiden noch getrennten deutschen Mannschaften - Hürdenläuferin Gaby Lippe (West) und Kugelstoßer Ulf Timmermann (Ost) - ins Stadion ein. Heike sagte spontan: "Vor Rührung bekam ich eine Gänsehaut. Jetzt werden wir eine richtige Mannschaft." Zumindest symbolisch war der Sport einen Monat schneller als die Politik mit der Vereinigung. So gehört es sich ja auch für den Sport. Der Nach-Wende-Weg der Heike Drechsler hatte begonnen.

Das dritte Mal kann kompliziert sein.

Gold bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona. Der Traum, dem sie so lange hinterher gerannt- und gesprungen war, hatte sich erfüllt. Und im Augenblick des Triumphs, des größten Glücks, wird sie eiskalt erwischt. Pressekonferenz im Stadion. Die erste Frage galt nicht ihrem Erfolg, sondern den Schatten der Vergangenheit. Doping, DDR.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Journalisten müssen fragen, bohren, forschen, auch dann, wenn es weh tut. Und doch tat mir der Mensch Heike Drechsler in diesem Moment leid. So heruntergezerrt von Wolke 7.

Sicher, sie mag bei der Aufarbeitung des Themas Fehler begangen haben. Wer macht keine Fehler von uns? Selbst die, die gerne Steine auf andere werfen, sind meist nicht ohne eigene Sünde.

Das vierte  Mal – die Vollendung der Heike Drechsler

2000 holt sie in Sydney zum zweiten Mal Gold. Ein Olympiasieg ist etwas Großartiges. Aber diesen nach einer so langen Zeit zu wiederholen, macht einen Sportler unsterblich. Ulrike Nasse-Meyfarth ist dies gelungen 1972 und 1984. Auf dieser Flughöhe schwebt auch Heike Drechsler.

Dafür erhielt sie zweimal das Bambi und einmal die Goldene Henne. Sie wurde bereits 2014 in die "Hall of Fame" des Welt-Leichtathletik-Verbandes aufgenommen. Drei Jahre später nun also auch die Aufnahme in die "Hall of Fame des deutschen Sports " der Deutschen Sporthilfe.

Glückwunsch, Heike, zu dieser längst fälligen Ehre!

Eines muss ich Dir aber nach so langer Zeit doch vorhalten: Du hättest als Leichtathletik-Königin während Deiner Karriere und danach für einige Skandale und Schlagzeilen mehr sorgen können. Nehme dir ein Beispiel an.... Nein, das verrate ich jetzt lieber nicht...

Walter Straten, Juni 2017
 


Weitere Mitglieder der Hall of Fame

Armin Hary

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Willi Holdorf

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Renate Stecher

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