Manfred Germar

Leichtathletik

  • Name Manfred Germar
  • Sportart Leichtathletik
  • Geboren am 10. März 1935 in Köln
  • Aufnahme Hall of Fame 2006
  • Rubrik Nach 1945

Sprintstar in der Leichtathletik

In den 1950er und 1960er Jahren zählte Manfred Germar zu den besten deutschen Sprintern. Nach den Olympischen Spielen 1956 von Melbourne, wo der dreifache Europameister als Schlussläufer der deutschen 4 x 100-Meter-Staffel Bronze gewann, blieb er in 74 aufeinander folgenden Rennen ungeschlagen. Der Titel „Sportler des Jahres 1957“ war Ausdruck seiner damaligen Überlegenheit auf dieser Strecke. 1958 wurde er Europameister und lief im gleichen Jahr auch Weltrekord über 200 Meter.

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Germar blieb jedoch vom Pech nicht verschont. Kurz vor den Olympischen Spielen 1960 in Rom zwangen Verletzung und Kieferoperation zur Trainingspause. Außer Form, schied Germar früh aus und musste zusehen, wie seine Staffelkameraden ohne ihn Olympiagold holten. Zwei Bestleistungen bleiben Manfred Germar für immer: In der Hochzeit der Länderkämpfe wurde er von 1954 bis 1962 für Deutschland in 54 internationalen Wettkämpfen 123-mal eingesetzt. Zudem schrieb er im Ehrenamt Rekorde: Bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe arbeitete Germar über 40 Jahre ehrenamtlich im Gutachterausschuss. Niemand sonst gehörte so lange und ohne Unterbrechung diesem Gremium an. Über 30 Jahre wirkte Germar auch als Organisator des Leichtathletiksportfests „Weltklasse in Köln“ und war von 1978 bis 1997 Präsident des ASV Köln.

Manfred Germar

Leichtathletik

Größte Erfolge

  • Olympia-Bronze 4 x 100-Meter 1956
  • Europameister 200 Meter 1958
  • Europameister 4 x 100-Meter 1958 und 1962
  • Weltrekorde über 200 Meter (1958) und
    4 x 100-Meter (1958)
  • Sechs Europarekorde
  • 23 deutsche Meistertitel (1953 bis 1964)

Auszeichnungen

  • Goldene Sportpyramide (2003)
  • Olympischer Orden des IOC (2001)
  • Carl-Diem-Schild (1999)
  • Bundesverdienstkreuz (1998)
  • Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis (1960)
  • Sportler des Jahres (1957)
  • Silbernes Lorbeerblatt (1957)
  • Ehrenpräsident ASV Köln
  • Goldenes Band der Sportpresse (1957)

Biografie

Manfred Germar gehört zu den großen Idolen der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre. Ein Vorbild in seinem Leben als Athlet und danach in seinem ehrenamtlichen Engagement. Gemeinsam mit Martin Lauer, seinem Vereinskameraden vom ASV Köln, dem Weltrekordmann über 110 Meter und 200 Meter Hürden, mit Heinz Fütterer und Carl Kaufmann füllte der blonde Sprinter die Stadien. Davon hatten die Sportler materiell nicht viel. Denn wegen der strengen Amateurregeln bekamen sie nur karge Spesen. Die Zuschauer staunten immer wieder über den schnellen Mann, der zu Beginn des Rennens wie ein Verlierer aussah und im Ziel meist der Sieger war.

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Das typische Kind der Kriegs- und Nachkriegszeit, 1935 in Köln geboren und im Stadtteil Nippes aufgewachsen, sah mit seinen dünnen Armen und Beinen nicht gerade wie ein heranwachsender Athlet aus. Bombennächte hatten die Beschaulichkeit des gut situierten Elternhauses gestört. Einmal schlug ein Blindgänger am Bett einer der beiden Schwestern ein, ohne jemanden zu verletzen. Daraufhin wurden die Kinder zu Verwandten nach Schmiedeberg im Erzgebirge gebracht. Von dort aus sahen sie das Bombardement auf Dresden, die Heimatstadt ihres Vaters. Bei einem Besuch in Hamburg, woher die Mutter stammte, wurden die Kinder mit den Zerstörungen der Hansestadt konfrontiert. Nach dem Zusammenbruch verschlug es die Familie nach Schkopau bei Halle an der Saale, wo der Vater als Diplom-Chemiker in den Buna-Werken sehr gefragt war. 1947 entschlossen sich die Germars zur Flucht in den Westen und zur Rückkehr nach Köln. Der Grund: Der Spezialist sollte in der Sowjetunion sein Know-how nutzbar machen.

Als sich das Leben Ende der vierziger Jahre normalisierte, entdeckte der kleine Manfred die Freude am Sport. Zuerst spielte er gerne Fußball, Handball und Tischtennis, begeisterte sich aber schon bald für die Leichtathletik. Das Sonntagskind war von der Natur mit ungewöhnlich schnellen Beinen ausgestattet worden. Ein Talent, das sein Leben maßgeblich bestimmen sollte. Am 1. Mai 1950 trat er in den ASV Köln ein, dessen Präsident und Ehrenpräsident er einmal werden sollte. Im Frühjahr 1953 sagte August Kirsch, der spätere Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, einmal zu ihm: „Sie sind ja ganz sprungkräftig. Aber vom Laufen haben sie keine Ahnung. Ihr Stil ist unmöglich.“ Das hinderte Manfred Germar, der im Hochsprung immerhin 1,72 Meter meisterte, nicht, als Sprinter zu einem beispiellosen Siegeszug zu starten. Und das, obwohl er beileibe nicht zu den Trainingsfleißigsten gehörte. „Ich trainierte zweimal die Woche eine Stunde. Anders als die Leichtathleten heute haben Martin Lauer und ich uns aber nicht geschont und sind sehr oft bei Wettkämpfen gestartet.“

Vor allem als Schlussläufer in der 4 x 100-Meter-Staffel, ob im weinroten Trikot des ASV oder im Nationaltrikot, riss er manches schon verloren scheinende Rennen aus dem Feuer. So miserabel sein Start, so unwiderstehlich war sein Endspurt. 1956 in Melbourne wurde der Einundzwanzigjährige als bester Europäer Olympiafünfter im 100-Meter-Lauf und führte das deutsche Quartett zur Bronzemedaille. Vor allem im längeren Sprint zeigte er seine Klasse und stellte 1958 mit 20,6 Sekunden den Weltrekord ein. In dieser Disziplin wurde er im gleichen Jahr in Stockholm Europameister vor Armin Hary. Der spätere 100-Meter-Olympiasieger von Rom hatte ihm zuvor in Schweden dank seines Blitzstarts im kurzen Sprint den Sieg weggeschnappt. Damit ging eine unglaubliche Serie von 74 Rennen zu Ende, in denen Germar nach den Spielen in Australien ungeschlagen blieb.

23 deutsche Meistertitel, davon 19 bei den Erwachsenen, sammelte „Manni“, wie ihn die Boulevard-Presse taufte. Seine Popularität gründete nicht zuletzt auch auf den 123 Einsätzen bei 54 Länderkämpfen, die damals im angehenden Fernsehzeitalter die Begeisterung für die Leichtathletik schürten. Die eindrucksvolle Erfolgsbilanz überstrahlt das Manko, dass der Dauersieger vom Rhein olympisch nur mit dem Staffel-Bronze von Melbourne vorlieb nehmen musste. Die Sommerspiele von Rom 1960 sollten zu einem Höhepunkt für ihn werden. Doch sie wurden zum Tiefpunkt seiner Laufbahn. Gebeutelt von Verletzungen und einer Kieferoperation, schied Germar weit entfernt von seiner Höchstform auf beiden Sprintstrecken in den Vorläufen aus. Deprimiert musste er zusehen, wie die 4 x 100-Meter-Staffel mit Martin Lauer als Schlussläufer die Goldmedaille gewann. Im Blick zurück ohne Zorn sagte der heitere Rheinländer einmal: „Ich kann es selber nicht verstehen, dass ich nicht Olympiasieger geworden bin.“ Das hätte nur zu gut zu seiner glanzvollen sportlichen Karriere gepasst.

1964 hinderten ihn Verletzungen, an der Qualifikation für die gesamtdeutsche Olympiamannschaft teilzunehmen. Das Kapitel Leistungssport war damit beendet. Dennoch war Germar in Tokio dabei. Denn Willi Daume, der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees und des Deutschen Sportbundes, nahm ihn als persönlichen Referenten mit zu den Sommerspielen nach Japan. Eine Auszeichnung besonderer Art für den Sportler des Jahres 1957, der unter anderem mit dem Silbernen Lorbeerblatt, dem Olympischen Orden und dem Bundesverdienstkreuz dekoriert wurde. Bei den Olympischen Spielen von München 1972 war Germar verantwortlich für die Betreuung früherer Olympiasieger von Jesse Owens bis Emil Zatopek. Eine Aufgabe, die ihm viel Freude bereitete.

Ehefrau Brigitte und Tochter Britta gaben dem Kölner die Kraft für seine vielfältigen Beanspruchungen. Der Diplom-Kaufmann stieg zum Abteilungsleiter in der Hauptverwaltung des Kaufhof-Konzerns auf und war anschließend dreißig Jahre lang in leitenden Positionen bei der Westdeutschen Lottogesellschaft tätig. Daneben engagierte er sich für seinen ASV, erst als Sportwart und Vorstandsmitglied, dann als Präsident und vor allem als Meeting-Direktor des Internationalen Leichtathletik-Sportfestes „Weltklasse in Köln“, das er 28-mal organisierte. Als der italienische Leichtathletik-Weltpräsident Primo Nebiolo die Golden League-Sportfeste kreierte, die mit Fernsehmillionen ausgestattet wurden, Köln aber außen vor blieb, gab Germar nach einigen Jahren schweren Herzens als Organisator auf. Damit war die Ära des renommierten Kölner Sportfestes beendet. In dem Beschluss, die Veranstaltungsserie an den Abonnementsender Premiere zu verkaufen und damit einem breiten Publikum vorzuenthalten, sieht er einen der Gründe für den Niedergang der Leichtathletik.

Manfred Germar hat in den verschiedensten Funktionen bewiesen, dass ein Kurz-streckenläufer langen Atem haben kann. Zwischen 1974 und 2006, dem Zeitpunkt der Fusion von Deutschem Sportbund und Nationalem Olympischen Komitee (NOK), war er Persönliches NOK-Mitglied. Nicht zuletzt hat das Sprinteridol von Beginn an und bis 2009 im Gutachterausschuss der Sporthilfe mitgearbeitet. Zum vierzigjährigen Bestehen dieses Gremiums wurde einmal aufgelistet, dass der Kölner bis dahin an weit über 400 von rund 600 Sitzungen teilnahm. Zusammen mit der Vorbereitung, dem Studium der Unterlagen, die von anfangs zwei, drei Seiten sich auf inzwischen zehn bis zwanzig Zentimeter Material auswuchsen, summierte sich da schon der Aufwand auf eine Lebenszeit von rund anderthalb Jahren. Auch für dieses ungewöhnliche Engagement ist Germar im Jahr 2003 mit der Goldenen Sportpyramide der Stiftung Deutsche Sporthilfe ausgezeichnet worden.

Willi Daume hatte den Rheinländer 1967 kurz nach der Gründung der Sporthilfe ins neue Boot geholt. „Ich war hellauf begeistert, dass ich im Sport helfen konnte. Ich kam ja gerade aus dem Sport und wusste, dass die Athleten im Osten durch die Politik und die Sportler in den USA durch die Universitäten unterstützt wurden. Willi Daume und Sporthilfechef Josef Neckermann wollten einfach Chancengleichheit für die Sportler. Ich habe das genauso gesehen“, sagte Germar im Rückblick.

Lob kam unter anderem von Ingrid Mickler-Becker und Horst Meyer, die mit ihm lange Jahre im Gutachter-Ausschuss saßen. Die Leichtathletik-Olympiasiegerin stellte fest: „Manfred Germar ist ehrlich und direkt. Er hat so viel Wissen und Erfahrung, dass er die Dinge schnell durchschaut und weiß, wie eine Entscheidung aussehen sollte.“ Und der Goldmedaillengewinner im Achter rühmte den Senior unter den Gutachtern für „seine Gelassenheit in finanziell schwierigen Situationen und für seine verbindliche Klarheit, wenn manches nicht zu leisten ist.“ Die Zahl der Funktionen im Sport ist mit zunehmendem Alter kleiner geworden. Es blieben vor allem die Tätigkeit in diesem wichtigen Gremium der Sporthilfe und die Verpflichtungen als Vorstandsmitglied des Deutschen Olympia- und Sport-Museums in Köln. Der private Spielraum wurde größer, zum Kicken mit den beiden Enkelsöhnen, für die eine oder andere Golfrunde und für mehr gemeinsame Zeit mit seiner Frau. Als Hauptmotiv für sein umfassendes und dauerhaftes ehrenamtliches Engagement führte Germar an: „Ich habe so viel Schönes im Sport erlebt. Da wollte ich etwas zurückgeben, etwas tun für die Jugend. Denn das ist doch wunderbar: Sport zu treiben.“

Steffen Haffner, April 2006

Literatur zu Manfred Germar:

Manfred Germar: Die Spuren meiner Spikes. Frankfurt/M. 1961


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