Katja Seizinger

Ski Alpin

  • Name Katja Seizinger
  • Sportart Ski Alpin
  • Geboren am 10. Mai 1972 in Datteln
  • Aufnahme Hall of Fame 2018
  • Rubrik 90er Jahre bis heute

Der stille Skistar aus dem Odenwald

Katja Seizinger (seit ihrer Heirat im Jahr 1999 Katja Weber) gehört zu den erfolgreichsten alpinen Skirennfahrerinnen in der Geschichte des Deutschen Skiverbandes. Die im badischen Odenwald aufgewachsene Athletin dominierte in den 1990er Jahren die alpine Ski-Szene: Sie gewann bei drei Olympia-Teilnahmen insgesamt fünfmal Edelmetall, darunter dreimal Gold, wurde Weltmeisterin und war von 1992 bis zu ihrem Karriereende 1998 sieben Jahre in Folge unter den Top 3 des Gesamtweltcups, zweimal krönte sie sich mit dem Gewinn der großen Kristallkugel zur Saisonbesten.

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Das Skifahren erlernte Katja Seizinger u.a. im Odenwald am Katzenbuckel, einem Berg in der Nähe ihres damaligen Wohnortes Eberbach. In der Saison 1989/90 nahm sie zum ersten Mal am Weltcup teil, erreichte 1990 ihren ersten Podiumsplatz im Super-G und wurde von der Deutschen Sporthilfe zur „Juniorsportlerin des Jahres“ gekürt. Bei ihrer ersten Weltmeisterschaft 1991 wurde sie Fünfte in der Abfahrt und in der Kombination. Noch im selben Jahr gewann sie ihr erstes Weltcuprennen. Bei ihren ersten Olympischen Spielen 1992 in Albertville holte sie die Bronzemedaille im Super-G, wurde 1993 in dieser Disziplin Weltmeisterin und krönte sich ein Jahr später in Lillehammer in der Abfahrt zur Olympiasiegerin. Bei den Olympischen Winterspielen 1998 in Nagano gewann sie abermals die Abfahrts-Goldmedaille und verteidigte damit erfolgreich den Olympiasieg in einer alpinen Speed-Disziplin, was zuvor noch niemandem gelungen war. Ihren insgesamt dritten Olympiasieg holte sie nur einen Tag später in der Kombination – bei einem historischen deutschen Dreifach-Triumph vor ihren Teamkolleginnen Martina Ertl und Hilde Gerg. Katja Seizinger gewann in Nagano zudem die Bronzemedaille im Riesenslalom. Die damals 25-Jährige wurde in jener Saison nach 1996 zum zweiten Mal Gesamtweltcup-Siegerin, gewann die Einzel-Weltcups in der Abfahrt, sowie im Super-G und wurde zum dritten Mal zur Sportlerin des Jahres gewählt. Zudem ist sie eine von drei Rennläuferinnen, der es gelang, drei Rennen innerhalb von drei Tagen zu gewinnen: im Dezember 1997 im kanadischen Lake Louise.

Nach einer schweren Verletzung im Sommertraining 1998 beendete Seizinger ihre Karriere. Die Trägerin des Goldenen Sportehrenzeichens des Deutschen Skiverbandes (DSV), der höchsten DSV-Auszeichnung, erhielt 2002 den Fair-Play-Preis für ihre gesamte Sportkarriere. Trotz ihres großen sportlichen Ehrgeizes vernachlässigte die Speed-Spezialistin nie die berufliche Ausbildung und begann nach dem Abitur, das sie mit einem Notendurchschnitt von 1,6 abschloss, an der Universität Hagen ein Fernstudium im Fach BWL. Nach Abschluss des Studiums arbeitete sie zunächst drei Jahre in einer Heidelberger Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, bevor sie ihren ersten Erfahrungen im väterlichen Unternehmen sammelte. Seit dem 1. Oktober 1999 ist sie mit Kai-Uwe Weber verheiratet. Mittlerweile arbeitet die Mutter zweier Kinder im Aufsichtsrat von zwei Stahlunternehmen. Zudem trat sie 2002 bei den Olympischen Winterspielen als TV-Expertin auf.

Katja Seizinger

Ski Alpin

Größte Erfolge

  • Olympiagold in der Abfahrt 1994
  • Olympiagold in der Abfahrt und in der Kombination 1998
  • Olympiabronze im Super-G 1992
  • Olympiabronze im Riesenslalom 1998
  • Weltmeisterin im Super-G 1993
  • drei WM-Silbermedaillen (Abfahrt 1996, Super-G und Kombination 1997)
  • Gesamtweltcup-Siegerin (1996 und 1998)
  • insgesamt 36 Weltcup-Siege

Auszeichnungen

  • DSV-Ehrenzeichen in Gold (1999)
  • Sportlerin des Jahres (1994, 1996 und 1998)
  • Juniorsportlerin des Jahres (1990)

Biografie

Die Pokale stehen fast alle in einem Schrank im Keller, „und dafür muss ich den Schlüssel erst suchen“, sagt Katja Seizinger augenzwinkernd. Die Medaillen liegen sicher auf dem Dachboden, und an den Wänden hängen auch keine Fotos, die sie als Skirennläuferin zeigen, damals in den neunziger Jahren. Im Hause Seizinger oder besser Weber, wie die neben Maria Höfl-Riesch noch immer erfolgreichste deutsche Alpine seit ihrer Hochzeit heißt, deutet nichts auf ihre große Karriere hin.

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Katja Seizinger hat noch nie sich oder ihre sportlichen Erfolge zur Schau gestellt, sondern lieber still genossen, manch einem sogar ein bisschen zu still. Eine Trophäe liegt ihr aber doch so am Herzen, dass sie es ins heimische Wohnzimmer geschafft hat: die  handbemalte Vase, die sie für ihren letzten Weltcup-Sieg in Are 1998 bekommen hat. „Auf die lege ich viel Wert.“ Das wissen auch die Kinder. Wenn Besuch da ist und das Wohnzimmer zum Spielzimmer wird, muss die Vase zuvor in Sicherheit gebracht werden.

Die heute 46-Jährige Mutter von zwei Kindern und Geschäftsfrau war schon immer ein bisschen anders als die meisten ihrer Kolleginnen. Das fing damit an, dass die Tochter eines Stahlunternehmers nicht in den Alpen oder den Mittelgebirgen im Süden Deutschlands aufgewachsen ist, sondern die ersten Jahre ihres Lebens in Nordrhein-Westfalen verbracht hat. Weil die Eltern Doris und Hans Seizinger begeisterte Skifahrer waren, sind sie mit ihren Kindern Katja und dem zwei Jahre älteren Bruder Sven in den Winterferien regelmäßig in die französischen Alpen gefahren.

Die kleine Katja lernte schnell, und als die Familie nach Eberbach bei Heidelberg umsiedelte, forcierte sie ihre Leidenschaft auf zwei Brettern. Ihr erstes Rennen fuhr sie für den baden-württembergischen Verein „Skizunft Katzenbuckel“, später wechselte Seizinger zu den Rheinbrüdern Karlsruhe. Bald war sie die Beste in ihrem Jahrgang, nicht nur regional, sondern bundesweit. Fast jedes Wochenende im Winter war sie unterwegs. Als die Schule und die viel Zeit in Anspruch nehmende Skikarriere nicht mehr vereinbar waren daheim im badischen Eberbach, suchten die Eltern auf Drängen der Tochter nach einer Lösung. Sie schickten Katja mit 15 aufs Internat nach Hohenschwangau im Allgäu, unter der Voraussetzung, dass die Schule nicht unter der Doppelbelastung leide. „Schlechte Noten hätte der Papa nicht akzeptiert“, sagt Katja Seizinger schmunzelnd. Sie schaffte das Abitur mit einem Schnitt von 1,6, meisterte die Herausforderung also mit Bravour. Wie fast alles, was sie anpackte. 

Mit 17 Jahren, im November 1989, debütierte Katja Seizinger, die seit ihrer Zeit im Allgäu für den SC Halblech startete, im Weltcup, drei Monate später stand sie zum ersten Mal auf dem Podest als Zweite des Super-G von Meribel. Der erste Weltcupsieg gelang ihr als 19-Jährige. Bei den Olympischen Spielen in Albertville kurz darauf gehörte sie bereits zu den Goldkandidatinnen in der Abfahrt, verpasste aber eine Medaille um nur drei Hundertstelsekunden. Drei Tage später klappte es mit Bronze im Super-G. Trotz des ersten Edelmetalls bei einem Großereignis sind in Seizingers Erinnerung die Spiele in den französischen Alpen eine Enttäuschung gewesen. Zwei Jahre später in Lillehammer gehörte sie bereits zum Establishment des Ski-Weltcups und gewann mit erst 21 Gold in der Abfahrt. 1998 in Nagano schaffte sie als erste Alpin-Frau die Wiederholung des Olympiasieges, dazu kam noch einmal Gold in der Kombination. Insgesamt gewann Katja Seizinger fünf olympische Medaillen, wurde einmal Weltmeisterin und zweimal Gesamtweltcupsiegerin. Mit 36 Weltcupsiegen führt sie die deutsche Rangliste der besten Skirennläuferinnen noch immer an und ist bis heute die einzige Frau im Ski-Weltcup, die sechs Rennen hintereinander gewonnen hat. Dreimal kürten sie die Journalisten zur Sportlerin des Jahres.

Katja Seizinger hat für den Sport gelebt, für die Ziele auf der Piste, aber für sie war der Sport nie eine Plattform, um sich zu präsentieren. „Die Fee am Glücksrad zu machen“, sagte sie einmal, „ist nicht mein Ding.“ Sie hat stets den Spagat geschafft, der für sie gar keiner war. Wenn es um das Skifahren ging, fand sie oft deutliche Worte, aber auf der persönlichen Ebene blieb sie stets distanziert. Das sichere Pisten-Terrain verließ sie so gut wie nie. Katja Seizinger trennte immer strikt zwischen ihrem Sportler- und ihrem Privatleben, zog die Ruhe stets dem Rummel vor. Sie ließ sich nicht vereinnahmen, gab nur preis, was unbedingt sein musste. Ihre Hochzeit mit Kai-Uwe Weber kurz nach dem Ende ihrer Karriere fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, ebenso die Momente, in denen sie in trauter Runde unbeschwert war und auch einmal Witze erzählte.

Homestorys lehnte sie ab, genauso Besuche in Talkshows. „Entertainment“, fand sie, „ist nicht unbedingt nötig.“ PR-Termine nahm Katja Seizinger nur selten wahr und in die Kamera lächelte sie, wenn sie es für richtig befand, nicht auf Befehl. Als sie bei ihrem ersten Olympiasieg in Lillehammer 1994 als Schnellste im Ziel abschwang, war für viele klar, dass dies Gold bedeutete. Aber Katja Seizinger selbst fühlte sich noch nicht als Gewinnerin, sondern harrte der Dinge im Ziel, weil noch nicht alle Läuferinnen im Ziel waren, die ihr den ersten Platz noch hätten streitig machen können. Sie wirkte dabei eher angestrengt als befreit und glücklich. Ein Fotograf forderte sie deshalb harsch auf, endlich einmal zu lachen. Aber so etwas ignorierte sie einfach. Die Frau der großen öffentlichen Emotionen war sie einfach nicht, nicht mit 21, nicht später. Natürlich sei der Triumph von Lillehammer „ein tolles Erlebnis“ gewesen, sagte sie jetzt, fast 25 Jahre später, vor allem habe sie „eine große Erleichterung“ verspürt nach den etwas unglücklichen Spielen von Albertville.

Nein, verbiegen ließ sich Katja Seizinger nicht. Weder im Umgang mit der Öffentlichkeit, noch von den Trainern. Ein wenig stur, behaupten die, die sie damals an die Weltspitze begleiteten, sei sie immer gewesen, nicht leicht von etwas abzubringen, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Andererseits korrigierte sie Fehler stets akribisch und präzise. Ehrgeizig, zielstrebig, geradlinig – so wurde sie oft beschrieben. „Das sind Eigenschaften, mit denen ich mich identifizieren kann“. Katja Seizinger verzichtete am Ende ihrer Karriere auf einen Kopfsponsor, beteiligte ihre Trainer an ihren Prämien. Und als Manager vertraute sie ihrem Vater.

Die heute 46-Jährige ist ganz froh, dass es damals noch keine sozialen Medien gab. „Ich würde sicher nicht auf Facebook meinen Tagesablauf posten, wie es manche machen“, sagt sie lächelnd. Katja Seizinger wusste um die Vorbildfunktion, die sie als erfolgreiche Sportlerin hatte, aber auch die füllte sie mit der ihr eigenen zurückhaltenden Art aus. „Bei mir hat die Familie immer gesagt: mit den Füßen auf dem Boden bleiben.“ Respekt und fairer Umgang sind Katja Seizinger wichtig, im Sport genauso wie später im Beruf und im Privatleben. Was aber auch sie nicht vor Fehlern geschützt hat. Noch immer denkt sie daran, wie sie einst eine Konkurrentin im Parallel-Wettbewerb im Eifer des Gefechtes einfach stehen ließ, statt wie üblich abzuklatschen. „Das sind so Momente, in denen man nicht denkt.“

Als die Welt der Katja Seizinger nicht mehr die Berge und die Skipisten waren, hatte sie damit keine Probleme. Ihr ist geglückt, womit viele Leistungssportler große Schwierigkeiten haben: der reibungslose Übergang in das Leben nach der Karriere. Plötzlich nicht mehr im Rampenlicht zu stehen, hat ihr nichts ausgemacht, weil es ihr zuvor auch nicht besonders wichtig war. Sie hatte nie Angst vor der großen Leere im Leben nach dem Sport, weil sie ihre Karriere früh akribisch plante, sowohl die auf Skiern als auch die berufliche, in der sie nach Abschluss der Ausbildung eine Führungsposition im väterlichen Stahlunternehmen übernahm. Während ihrer Weltcup-Karriere hat sie nebenbei an der Fern-Universität in Hagen Betriebswirtschaft studiert. Wenn die Kolleginnen nach einem harten Trainings- oder Wettkampftag noch zusammensaßen oder auch einmal an die Bar gingen, zog sie sich in ihr Zimmer zurück, um zu büffeln. „Etwas Beschäftigung für den Kopf schadet nicht und hilft sich bei Misserfolgen abzulenken“, sagte sie damals.

Die WM 1999 in Vail sollte der Schlusspunkt ihrer Karriere sein, aber ausnahmsweise kam es einmal anders, als Katja Seizinger geplant hatte. Bei einem Sturz im Sommertraining 1998, ein paar Monate nach der für sie erfolgreichsten Saison mit zweimal Gold in Nagano und dem zweiten Gesamtweltcupsieg zog sie sich eine komplexe Knieverletzung zu, unter anderem riss das Kreuzband. Statt in Colorado bei den Titelkämpfen an den Start zu gehen, intensivierte sie ihr Studium und gab im April 1999 ihren Rücktritt bekannt. Zwar endete ihre Karriere ein Jahr früher als beabsichtigt, „aber ich bin auf dem Höhepunkt abgetreten. Das Glück haben nicht viele.“

Sie konzentrierte sich zunächst auf den Abschluss ihres Betriebswirtschaftsstudiums und absolvierte nebenbei ein Praktikum in einer Heidelberger Steuerkanzlei und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, in der sie anschließend auch drei Jahre als Wirtschaftsprüfer-Assistentin beschäftigt war. Erst dann stieg sie ins Unternehmen des Vaters ein. Im Dezember 2006 kam Sohn Finn zur Welt, zwei Jahre später Tochter Ilva, seitdem kümmert sie sich nicht mehr ums Tagesgeschäft. Als Mitglied des Aufsichtsrats ist sie aber in die wichtigen Entscheidungen involviert und wird von ihrem Mann, der gemeinsam mit dem Bruder und dem Vater das Unternehmen führt, auf dem Laufenden gehalten. Im Weltcup ist sie nach ihrem Rücktritt nur noch selten aufgetaucht. Bei der Weltmeisterschaft 2001 und den Olympischen Spielen in Salt Lake City ein Jahr später war sie als Fernsehexpertin dabei. Das Angebot kurz nach ihrem Karriereende im Beirat des Deutschen Skiverbandes mitzuarbeiten, hat sie aber abgelehnt, vor allem aus Zeitgründen. „Wenn ich es mache, will ich es richtig machen.“ Wie früher als Skirennläuferin.

Von Elisabeth Schlammerl / September 2018


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